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Sonderermittler gegen Folterknechte der CIA

Menschenrechtler werfen Beamten der Bush-Regierung Mitschuld vor

Von Olaf Standke *

Nach der Veröffentlichung eines lange geheim gehaltenen CIA-Berichtes über Folter und Misshandlung von Gefangenen hat USA-Justizminister Holder Ermittlungen eines Sonderstaatsanwalts angekündigt. Die international kritisierten Verhörmethoden im Anti-Terrorkrieg der Bush-Regierung sollen nun juristisch aufgearbeitet werden.

Die Reaktion von Dick Cheney ließ nicht lange auf sich warten. Der frühere Vizepräsident hat gestern die rechtswidrigen CIA-Praktiken verteidigt und die von der Bürgerrechtsorganisation ACLU gerichtlich erstrittene Veröffentlichung eines schon fünf Jahr alten Geheimberichts des CIAGeneralinspekteurs scharf verurteilt. Die auch in dem Report in Frage gestellten »harten Verhörmethoden« hätten einen Großteil der Geheimdiensterkenntnisse über Al Qaida geliefert, behauptet Cheney, sie hätten »Leben gerettet und Terroranschläge verhindert«. Die Veröffentlichung des – allerdings stark redigierten – Reports zeige, wieso so viele Amerikaner Zweifel hätten, ob die Regierung von Barack Obama der Verantwortung für die Sicherheit des Landes wirklich gewachsen sei.

Genau solche Vorwürfe hat der Präsident gefürchtet, weshalb er im Unterschied zu Justizminister Eric Holder ein juristisches Vorgehen gegen die Folterknechte der Nation bisher stets ablehnte – so lange sie nur Befehle ausgeführt hätten. Deshalb wehrte sich auch CIA-Chef Leon Panetta bis hin zur Androhung seiner Kündigung vehement gegen die Publikation des internen »Folterreports« seines Dienstes. Er ist trotz aller Schwärzungen eine 109-seitige Anklage plus Anhang.

Nachdem Obama bereits die Bildung eines Spezialteams für die Vernehmungen Terrorverdächtiger unter der Führung von FBI und Nationalem Sicherheitsrat angeordnet hat, soll nun auch ein Sonderermittler die Verhörmethoden unter der Bush-Regierung untersuchen. Holder hat damit John Durham beauftragt, der bereits der mysteriösen Vernichtung von Videoaufzeichnungen von CIA-Verhören auf der Spur ist. Er soll nach jetzigem Stand in bis zu zwölf Fällen ermitteln, ob Bundesrecht verletzt wurde. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat allerdings 350 Fälle von »schlimmen Misshandlungen« erfasst. Nötig sei deshalb eine unabhängige Untersuchung, die das ganze Ausmaß detailliert erfasst.

Ursprünglich wollte das Justizministerium derartige Vorgänge ganz unbearbeitet lassen, doch hatte der neue Chef schon kurz nach seinem Amtsantritt einen Kurswechsel erzwungen. Obama stellte jetzt indes noch einmal klar, dass es nicht darum gehen soll, CIA-Agenten zu verfolgen, die sich an die damals geltenden Regeln hielten. Einem Gefangenen und seinen Familienangehörigen mit Tod oder Vergewaltigung zu drohen, wie im CIA-Report aufgeführt, verstieß jedoch zu jeder Zeit gegen US-amerikanisches Recht, so wie »simulierte Hinrichtungen« oder »potenziell gesundheitsschädliche Stresspositionen«, wie es in bizarrer Bürokratensprache heißt.

Während CIA-Chef Panetta seinen festangestellten Mitarbeitern per Dienst-Mail mitteilte, er werde »für all jene Beamten einstehen, die getan haben, wonach ihr Land verlangte«, geht Bürgerrechtlern der Strafverfolgungsansatz längst nicht weit genug. Human Rights Watch macht Regierungsbeamte der Bush-Ära für die Folterungen von Terrorverdächtigen mitverantwortlich. Ihre Methoden seien schließlich durch Rechtsgutachten des Justizministeriums gedeckt worden. Und denkt man die Befehlskette zu Ende, landet man schließlich bei der politischen Verantwortung eines Dick Cheney, der auch zu den geistigen Vätern des Gefangenenlagers Guantanamo gehört. Dort ließ man jetzt endlich Mohammed Jawad frei. Der Afghane war kaum 16, als er 2002 festgenommen wurde. Bereits im Vorjahr hatte ein Militärgericht die meisten Beweise gegen ihn abgelehnt, da seine Aussagen unter Folter erzwungen worden seien.

* Aus: Neues Deutschland, 26. August 2009

Litauen will Aufklärung

Präsidentin bedauert CIA-Gefängnisberichte

Von Olaf Standke **


Litauens Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite hat Berichte über angebliche CIA-Geheimgefängnisse in ihrem Land bedauert und eine schonungslose Aufklärung versprochen.

Vor ein paar Tagen klang das noch ganz anders: »Die Regierung Litauens bestreitet alle Gerüchte und Interpretationen über angebliche Geheimgefängnisse, die es auf litauischem Boden gegeben haben soll und die möglicherweise von der CIA benutzt wurden«, erklärte ein Sprecher der Botschaft in Washington empört dem US-amerikanischen Fernsehsender ABC. Der hatte unter Berufung auf frühere Geheimdienstler enthüllt, dass die Behörden des osteuropäischen Landes den USA ein Gebäude in den Außenbezirken der Hauptstadt Vilnius zur Verfügung gestellt hätten, in dem Terrorverdächtige gefoltert worden sein sollen. Bis zu acht Gefangene habe man dort länger als ein Jahr festgehalten, bis sie 2005 an einen anderen Ort gebracht wurden. Wie der Ermittler des Europarates Dick Marty sagte, »scheinen meine eigenen Quellen Informationen zu bestätigen, nach denen 'Häftlinge von großer Bedeutung' in Litauen festgehalten wurden«. Marty hatte 2007 in seiner Untersuchung über CIA-Geheimgefängnisse in Europa erklärt, es gebe ausreichende Beweise für derartige Haftzentren in Polen und Rumänien - was die Regierungen in Warschau und Bukarest vehement bestritten.

Litauens Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite schlug nun bei einem Besuch der EU-Kommission in Brüssel andere Töne an. Man bedauere nicht nur die Berichte, es werde auch eine schonungslose Aufklärung geben. »Es ist unsere Aufgabe festzustellen, ob das stimmt oder nicht«, so Grybauskaite, »und wenn es neue Informationen gibt, dann werden wir diese veröffentlichen.« Das litauische Parlament hat inzwischen einen Untersuchungsausschuss eingesetzt. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso betonte, die EU-Mitgliedstaaten müssten »eingehend und unabhängig die Wahrheit solcher Behauptungen untersuchen«. Dies sei »eine Verpflichtung, die sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt«. Eine Botschaft, die auch für die Bundesregierung gilt. Sie schweigt nach wie vor zu den jüngsten Enthüllungen über die von Deutschland aus geplanten und gesteuerten CIA-Geheimgefängnisse.

** Aus: Neues Deutschland, 28. August 2009




Ein bisschen Folter

Von Olaf Standke ***

Berüchtigte Eliteeinheiten kennt der Anti-Terrorfeldzug der USA inzwischen zu Genüge. Die jetzt von Präsident Obama angeordnete Sondergruppe soll aber nicht jenseits rechtsstaatlicher und völkerrechtlicher Regeln operieren. Im Gegenteil.

Nach immer neuen Enthüllungen über brutale CIA-Verhöre von Verdächtigen wird die für Vernehmungen von mutmaßlichen Terroristen zuständige Spezialeinheit bei der Bundespolizei FBI angesiedelt, unter Federführung des Nationalen Sicherheitsrats arbeiten und damit der direkten Kontrolle des Weißen Hauses unterstehen. Nun weiß man, dass entscheidend ist, wer dort das Sagen hat. Unter Bush galt, dass der Zweck alle Mittel heiligt, um sich vor Anschlägen zu schützen. Auch die weltweit geächtete Folter, die auf einmal als legalisierte »harsche Verhörmethode« daherkam. Aber ein »bisschen Folter« kann es nicht geben, wenn es um die Menschenwürde geht.

Bushs Nachfolger hat mit den massiven Menschenrechtsverletzungen inzwischen offiziell Schluss gemacht. Er neigt aber auch zur Schlussstrichpolitik und sprach sich etwa gegen eine Strafverfolgung involvierter CIA-Mitarbeiter aus, sofern sie lediglich Befehle ausgeführt hätten. Er wolle »nach vorn blicken, nicht zurück«, hat Obama immer wieder betont - ein Tunnelblick, den ihm Bürgerrechtler nicht nur im eigenen Land weiter übel nehmen.

*** Aus: Neues Deutschland, 25. August 2009 (Kommentar)


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