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Ringen um den politischen Klimawandel

Der US-Präsident hat mit innenpolitischen Widerständen der Konservativen und der Industrielobby zu kämpfen

Von John Dyer, Boston *

Die USA vollziehen derzeit eine klimapolitische Wende - im Inland und auf internationaler Bühne. Heute und morgen ist Präsident Obama Gastgeber einer internationalen Klimakonferenz. Derweil wird zuhause heftig über die Einführung eines Emissionshandelssystems nach europäischem Vorbild gestritten.

Der Klimaschutz rückt in Washington an die Spitze der politischen Tagesordnung. Ab heute treffen sich hier die Umweltminister der 17 größten Wirtschaftsmächte -- und damit der Hauptemittenten von Treibhausgasen -- sowie internationale Organisationen, um über Maßnahmen gegen den Klimawandel zu diskutieren. US-Präsident Barack Obama dürfte bei dieser Gelegenheit sein Ziel bekräftigen, auf dem Weltklimagipfel im Dezember in Kopenhagen ein internationales Abkommen zur Verringerung des Ausstoßes von Kohlendioxid zu erreichen. Und in vielen Ländern ist die Hoffnung groß, dass Washington nun endlich seine Blockadehaltung in der Klimapolitik aufgibt.

Innenpolitische Widerstände

Doch Obama hat zuhause noch mit innenpolitischen Widerständen zu kämpfen. Der Kongress diskutiert über die Einführung eines Emissionshandelssystems nach dem Vorbild der EU, mit dem der CO2-Ausstoß in den USA erstmals begrenzt werden soll. Die Debatte hat die Bedeutung einer Richtungsentscheidung erhalten. »Dieses Gesetzesvorhaben ist so wichtig wie die Bürgerrechtsgesetzgebung in den 60er Jahren und der Marshall-Plan am Ende der 40er Jahre«, sagte etwa Al Gore, ehemaliger Vizepräsident und Nobelpreisträger, in einer Anhörung des Repräsentantenhauses am Freitag. Die Gegner einer gesetzlichen Einschränkung des Treibhausgasausstoßes warnen vor den angeblich gewaltigen Kosten. »Machen Sie keinen Fehler«, sagte Newt Gingrich, Hardliner der konservativen Republikaner, in der gleichen Anhörung. »Dieses Gesetz kommt einer zusätzlichen Energiesteuer in Höhe von einer bis zwei Billionen Dollar auf eine Wirtschaft gleich, die bereits jetzt in der Krise steckt.«

Die US-Umweltbehörde stellt solche Kostenschätzungen jedoch in Frage. Laut ihren Angaben würde es jeden amerikanischen Haushalt gerade 120 Dollar pro Jahr kosten, wenn das Gesetzespaket zum Klimaschutz verabschiedet würde. Allerdings geht sie dabei von einer radikalen Erhöhung der Energieeffizienz, einem erheblich geringeren Verbrauch fossiler Treibstoffe -- eine schwierige Vorstellung in einem autovernarrten Land wie den USA -- und einem finanziellen Ausgleich für die höheren Energiekosten aus. Jim Rogers, Chef des Energiekonzerns Duke Energy, warnte denn auch das Weiße Haus und die demokratische Mehrheit im Kongress, dass die USA nicht so schnell wie erwartet auf energieeffizientere Technologien wechseln könnten. »Es wird auch nicht billig sein«, so Rogers. Doch Umweltschützer weisen solche Kritik der Energielobby zurück. »Die Leute haben verstanden, dass es jetzt nicht mehr um Umweltschutz oder Jobs oder um Klimawandel gegen Wirtschaft geht«, sagt Margrete Strand Rangnes von der Umweltschutzorganisation Sierra Club.

Doch auch die Befürworter einer echten Klimaschutzpolitik sind sich nicht in allen Einzelheiten einig. So will der Kongress den Kohlendioxidausstoß bis 2020 um 20 Prozent verringern, Präsident Obama nur um 15 Prozent. Umstritten ist auch, ob die Emissionsrechte an die Industrie kostenlos ausgegeben werden sollen oder ob die Unternehmen dafür zahlen sollen.

Kalifornien als Vorbild für die EU

Während in Washington noch gestritten wird, geht Kalifornien voran. Der bevölkerungsreichste Bundesstaat setzt eine Gesetzgebung in Kraft, die eine massive Verringerung des CO2-Ausstoßes im Straßenverkehr vorsieht. Die Pläne von 2006 waren von der Bush-Administration noch blockiert worden. Obama hat diese Entscheidung seines Vorgängers wieder aufgehoben. Der Sonnenstaat wird damit die strengste Gesetzgebung der Welt haben, ein mögliches Vorbild auch für die EU. »Kaliforniens neue Treibstoffstandards werden nicht nur die globale Erwärmung verringern. Sie werden auch Innovationen antreiben, die Auswahl für die Konsumenten verbessern und private Investitionen ermutigen«, sagte der republikanische Gouverneur Arnold Schwarzenegger.

Lobbyisten

Die Global Climate Coalition (GCC), eine von der US-Industrie finanzierte einflussreiche Lobbygruppe, hat über Jahre wider besseres Wissen den Einfluss des Treibhausgas-Ausstoßes auf die Erderwärmung geleugnet. Die Unternehmen hätten die Öffentlichkeit bewusst über die Rolle des Menschen beim Klimawandel in die Irre führen wollen, räumte Ex-GCC-Präsident William O'Keefe in der »Washington Post« ein. Wissenschaftler der Gruppe hätten schon 1995 in einem Bericht erwähnt, die Forschungsergebnisse über den Treibhaus-Effekt seien nicht anfechtbar. Diese Passage sei vor Veröffentlichung entfernt worden. Der demokratische Senator John Kerry mahnte zu Vorsicht bei von der Industrie geförderten Studien. AFP/ND



* Aus: Neues Deutschland, 27. April 2009


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