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"Die Bundeskanzlerin und ich haben klar gesagt: Gaddafi muss die Macht abgeben"

Pressestatements der Bundeskanzlerin und von US-Präsident Barack Obama am 7. Juni 2011 in Washington


Die folgende Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung bei der Pressekonferenz von Obama und Merkel am 7. Juni 2011 in Washington. Zwei kurze Leerstellen in der Übersetzung überbrücken wir mit den Originalsätzen aus dem Transkript des Weißen Hauses (www.whitehouse.gov).

P Obama: Guten Morgen! Es ist mir eine Ehre, meine gute Freundin und Partnerin Bundeskanzlerin Merkel erneut im Weißen Haus willkommen heißen zu dürfen. Wir hatten gestern ein wunderschönes Abendessen zu zweit. Wie Sie heute Morgen wieder gesehen haben, ist das Englisch von Angela sehr viel besser als mein Deutsch.

Michelle und ich freuen uns sehr darauf, die Bundeskanzlerin und Professor Sauer heute Abend bei einem Staatsbankett zu Gast zu haben, wo ich auch die Ehre haben werde, die "Medal of Freedom" zu überreichen.

Wie ich heute Morgen schon gesagt habe, gehört Deutschland zu unseren stärksten Verbündeten. Wir sehen unsere Partnerschaft in der Energie und Tatkraft unserer Arbeitnehmer und Unternehmen, die die größten Handelsbeziehungen in der Welt aufrechterhalten. Wir sehen diese Partnerschaft in den Studenten und in den wissenschaftlich Lehrenden und Forschenden, die Innovationen freisetzen und neue, saubere Energiequellen herbeiführen.

Wir sehen unsere Partnerschaft auch im Mut der Soldatinnen und Soldaten, die Seite an Seite in Afghanistan stehen. Bundeskanzlerin Merkel, ich möchte Ihnen und dem deutschen Volk danken für Ihr starkes Engagement bei diesem wichtigen Auftrag. In unseren Herzen sind wir bei den verwundeten Soldaten und den Familien - den deutschen, den amerikanischen und anderen -, die ihre geliebten Familienangehörigen verloren haben. Wir erinnern uns ihrer und verneigen uns vor ihnen.

Wir sehen unsere Partnerschaft auch in der Fähigkeit unserer Diplomaten, die Verbreitung von tödlichen Waffen zu verhindern und in Europa und anderswo für Demokratie einzustehen. Wir sehen sie auch in der Leidenschaft unserer Entwicklungsexperten, die sich dafür einsetzen, mehr Leid im Sudan zu verhindern.

Das ist das Wesen unseres Bündnisses: Wir sind zwei Völker, gebunden durch gemeinsame Werte, die sich für die Sicherheit und den Wohlstand nicht nur unserer Bürger, sondern auch derjenigen, die weit von unseren Grenzen leben, verpflichten.

Dies ist, glaube ich, unser zehntes gemeinsames Treffen. Das schließt nicht die vielen Telefonate und Videokonferenzen mit ein, die wir zu allen Stunden des Tages und der Nacht durchführen. Es gibt kaum ein internationales Thema, zu dem wir uns nicht konsultieren. Ich habe es schon häufig gesagt: Ich lege Wert auf den pragmatischen Ansatz von Angela bei komplexen Themen. Ich vertraue ihr, sie ist offen und direkt. Wie sie selber gesagt hat, macht die Zusammenarbeit einfach Spaß. Das ist heute erneut der Fall gewesen, auch bei der Besprechung von dringenden Herausforderungen.

Deutschland gehört zu unseren größten Handelspartnern. Wir haben besprochen, wie wir unser weiteres Wirtschaftswachstum gewährleisten und weitere Arbeitsplätze schaffen können. Tausende von amerikanischen Arbeitsplätzen werden von unseren Exporten nach Deutschland gestützt und tausende von Amerikanern arbeiten für deutsche Unternehmen, die sich dafür entschieden haben, in Amerika zu investieren. Ich freue mich sehr, dass Milliarden von Dollars aus Deutschland jetzt neue Fabriken ermöglichen - Stahl in Alabama, Fertigung in Tennessee. Dadurch werden Tausende von neuen amerikanischen Arbeitsplätzen entstehen.

Die Bundeskanzlerin und ich haben die Notwendigkeit besprochen, Regulierungen und Barrieren abzubauen, so dass es mehr Handel und Investitionen gibt - auch bei Elektrofahrzeugen, wo unsere beiden Länder führend sind und es enorme Möglichkeiten für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit gibt.

Ich schätze die Ansichten der Bundeskanzlerin sehr, was die Finanzlage in Europa betrifft. Wir sind uns einig, dass wir weitere Risiken für die weltwirtschaftliche Erholung nicht in Kauf nehmen können.

Was die Sicherheit betrifft, haben wir die Fortschritte in Afghanistan besprochen. Wir haben die Schubkraft der Taliban unterbrochen und haben afghanische Streitkräfte ausgebildet. Wir befinden uns nun an einem Wendepunkt. Wir sind im Zeitplan, um den Übergang zur afghanischen Federführung einzuleiten. Wir werden mit der Reduzierung der amerikanischen Truppen im Sommer beginnen.

Ich habe der Bundeskanzlerin für die Unterstützung der Prinzipien gedankt, die ich im letzten Monat als Grundlage für Verhandlungen zwischen den Israelis und Palästinensern dargelegt habe. Ich möchte Angela auch für ihre persönlichen Anstrengungen würdigen, die beiden Parteien an den Verhandlungstisch zurückzubringen. Wir sind uns einig, dass beide Seiten schwierige Entscheidungen treffen werden müssen. Wir sind uns auch einig, dass einseitige Maßnahmen vermieden werden sollten, wie zum Beispiel eine Abstimmung über einen palästinensischen Staat bei der VN-Generalversammlung.

Wir sind uns einig, dass die Weiterführung des iranischen Nuklearprogramms weiterhin ein ernsthaftes Anliegen darstellt. Wir sind übereingekommen: Falls das IAEO-Direktorium diese Woche feststellt, dass der Iran die internationalen Verpflichtungen weiterhin ignoriert, werden wir keine andere Wahl haben, als zusätzliche Sanktionen zu verhängen und den Druck auf das iranische Regime aufrechtzuerhalten.

Wir haben auch die historischen Veränderungen in Nordafrika und im Nahen Osten besprochen. Was Libyen betrifft, möchte ich feststellen, dass die Bereitstellung von zusätzlichen Ressourcen und Personal durch Deutschland in Afghanistan es den NATO-Verbündeten ermöglicht hat, ihre Unterstützung für diesen Auftrag zum Schutz des libyschen Volkes aufzustocken. Die Bundeskanzlerin und ich hatten auch klar gesagt: Gaddafi muss die Macht abgeben und muss die Macht an das libysche Volk übergeben. Der Druck wird weiterhin wachsen, bis er dies tut.

Nach unserer Übereinkunft in Deauville haben die Bundeskanzlerin und ich weitere politische und wirtschaftliche Reformen im Nahen Osten und in Nordafrika besprochen, insbesondere auch unsere Unterstützung für Tunesien und Ägypten. Wir sind die beiden größten Geberländer, was Hilfe in der Region betrifft, und wir sind uns einig, dass diese historische Möglichkeit nicht verschwendet werden darf. Es steht für uns sehr viel auf dem Spiel bei der Gewährleistung, dass diese Übergänge zur Demokratie erfolgreich sind. Die erstaunliche Lebensgeschichte der Bundeskanzlerin und ihre Hilfestellung bei der Überwindung der Wunden der Vergangenheit bedeuten, dass ich ihre Partnerschaft in diesem Bereich sehr schätze.

Ich bin der Bundeskanzlerin gegenüber sehr dankbar dafür, dass sie hier ist. Ich bin zuversichtlich, dass das Bündnis zwischen unseren Nationen eine unverzichtbare Säule sein wird, durch die mehr Sicherheit, mehr Wohlstand und mehr Gerechtigkeit in der Welt entsteht. Ich schätze meine persönliche Freundschaft mit der Kanzlerin sehr.

BK´in Merkel: Meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident, lieber Barack, ich möchte mich auch im Namen unserer ganzen Delegation für den wunderbaren Empfang heute Morgen im Weißen Haus ganz herzlich bedanken, auch für die Begrüßung, die ein Ausdruck unserer Freundschaft und unserer Zusammenarbeit ist. Wenn wir uns einmal überlegen, dass sich heute jeder fünfte Amerikaner zurecht und vielleicht auch mit ein bisschen Stolz auf seine deutsche Abstammung berufen kann, dann können wir sagen: Wir haben lang zurückliegende, gemeinsame Wurzeln. Wenn man sich einmal die Namen deutschen Ursprungs vor Augen führt, die in der amerikanischen Geschichte auch eine Rolle gespielt haben - Friedrich Steuben, aber auch viele Wirtschaftsführer, die heute noch berühmt sind, wie Astor, Guggenheim, Kaiser, Rockefeller, Steinway, Strauss und Singer -, so haben wir doch ein breites Fundament, auf dem wir aufbauen können. Wir sind auch immer noch dankbar dafür, dass so viele Deutsche während des Zweiten Weltkriegs Asyl in den Vereinigten Staaten von Amerika gefunden haben.

Heute gibt es breite Partnerschaften - vom Schüleraustausch bis hin zu 1.500 wissenschaftlichen Kooperationen. Wir arbeiten in der Raumfahrt zusammen - bei der ISS mit vielen Geräten -, und haben viele gemeinsame Erfolge. Ich habe es schon erwähnt: Die 50.000 amerikanischen Soldaten, die heute noch in Deutschland sind, sind uns herzlich willkommen.

Ich kann es ganz persönlich sagen: Ich würde ohne die Vereinigten Staaten von Amerika wahrscheinlich heute nicht hier stehen können. Die Überwindung des Kalten Krieges war dem Mut der Menschen in Mittel- und Osteuropa sowie in der ehemaligen DDR geschuldet, aber eben auch der Standhaftigkeit der westlichen Partner über viele Jahrzehnte hinweg. Als viele schon aufgehört hatten, daran zu glauben, oder manche dachten, dass es vielleicht besser ist, zwei Deutschlands als ein Deutschland zu haben, hat der amerikanische Präsident George Bush sehr klar gesagt: Die Wiedervereinigung verdient unsere Unterstützung. So haben wir, glaube ich, die gemeinsame Aufgabe - die erfüllen wir ja auch mit Freude -, durch ganz intensive Kontakte die Welt von heute wieder in diesem Geist der Freiheit und der gemeinsamen Werte zu formen. Das hat auch unsere Agenda bestimmt.

Dabei ist das, was uns in diesem Jahr von Januar an eigentlich beschäftigt, der arabische Frühling, die Veränderungen in Tunesien, Ägypten, Libyen, Syrien und vielen anderen Ländern. Das ist eine riesige Herausforderung. Aber wenn ich daran denke, wie Europa nach dem Zweiten Weltkrieg durch einen Marshallplan auf die Beine gekommen ist, dann ist es, glaube ich, heute unsere gemeinsame Aufgabe - der Vereinigten Staaten von Amerika, Europas und natürlich auch Deutschlands -, mit Hilfe zur Selbsthilfe dort den Wandel möglich zu machen und gerade den vielen jungen Menschen eine Perspektive zu geben. Darüber haben wir gesprochen. Wir haben darüber gesprochen, dass gerade Deutschland mit seiner Erfahrung in der Berufsausbildung ein Bündnis für Beschäftigung anbietet. Wir arbeiten sehr eng zusammen, gerade beim Fortgang der Ereignisse in Ägypten und Tunesien.

Wir haben auch deutlich gemacht, dass wir in Libyen den Aufbau der Institutionen von deutscher Seite aus fördern werden. Ich habe hier noch einmal gesagt, dass wir uns neben der Vertretung, die wir heute schon in Bengasi haben, in Zukunft an der Polizeiausbildung beteiligen wollen, dass wir gerade auch, was Infrastrukturaufbau anbelangt, in Libyen tätig sein wollen und dass wir gerade auch durch ein zusätzliches Engagement in Afghanistan unseren Beitrag indirekt geleistet haben.

Wir haben über die wirtschaftlichen Herausforderungen gesprochen. Wir haben im G20-Rahmen eigentlich sehr eng zusammengearbeitet und, glaube ich, auch viele Erfolge erzielt. Die Situation innerhalb der Eurogruppe und Europas ist natürlich von großem Interesse. Es hat hierüber Gespräche unserer Finanzminister gegeben, aber wir haben auch sehr intensiv darüber diskutiert. Ich habe noch einmal deutlich gemacht: Für Deutschland ist Europa nicht nur unverzichtbar, sondern ein Teil unserer Identität. Wir haben immer gesagt: Deutsche Einigung und europäische Einigung, das sind zwei Seiten einer Medaille. Aber wir wollen ein wettbewerbsfähiges Europa. Wir sind uns beide gewiss, dass wir einen harten Wettbewerb mit den Schwellenländern der Welt führen. Das heißt, Europa muss wettbewerbsfähig sein. Auch wenn wir ein interessanter Wirtschaftspartner für die Vereinigten Staaten von Amerika bleiben wollen, muss das auf einer Basis der Stärke und der Wettbewerbsfähigkeit geschehen. Deshalb ist der deutsche Ansatz ein Ansatz für Europa, aber auch ein Ansatz für ein wettbewerbsfähiges Europa. Das gilt auch für Länder, die jetzt unsere Solidarität brauchen, die aber auch zu mehr Wettbewerbsfähigkeit kommen müssen.

Wir haben über den Nahost-Friedensprozess gesprochen. Ich glaube, es war eine ganz wichtige Initiative, noch einmal deutlich zu machen, wie die Vereinigten Staaten von Amerika genauso wie die Bundesrepublik Deutschland und Europa den Fortgang des Friedensprozesses wollen. Ich sage es immer wieder beiden Seiten: Wir wollen eine Zwei-Staaten-Lösung. Wir wollen, dass ein jüdischer Staat Israel und ein palästinensischer Staat existieren. Einseitige Maßnahmen helfen uns jetzt überhaupt nicht weiter. Wir haben auch verabredet, sehr eng auf diesem Gebiet zusammenzuarbeiten; denn ich glaube, die Zeit drängt. Angesichts der vielen Probleme im arabischen Raum wäre es ein gutes und wichtiges Signal, wenn gerade auch bis zum Herbst deutlich werden würde, dass Gespräche zwischen den Parteien doch wieder möglich sind.

Unser Engagement in Afghanistan zeigt, wie eng wir miteinander verbunden sind. Wir sind sehr dankbar für die Zusammenarbeit im Norden Afghanistans, die sich wunderbar entwickelt hat. Wir teilen die gemeinsame Überzeugung, dass wir in Afghanistan einen Ansatz der vernetzten Sicherheit brauchen, einen politischen und militärischen Ansatz. Wir haben gesagt: Wir sind dort gemeinsam hineingegangen, und wir wollen Afghanistan eines Tages auch gemeinsam in Verantwortung verlassen, ohne es zu vergessen; denn Afghanistan wird noch lange unsere Unterstützung brauchen.

Lieber Barack, ich bedanke mich für die intensiven, freundschaftlichen Gespräche und auch für den sehr intensiven Austausch. Ich denke, auch wenn wir anders aussehen als unsere Vorgänger, haben wir doch vieles miteinander zu besprechen.

Frage: (akustisch unverständlich. Hier ist die Frage in Englisch: Thank you, Mr. President. You both face economic troubles. Mr. President, how worried are you about the threat of a double-dip recession? What specific policies are you considering to help head it off? And abroad, do you expect Germany to fund another bailout for Greece? And Chancellor Merkel, is Europe concerned about the possibility of the U.S. defaulting on its debt? Thank you.)

P Obama: (Anfang der Antwort wurde nicht übersetzt. Hier ist er auf Englisch: I’m not concerned about a double-dip recession. I am concerned about the fact that the recovery that we’re on is not producing jobs as quickly as I want it to happen.) Vor diesem Monat gab es über einen Zeitraum von drei Monaten eine Zunahme von Arbeitsplätzen; das war sehr ermutigend. In diesem Monat hat es weitere Arbeitsplätze im Privatsektor gegeben, aber nicht so schnell. Wir wissen nicht, ob das eine langfristige Tendenz sein wird. Es gibt Fortschritte und auch Schwierigkeiten, gerade auch was die Benzinpreise betrifft; denn diese haben enorme Auswirkungen auf die Haushaltslage der privaten Haushalte, der amerikanischen Familien und der Verbraucher. Wir müssen gewährleisten, dass wir eine entsprechende Energiepolitik haben, die auch mehr Stabilität bei den weltweiten Ölpreisen herbeiführt.

Was den Trend der letzten 15 Monate betrifft, können wir aber Folgendes feststellen: Zwei Millionen Arbeitsplätze sind geschaffen worden und es gab eine Erholung der Fertigungsindustrie in den Vereinigten Staaten. Ein Beispiel dafür ist die Erholung der drei großen Automobilhersteller. Das alles sind Zeichen dafür, dass wir jetzt einen Weg festgelegt haben und gehen, der zu langfristigem Wirtschaftswachstum führen wird. Es bleibt aber noch sehr viel Arbeit vor uns. Solange es Arbeitslose gibt, solange es Menschen gibt, die nach Arbeit suchen, werde ich jeden Morgen beim Aufwachen darüber nachdenken, wie wir diese Menschen in Arbeit bringen. Einige der Schritte während der "lame duck session" waren zum Beispiel die Lohnsteuer, die Fortsetzung der Arbeitslosenversicherung und Steuererleichterungen für Investitionen in Fabrikanlagen. Das sind hilfreiche Maßnahmen. Ich habe auch ein Interesse daran, mit den Mitgliedern von beiden Parteien im Kongress darüber nachzudenken, wie wir diese Maßnahmen fortsetzen können, sodass wir gewährleisten, dass diese wirtschaftliche Erholung auch robust stattfindet.

Wir haben auch langfristige Herausforderungen, was die Wettbewerbsfähigkeit betrifft. Die Lage ist diesbezüglich nicht sehr viel anders als die Lage in Deutschland oder in anderen Ländern: Es gibt aufstrebende Länder, die konkurrenzfähiger werden, und wir müssen mehr leisten. Wir müssen gewährleisten, dass die Schulen gut funktionieren, damit wir die am besten ausgebildeten Arbeitskräfte in der Welt haben. Wir müssen in die Infrastruktur investieren, sodass wir Unternehmen anziehen. Das Steuerwesen muss reformiert werden, Komplexität muss abgebaut werden und es muss mehr Transparenz und mehr Investitionen in der Privatwirtschaft geben. (Es muss uns außerdem gelingen), die Haushaltslage unter Kontrolle zu bringen, sodass das Land für sich tragfähig ist. An einigen Tagen wird es Schwierigkeiten geben und wir werden nicht zufrieden sein. An anderen Tagen werden wir feststellen, dass die wirtschaftlichen Indikatoren besser sind, als wir dachten. Wir sind aber auf dem Weg der wirtschaftlichen Erholung. Diese Erholung muss jetzt rascher stattfinden. Das erfordert auch die Fortsetzung von sehr vielen Schritten, die ich schon besprochen habe.

Was die europäische Situation betrifft, so habe ich die dortige Lage mit Angela ausführlich besprochen. Das ist eine komplexe, schwierige Situation. Die Schulden in Griechenland sind beträchtlich. Es sind einige sehr schwierige Schritte unternommen worden, um die Lage zu verbessern, aber sie stehen unter dem Druck der internationalen Kapitalmärkte. Als Teil der Eurozone werden sie natürlich nach anderen Mitgliedern der Eurozone schauen, sodass sie den richtigen Weg nach vorne finden. Deutschland wird natürlich eine wichtige Führungsrolle in diesem Prozess haben.

Die Gestaltung der politischen Maßnahmen ist schwierig. Sie wissen, wie schwer es auch für uns war, Investitionen in die eigene Automobilindustrie zu tätigen und zu gewährleisten, dass es nicht zu einer finanziellen Kernschmelze kommt. Sie wissen noch, wie die Lage war, und Sie haben natürlich auch einen Eindruck davon, wie schwierig die Gestaltung von politischen Maßnahmen ist. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir durch die Führungsrolle Deutschlands zusammen mit anderen wichtigen Akteuren in Europa einen Weg finden, sodass es weiteres Wirtschaftswachstum in Griechenland geben kann und man besser mit den Schulden umgehen kann. Dafür wird aber Geduld und etwas Zeit notwendig sein. Wir haben natürlich auch die Zusage gemacht, voll zusammenarbeiten, um diese Themen zu bewältigen - bilateral sowie international durch Finanzinstitutionen wie den IWF.

BK´in Merkel: Wir sind uns in Europa unserer Verantwortung für die Weltwirtschaft bewusst. Barack hat eben dargelegt, wie die Vereinigten Staaten von Amerika alles tun, um Wachstum zu kreieren und die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Das tun wir in Europa ja ganz genauso. Wir haben durch die Wirtschaftskrise erlebt, in welcher gegenseitigen Abhängigkeit wir uns befinden. Das heißt, die Stabilität der Eurozone ist ein wichtiger Faktor für die Stabilität der Weltwirtschaft. Deshalb ist das eine europäische Verantwortung, die wir über den IWF auch gemeinsam wahrnehmen.

Wir haben im Übrigen festgestellt, dass die Stabilität des Euro als Ganzem auch beeinflusst wird, wenn ein Land in Schwierigkeiten ist. Das ist auch die Grundlage unserer Hilfe. Es gibt ja in den Verträgen, die dem Euro zugrunde liegen, im Grunde ein Bail-out-Verbot. Aber wenn der Euro als Ganzes in Gefahr ist, dann liegt es ja im deutschen Interesse und im Interesse jedes einzelnen Landes, zu helfen, um den eigenen wirtschaftlichen Aufschwung nicht zu gefährden. Diesbezüglich werden wir jetzt natürlich handeln, aber so handeln, dass auch die Nachhaltigkeit gewährleistet ist, wie ich es bereits gesagt habe.

Was die Situation in den Vereinigten Staaten von Amerika anbelangt, so, glaube ich, ist es das Beste, jeder behandelt seine eigenen Probleme. Wir haben in Europa eigentlich alle Hände voll zu tun. Ich bin ganz gewiss: So wie wir in Europa unserer Verantwortung nachkommen, werden auch die Vereinigten Staaten von Amerika ihrer Verantwortung nachkommen.

Frage: Heute Abend wird der Bundeskanzlerin die "Medal of Freedom" überreicht. Geschieht das in Anerkennung ihrer Leistungen in der Vergangenheit, oder drückt das auch eine gewisse Erwartungshaltung aus, was die Zukunft betrifft? In welchen Bereichen können die Bundeskanzlerin und Deutschland mehr leisten?

Frau Bundeskanzlerin, Deutschland erntet ja auch in den USA viel Anerkennung für seine wirtschaftliche Stärke. Verbunden ist das aber immer auch mit der Erwartung, sich international stärker einzubringen. Sind Sie der Meinung, dass Deutschland seiner internationalen Verantwortung bisher ausreichend gerecht wird, oder sehen Sie Gebiete, auf denen Deutschland in Zukunft mehr tun müssen wird?


P Obama: Was die Verleihung der "Medal of Freedom" betrifft, geht es natürlich um die Anerkennung und Würdigung des erstaunlichen beruflichen Weges der Bundeskanzlerin. Sie führt auf hervorragende Weise die deutsche Wirtschaft und das europäische Projekt. Sie verkörpert auch die Vereinigung und die Einheit Europas durch ihre eigene Lebensgeschichte und ihre Fähigkeit, die Vergangenheit zu überwinden und einer positiveren Zukunft entgegenzugehen. Sie hat schon Erstaunliches geleistet. Das an sich ist es wert, die "Medal of Freedom" zu erhalten.

Zum Glück wird die Bundeskanzlerin über einen längeren Zeitraum weiterhin bei uns sein. Sie wird auch in Zukunft hervorragende Arbeit leisten und ihre Führungsrolle bei wirtschaftlichen Themen wird von grundlegender Bedeutung sein - gerade auch in der Eurozone, wie wir schon besprochen haben. Ich möchte der Bundeskanzlerin auch gratulieren hinsichtlich des Muts, den sie bei der Bewältigung dieser schwierigen politischen Herausforderungen zeigt. Damit sind für sie auch politische Kosten verbunden.

Im internationalen Bereich gibt es kein Thema, bei dem wir uns nicht eng abstimmen: bei unserer Arbeit in Afghanistan, im Rahmen der NATO, was unseren Ansatz im Nahen Osten und den "Arabischen Frühling" betrifft sowie was unseren Ansatz bei Entwicklungsfragen und bei der Hilfestellung für die ärmsten Länder, ihren richtigen Platz in der Weltwirtschaft zu finden, betrifft. Das sind alles Themenbereiche, in denen wir die Führungsstärke der Bundeskanzlerin begrüßen. Es wird sehr wichtig für uns sein, mehr Frieden und Wohlstand in der Welt zu schaffen. Die Bundeskanzlerin ist (mit ihrer Arbeit) noch nicht am Ende, sie hat noch sehr viel Arbeit vor sich. Ich weiß, dass sie sich ab und zu gern ein paar Tage freinehmen würde, aber wahrscheinlich wird sie darauf warten müssen.

BK´in Merkel: Ich glaube, wenn ich heute hier bin und die "Medal of Freedom" erhalten werde, dann ist das vielleicht auch der richtige Moment, noch einmal darauf zurückzublicken, was eigentlich Ende der 80er Jahre, 1989/90, mit der deutschen Wiedervereinigung geschehen ist. Deutschland hat damals eine qualitativ neue Entwicklungsphase begonnen. Wir waren ein wiedervereinigtes Land, allerdings waren wir plötzlich auch ein Land mit allen Rechten, aber natürlich auch mehr Pflichten.

Wenn man daran denkt, wie wir Anfang der 90er-Jahre in Deutschland darum gerungen haben, ob wir Schiffe auf die Adria senden, um bestimmte Beobachtungen durchzuführen, und dann schaut, wo wir heute stehen, dann, glaube ich, sieht man, wie Deutschland diesen Weg der internationalen Verantwortung gegangen ist - und zwar in einer großen Kontinuität gegangen ist. Dazu gehört militärisches Engagement, das wir auf dem Balkan zeigen, das wir in Afghanistan zeigen, das wir bei UNIFIL, bei der Pirateriebekämpfung und an vielen anderen Stellen zeigen; dazu gehört für uns aber immer auch ein Ansatz, der zwischen Barack und mir auch absolut geteilt wird, nämlich der Ansatz, dass wir Entwicklung und militärisches Engagement verbinden müssen. Insofern glaube ich, dass wir unserer internationalen Verantwortung gerecht werden.

Dass die Welt voller Probleme ist, ist (eine Tatsache). Deshalb kann es auch gar nicht genug Partner geben, die koordiniert zusammenarbeiten. Deshalb wird diese Zusammenarbeit auch für die Zukunft extrem wichtig sein. Ich sage es auch als jemand, der aus Europa kommt: Für uns sind die Veränderungen in Nordafrika natürlich Veränderungen in unserer Nachbarschaft. Wir haben die Wahl: Entweder das gelingt, oder wir haben ein unermessliches Flüchtlingsproblem. Insofern gibt es hier sozusagen nicht nur eine karitative Notwendigkeit, zu helfen - (das tun wir) aus Überzeugung -, sondern hier gibt es auch ein ganz massives eigenes Interesse, einen Beitrag dazu zu leisten, dass diese Region auf die Beine kommt.

Frage: Herr Präsident, Sie haben Bundeskanzlerin Merkel als eine der engsten Verbündeten weltweit bezeichnet. Es gibt aber auch Herausforderungen, zum Beispiel was Libyen und die wirtschaftliche Erholung betrifft. Was Libyen betrifft: Würde ein größerer Militäreinsatz schneller ein positives Ende herbeiführen? Haben Sie Bundeskanzlerin Merkel um einen solchen Beitrag gebeten? Was die europäische Wirtschaftsfrage betrifft: Haben Sie darum gebeten, den Gedanken aufzugeben, dass der Privatsektor beim Bail-out involviert werden soll?

Frau Bundeskanzlerin Merkel, war es ein Fehler der NATO, sich militärisch in Libyen zu betätigen? Wenn nicht: Warum gibt es keine direkte militärische Teilnahme Deutschlands in Libyen? Was können Sie tun, um die wirtschaftliche Erholung Europas zu beschleunigen?


P Obama: Was den Einsatz in Libyen betrifft, so ist es wichtig festzustellen, dass es sich dabei um einen NATO-Einsatz handelt. Der Einsatz ist voll integriert; das bedeutet, dass es deutsches Personal gibt, das in seiner NATO-Rolle auch aktiv an diesen Aktivitäten beteiligt ist. Wie ich schon gesagt habe, hat Deutschland mehr Verantwortung in Afghanistan übernommen, was auch Ressourcen freigesetzt hat, sodass wir unsere Einsätze in Libyen durchführen können.

Die Bundeskanzlerin und ich teilen die Ansicht, dass Gaddafi die Macht abgeben muss, auch im Interesse des eigenen Volkes. Was das Tempo der Einsätze und die Teilnahme betrifft, so sollte man sich vor Augen halten, wo wir vor zwei oder drei Monaten waren und wo wir jetzt sind. Wir stellen fest, dass es wesentliche Fortschritte in Libyen gegeben hat. Unser Ziel besteht darin, das libysche Volk vor einem Massaker zu schützen. Das haben wir getan; Bengasi steht derzeit nicht unter der Bedrohung des libyschen Regimes. In Misrata gab es schwere Angriffe; jetzt ist die Lage dort etwas entspannter. Es gibt weiterhin Risiken und Bedrohungen, aber die Streitkräfte von Gaddafi sind zurückgedrängt worden. Man stellt fest, dass es überall im Land eine unausweichliche Tendenz gibt: Die Regimestreitkräfte werden zurückgedrängt, sie werden außer Kraft gesetzt. Es gibt Überläufer, manchmal auch von Persönlichkeiten, die sehr hoch im Gaddafi-Regime stehen, und auch von Mitgliedern des Militärs. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Gaddafi die Macht abgibt.

Jedes Land, das Teil der Koalition ist, spielt eine andere Rolle. Wir haben zu Beginn sehr viel unternommen, um die Luftabwehr außer Kraft zu setzen, sodass (die Regimestreitkräfte) nicht über große Feuerkraft verfügen. Jetzt sind wir eher in der Unterstützungsrolle und andere Länder haben mehr Verantwortung übernommen. Das und auch die Rolle Deutschlands haben wir gestern Abend diskutiert. Wenn Gaddafi nicht mehr an der Macht ist, wird es sehr viel Arbeit geben müssen, gerade wenn es darum geht, die Bürger Libyens in die Lage zu versetzen, Wirtschaftswachstum zu erzielen und auch politische Strukturen zu erschaffen. Ich bin davon überzeugt, dass wir diesbezüglich die volle Unterstützung Deutschlands haben, genau wie bei anderen Fragen in der Vergangenheit.

Was die Wirtschaft betrifft, habe ich vorhin schon gesagt, dass das ein hochkomplexes Anliegen ist. Die Europäer werden letztendlich Entscheidungen darüber treffen, wie sie den Weg nach vorne gestalten. Man muss ein Gleichgewicht herstellen. Es muss anerkannt werden, dass es Wachstum in Griechenland geben muss und dass man dafür auch private Investitionen und auch strukturelle Reformen braucht, die die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Man braucht mehr Transparenz, gerade auch was das eigene Wirtschaftssystem betrifft. Aufgrund des Schuldenniveaus bedeutet das aber auch, dass andere Länder in der Eurozone Unterstützung gewährleisten müssen. Diejenigen, die diese Schulden besitzen, werden auch Entscheidungen treffen müssen, was die Zusammenarbeit mit den europäischen Ländern und den Ländern in der Eurozone betrifft, wie man mit diesen Schulden umgehen soll.

Wir haben Folgendes getan: Wir haben Deutschland und anderen beteiligten Nationen gesagt, dass wir für sie da sind und ein Interesse daran haben, Unterstützung zu leisten. Wir sind der Meinung, dass das Wirtschaftswachstum in Amerika davon abhängt, dass es zu einer guten Lösung in dieser Frage kommt. Es wäre unserer Meinung nach ein Desaster für uns, wenn es zu einer unkontrollierten Spirale käme, was die Schulden in Europa betrifft; denn das könnte eine ganze Reihe von weiteren Ereignissen auslösen. Ich glaube, dass Angela diese Ansicht teilt. Wir werden dieses Thema also schrittweise bewältigen müssen. Wir werden so behilflich sein, wie wir können, um zu gewährleisten, dass bei der Lösung dieses Problems die besten Ideen umgesetzt werden.

Ich möchte aber noch etwas Allgemeines dazu sagen - das hat auch mit der Frage von Steve von vorhin zu tun -: Menschen auf beiden Seiten des Atlantiks sind frustriert. Das ist durchaus verständlich, denn es gibt Hochs und Tiefs; gerade was die Weltwirtschaft betrifft, gibt es enorme Schwankungen. Es ist wichtig, dass die Menschen sich daran erinnern, dass wir am Rande eines vollkommenen Desasters waren. Das war vor zweieinhalb Jahren ein schwerer Schlag gegen die Weltwirtschaft. Das hing auch damit zusammen, dass es (bestimmte) politische Entscheidungen gegeben hat und dass Herausforderungen im Laufe des vorangegangenen Jahrzehnts nicht gelöst worden waren.

Die Erholung von einem so schweren Schlag erfordert Zeit. Es wird dabei keine gleichmäßige Erholung geben. Die Menschen sind weiterhin nervös. Auch die Märkte sind nervös, und sie reagieren auch sehr schnell; sie ziehen sich zurück und denken noch an die traumatische Situation von vor zwei Jahren. Wirtschaftliche Integratoren, die zu besseren Zeiten überhaupt nicht kommentarbedürftig wären, führen dazu, dass man die Frage stellt: Entsteht erneut eine solche schreckliche Krise? Das hat Auswirkungen auf das Vertrauen der Unternehmen und der Verbraucher, das hat Auswirkungen auf die Kapitalmärkte.

Unsere Aufgabe besteht darin, nicht in Panik zu verfallen und nicht auf einmal zu viel zu tun. Wir haben für die Gewährleistung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaften einen Weg nach vorne, sodass wir die grundlegenden Themen angehen können, was die Struktur unserer Wirtschaft betrifft, und sodass das geschäftliche Umfeld positiv ist. In den Vereinigten Staaten müssen wir das Defizit unter Kontrolle bringen; das ist klar, das ist wichtig. Wir müssen gewährleisten, dass die Investitionen in Bildung, in saubere Energie und in Infrastruktur getätigt werden. Wir müssen eine Möglichkeit dafür finden. In Deutschland und in Europa werden die Herausforderungen auch anders aussehen. Aber der folgende Punkt ist wichtig - Angela würde mir wahrscheinlich zustimmen -: Es geht nicht darum, dass man jeden Tag nachschaut, was in den Kapitalmärkten passiert oder was in den Schlagzeilen steht. Darum geht es nicht, wir wollen nicht reagieren. Unsere Aufgabe besteht vielmehr darin, einen mittel- und langfristigen Kurs festzulegen, um zu gewährleisten, dass unsere Volkswirtschaften offen sind, dass die Weltwirtschaft stabil ist und dass es Wohlstand gibt. Das können wir zusammen tun.

BK´in Merkel: Vielleicht auch ganz kurz dazu: Wir haben ja vor zweieinhalb Jahren etwas erlebt, was es auf der Welt vorher jahrzehntelang - seit den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts - nicht gegeben hat. Alles in allem haben wir durch Zusammenarbeit das Schlimmste verhindert, und es ist ein Format der Zusammenarbeit entstanden, das absolut zukunftsfähig ist. Was haben wir vor der Krise diskutiert: Sollen es die G13, G15 oder G17 sein? Es waren dann einfach die G20, die ein Format geworden sind, in dem wir die ökonomische Zusammenarbeit und auch die Regulierung der Finanzmärkte ein ganzes Stück weiter gebracht haben. Das hat die gegenseitige Verantwortung und auch das Gefühl für die gegenseitige Abhängigkeit natürlich gestärkt. Wenn es manchmal durchaus kontroverse Diskussionen darüber gibt, wie wir das jetzt machen sollen und wie viel Stimulus, wie viele Konjunkturprogramme, wie viele Sparprogramme und wie viele Strukturreformen man braucht, dann ist das, glaube ich, doch auch ein Zeichen von großer Offenheit; denn wir betreten ja alle Neuland. Mit Verlaub: Darauf, dass die Wissenschaft uns jeden Tag die richtigen Voraussagen macht, konnten wir uns auch nicht verlassen. Also waren wir, obwohl wir alle nicht Ökonomie studiert haben, auch ein bisschen auf unseren politischen Sachverstand angewiesen. Deshalb glaube ich, dass diese offenen Diskussionen auch in Zukunft notwendig sind.

Was Libyen anbelangt: Die UN-Resolution gilt. Gaddafi muss zurücktreten und er wird zurücktreten - davon bin ich überzeugt. Ich glaube auch, dass (bereits) vieles erreicht (worden) ist. Dann wird immer noch ein großer Teil der Arbeit vor uns liegen. Wir blicken bei unseren Gesprächen jetzt in die Zukunft. Wir haben verabredet, dass Deutschland sich sehr wohl für den Fortgang in Libyen verantwortlich fühlen wird. Es wird dort viele Dinge zu klären geben. Insofern werden wir diesbezüglich in allerengstem Kontakt sein. Deutschland unterstützt die NATO-Operation dadurch, dass wir in den Stäben sind und dass wir, wie gesagt, unser Engagement in Afghanistan verstärkt haben. Es ist unser gemeinsamer Wille, dass diese NATO-Mission erfolgreich ist. Das ist wichtig für die Menschen in Libyen, das ist aber auch wichtig für die NATO und das Bündnis. Da fühlen wir mit dem gemeinsamen Herzen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, die deutsche Entscheidung zu diesem Thema hat das deutsch-amerikanische Verhältnis belastet. Haben diese Belastungen Sie überrascht? Ist dieser große Empfang hier heute so etwas wie ein neuer Aufbruch oder ein Appell zu einem neuen Zusammenhalt?

In diesem Zusammenhang: Barack Obama war als Präsident in Buchenwald, in Dresden und in Baden-Baden, er war als Präsident aber noch nicht in Berlin. Warum nicht? Zeichnen sich Möglichkeiten ab, dass dies noch in der ersten Amtszeit passiert?

BK´in Merkel: Das heutige Ereignis ist ja schon sehr lange verabredet. Ich glaube, dass unsere Freundschaft, unsere Partnerschaft sehr breit angelegt ist. Wie ich heute bereits gesagt habe: Da kann es vorkommen, dass es in einer Einschätzung auch einmal eine unterschiedliche Meinung gibt. Wichtig ist doch, dass wir uns gegenseitig Erfolg wünschen. Nicht jeder kann bei allem mitmachen. Deutschland ist zum Beispiel bei UNIFIL engagiert; da sind die Vereinigten Staaten von Amerika nicht engagiert. Ich will das jetzt nicht vergleichen, aber ich will sagen: Es wird in der Welt viele Bereiche geben, in denen wir unterschiedliche Verantwortung wahrnehmen. Aus meiner Sicht sind wir Partner, die das, was die anderen machen, nicht nur mit guten Wünschen, sondern auch mit allem, was wir beitragen können, so begleiten, dass es erfolgreich wird. Denn das ist unser Anspruch: Mit den Werten, die wir teilen, erfolgreich Politik zu machen und andere Menschen zu ermutigen, zu sagen "Jawohl, das Leben in einer Demokratie ist gut und richtig". Deshalb sehe ich das hier heute als einen wunderbaren Empfang, aber auch als einen Empfang in der Kontinuität der deutsch-amerikanischen Beziehungen - und natürlich auch als einen guten Ausgangspunkt für viele zukünftige gemeinsame Herausforderungen.

Zu der Frage eines (Deutschland-Besuchs von Präsident Obama) will ich nur noch einmal sagen - Sie haben es auch selbst gesagt; manchmal klingt es ja so, als ob der amerikanische Präsident überhaupt noch nicht in Deutschland gewesen sei -: Er war in Dresden, er war in Buchenwald, er war in Baden-Baden bei der NATO-Konferenz. Was Berlin anbelangt, sage ich von meiner Seite nur: Berlin steht jeden Tag bereit, ihn herzlich zu empfangen, aber wir Berliner können auch warten - das haben wir auch in unserem Leben gezeigt.

P Obama: Ich freue mich sehr auf einen Berlin-Besuch. Als ich das letzte Mal da war, hatten wir sehr viel Spaß. Ich bin zuversichtlich, dass auch der nächste Besuch wunderbar sein wird. Ich schätze sehr, dass Sie davon ausgehen, dass ich eine zweite Amtszeit bekomme. Aus diesem Grunde werde ich wahrscheinlich sehr viel Zeit haben, Berlin auf die Agenda zu setzen. - Herzlichen Dank.

BK´in Merkel: Das Brandenburger Tor steht noch eine Weile!

Website der Bundesregierung, 7. Juni 2011; www.bundesregierung.de


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