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Entscheidende Fragen an John Kerry

Die Herausgeber der Zeitung "The Nation" würden den designierten US-Außenminister in der Senatsanhörung gewiss in Bedrängis bringen *


Barack Obamas Nominierung von John Kerry als Außenminister gibt dem Senat eine entscheidende Gelegenheit, die außenpolitischen Prioritäten der Regierung zu ergründen – und vieles davon verlangt nach einer Untersuchung. Die Republikaner – die, wie Senator John McCain, in übler Weise die UN-Botschafterin Susan Rice attackierten – haben bisher nur wenige zusammenhängende Vorbehalte gegenüber dem bisherigen Kurs geäußert. Daher wird es den Demokraten im Senatsausschuss für auswärtige Angelegenheiten obliegen, eine verantwortungsvolle Überprüfung durchzuführen.

Hier sind ein paar Fragen, die die Senatoren dem Kandidaten stellen sollten:

Präsidiale Kriegsführung: Gibt es irgendwelche Begrenzungen der präsidialen Macht in dem sogenannten „Krieg gegen den Terror“ ? Entgegen den Erwartungen hat Obama die Sichtweise der Bush-Regierung noch ausgedehnt, dass die Resolution des Kongresses zur Ermächtigung der Verfolgung von Al-Kaida nach dem 11. September dem Präsidenten das Recht gibt, jede beliebige verdächtige Gruppierung in jedwedem Land anzugreifen, solange es dort Terroristen gibt – in anderen Worten, für immer. Dies Vorrecht soll die Macht einschließen, jeden zu töten (einschließlich US-Bürgern), bei dem der Präsident entscheidet, dass er eine terroristische Bedrohung der USA darstelle. Wie vereinbaren Sie diese Position mit der US-Verfassung? Wie, würden sie vorschlagen, solle der Kongress einen Präsidenten zur Verantwortung ziehen, der unschuldige Menschen versehentlich angreifen und töten lässt?

Klimawandel: Sehen Sie die globale Erwärmung als eine eindeutige und gegenwärtig bestehende Gefahr für unsere nationale Sicherheit? In seiner ersten Antrittsrede erweckte Obama die Hoffnung, dass er beginnen würde, „die Bedrohung eines erwärmenden Planeten zurückzudrängen.“ Aber letztlich begingen die USA „unerlaubte Abwesenheit“ bei den letzten Klima-Verhandlungen in Doha und waren damit ein entscheidender Faktor bei ihrem Scheitern. Planen Sie hier eine Kursänderung?

Globaler Wirtschaftsaufschwung: Erfordern die Massenarbeitslosigkeit in den USA, die Rezession in Europa und Japan und der ständige Handelskonflikt mit China eine neue Außenpolitik der USA? Washington zielt zurzeit auf eine verstärkte Sparpolitik im Lande, während das Wirtschaftswachstum bei uns und im Ausland schwächelt. Wir steuern auf eine globale Rezession zu mit neuen Handels- und Währungskriegen, während wir stattdessen einen abgestimmten globalen Aufschwung bräuchten. Welche Schritte würden Sie vorschlagen zur Wiederbelebung einen nachhaltigen Wirtschaftswachstums als unseren Beitrag zur Weltpolitik?

Die Militarisierung der US-Außenpolitik: Wie kann das Außenministerium die ihm zustehende Rolle der Führung bei der Ausgestaltung unserer Politik in der Welt vom Pentagon zurückgewinnen? Die Militarisierung der Außenpolitik wurde während er ersten Präsidentschaft Obamas unvermindert fortgesetzt. Regionale militärische Befehlshaber agieren quasi als Prokonsuln, die weltweit über ein größeres Gewicht verfügen als die diplomatischen Botschafter in der Region. Viele Länder in der Welt kennen die USA lediglich aufgrund ihrer Militärstützpunkte, ihrer militärischen Ausbilder und ihrer Drohnenangriffe. Unser Entwicklungshilfe-Budget ist eine Schande für die Welt, während unsere Militärausgaben höher sind als zu den Hochzeiten des Kalten Krieges unter Ronald Reagan. Welche Verpflichtungen, sofern überhaupt, sind vom Präsidenten übernommen worden um dieses fehlgeleitet Ungleichge-wicht zu korrigieren?

Afghanistan: Unterstützen Sie die fortgesetzte Vergeudung von Leben und Milliarden von Dollars in diesem Krieg? Und was werden Sie auf diplomatischem Weg unternehmen, um sicherzustellen, dass unser Abzug nicht über 2014 hinaus verzögert wird? Es zirkulieren Beichte, dass die Regierung plane, militärische Einsatzkräfte unbekannter Stärke in Afghanistan nach 2014 zu stationieren, und sich verpflichtet habe, für ein weiteres Jahrzehnt ein Regime finanziell zu unterstützen, das von zumindest einem US-Offiziellen als ein „vertikal integriertes kriminelles Unternehmen“ bezeichnet wurde. Auf welche Begrenzungen diese fehlgeleiteten Engagements würden Sie drängen?

Der Nahe/Mittlere Osten: Was sollten die US-Prioritäten in dieser Region sein, wo die Versprechungen des Arabischen Frühlings zunehmend wie ein Arabischer Herbst aussehen, mit dem Anstieg regionaler Milizen in Libyen, wachsenden Spannungen in Ägypten und zunehmendem Sektierertum innerhalb der syrischen Rebellen? Wie können wir behaupten, die Demokratie in der arabischen Welt zu unterstützen, wenn gleichzeitig die Monarchie in Bahrein – unser Verbündeter , bei dem die 5. US-Flotte stationiert ist – friedliche Demonstranten einsperrt und tötet? Hinsichtlich des mittlerweile durch den Reißwolf geschickten Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern, glauben Sie, dass unsere Politik der bedingungslosen Unterstützung Israels die amerikanischen Sicherheitsinteressen angemessen schützt? Ist es gegenwärtig mehr – oder weniger – wichtig für die USA, auf eine faire Lösung des Konflikts durch Errichtung eines lebensfähigen palästinensischen Staates hinzuarbeiten?

Iran und nukleare Gefahren: Glauben Sie, dass unsere gegenwärtige Politik der Verschärfung der Sanktionen bei gleichzeitigem Offenhalten der Option von militärischem Vorgehen verhindert, dass der Iran, wie übrigens vor ihm Israel, Pakistan und Indien, Nuklearwaffen entwickelt? Ist es möglich, dass diese Drohungen die nuklearen Anstrengungen des Iran in Wirklichkeit beschleunigen und damit auch Unterstützung in dem Land selbst erzeugt wird für eine atomare Bewaffnung? Der Iran hat immer wieder gesagt, dass er keine Nuklearwaffen besitzen möchte, insbesondere wenn Länder wie Israel die ihren aufgeben. Wären (grand bargain) zu testen (in der, unter anderem, Washington auf einen Regimewechsel verzichten und normalisierte Beziehungen mit Teheran im Austausch für dessen Zustimmung zu detaillierten Inspektionen durch die IAEA akzeptieren würde)?

Dies ist nur ein kleiner Querschnitt von Fragen, die ein nominierter Kandidat beantworten sollte. Wir stehen vor monumentalen Herausforderungen in der Außenpolitik. Es ist daher an der Zeit, dass der Senat parteipolitisches Wadenbeißen überwindet und seiner verfassungsmäßigen Verantwortung gerecht wird und John Kerry danach befragt, wie die Regierung sie anzugehen gedenkt.

[Übersetzung aus dem Englischen: Eckart Fooken]

* Original: Tough Questions for John Kerry. The Editors of The Nation; January 2, 2013 [January 21, 2013 edition of The Nation]; http://www.thenation.com


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