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"Feinde der Freiheit dürfen sich nicht täuschen"

Bush's Kampfansage an den Rest der Welt

Es war nicht viel, was der von Gerichts wegen seit dem 20. Januar 2001 amtierende US-Präsident George Bush Jr. zu seinem Amtsantritt verlauten ließ. War auch nicht nötig, denn vieles war schon während der Wahlwerbekampagne und durch die Benennung wichtiger Ministerämter bekannt geworden. Insbesondere die Besetzung des Außenministeriums (Powell) und des Verteidigungsministeriums (Rumsfeld) sind Programm. Der Wind, der aus den USA künftig sowohl nach Europa als auch und vor allem in die restliche Welt weht, wird rauer sein.

So hat die neue Administration keinen Zweifel daran gelassen, dass sie nun schnellstens Ernst macht mit der US-Raketenabwehr - dieses Projekt war zwar auch von Clinton verfolgt worden, aber nicht mit dem Tempo und der absoluten Priorität, die das Projekt jetzt erhalten soll. Der ABM-Vertrag aus dem Jahr 1972 interessiert Washington nicht mehr, zumal er mit der damaligen Sowjetunion abgeschlossen wurde, und die existiert ja schließlich auch nicht mehr. Auch dass Clinton im Sommer 2000 auf die Vokabel von den Schurkenstaaten ("rogue states") offiziell verzichtete und statt dessen nur noch von "states of concern" sprechen wollte - eine ausschließlich kosmetische Korrektur! -, kümmert seinen Nachfolger nicht. Schon im Herbst hat er deutlich gemacht, dass er den Verzicht auf die den USA offenbar lieb gewordenen Schurkenstaaten nicht hinnehmen möchte und die wirklichen "Schurken" auch weiterhin so nennen wird. Klare Versprechungen gibt es auch gegenüber der Rüstungsindustrie, die in den nächsten Jahren mit zahlreichen neuen Großprojekten (nicht nur Raketenabwehr) rechnen kann. Der Militäretat, der in diesem Jahr rund 300 Mrd. US-Dollar beträgt, soll in den nächsten Jahren um 30 bis 40 Mrd. Dollar aufgestockt werden.

Und über eines täusche man sich bitte auch nicht: Die konservativen und erzreaktionären Republikaner werden hier zu Lande immer noch gern als "Isolationisten" eingestuft, die sich vielleicht zu sehr auf ihre eigenen Angelegenheiten und auf die Innenpolitik konzentrieren und die Lust an einer globalen Außenpolitik verlieren könnten. Wenn das so wäre, dann könnten sich viele Länder der Dritten Welt glücklich preisen, z.B. Kuba wieder in Ruhe seine wirtschaftlichen Beziehungen zu anderen Staaten pflegen oder Staaten wie Venezuela, Peru, Ecuador oder Kolumbien ihre eigene Politik entwickeln und ihre eigene Währung behalten. Doch der republikanische Isolationismus basiert auf der Ideologie des "Amerika zuerst": Das schließt erstens ein, dass die eigenen Interessen zum Maßstab der Politik gemacht werden, und bedeutet zweitens, dass sich die USA infolgedessen aus jenen Angelegenheiten zurückziehen wird, die ihnen entweder nicht wichtig sind, weil sie nichts "einbringen", oder die sie, weil sie mit unliebsamen Kosten verbunden sind, lieber ihren "Partnern" überlassen wollen ("burden sharing"). Beispielsweise könnte ein amerikanisches Disengagement im Kosovo und in Bosnien durchaus angezeigt sein, soweit damit der "zivile" Teil des Prozesses in der Region gemeint ist. Der kann teuer werden und sollte daher von der EU übernommen werden. Soweit aber der Gesamtprozess, den die US-Politik immer auch militärisch-strategisch definiert, gemeint ist, kann von einem "Rückzug" keine Rede sein. US-Streitkräfte sind dank ihrer Präsenz im Mittelmeer und in verschiedenen NATO-Staaten jederzeit in der Lage, eine ähnliche Droh- und Angriffskulisse darzustellen wie im Frühjar 1999 gegenüber Jugoslawien.

Insgesamt also dürften sich auch unter Bush die Determinanten der US-Politik nicht grundlegend ändern. Die außenpolitischen Differenzen zwischen den beiden großen konkurrierenden Machteliten in den USA sind ähnlich gering wie zwischen den etablierten Parteien (einschließlich der Grünen!) bei uns. Sie liegen eher im Atmosphärischen, in der Art der Diplomatie, in den Umgangsformen. Der Vater des jetzigen Präsidenten, der Republikaner George Bush (Sen.) hat 1991 den Krieg gegen den Irak befohlen (Powell hat ihn ausgeführt). Sein demokratischer Nachfolger im Amt, Bill Clinton, hat diesen Krieg bis zum heutigen Tag fortgesetzt - in Form von unzähligen Luftangriffen und kleinen bis größeren Kriegen "zwischendurch" (z.B. den massiven Kriegseinsatz im Dezember 1998) und in Form eines gnadenlosen Embargos, das Hunderttausenden von Kindern das Leben kostete. Diese Politik wird der jüngere Bush gewiss fortsetzen.

Er wird auch die doppelzüngige Nahost-Politik seines Vorgängers fortsetzen, der sich als Vermittler des "Friedensprozesses" zwischen Israel und Palästinensern aufspielte, in allen wesentlichen Fragen jedoch Partei für Israel ergriffen hat. Auch geht z.B. das neue Abkommen zwischen Israel und den USA auf die Kappe Clintons. Am 20. Januar 2001, dem Tag der Amtsübergabe an Bush, haben beide Staaten eine Vereinbarung über das stufenweise Auslaufen der amerikanischen Wirtschaftshilfe unterzeichnet. Zugleich wurde eine Aufstockung der militärischen Unterstützung festgelegt. Das Memorandum, das in Washington vom israelischen Botschafter David Ivry und dem Nahost-Abteilungsleiter im amerikanischen Aussenministerium, Edward Walker, unterzeichnet wurde, formalisiert eine seit zwei Jahren bestehende Praxis. Danach wird die Wirtschaftshilfe, die 1998 die Rekordsumme von 1,2 Milliarden Dollar erreichte, bis 2008 jährlich um jeweils 120 Millionen Dollar auf null verringert. Im selben Zeitraum steigt die Militärhilfe um jährlich 60 Millionen Dollar auf den Spitzensatz von 2,8 Milliarden Dollar im Jahr 2008. (Neue Zürcher Zeitung, 22.01.2001) Es ist unwahrscheinlich, dass die Bush-Administration wieder zur Wirtschaftshilfe zurückkehrt.

Die Friedensbewegung jenseits und diesseits des Atlantiks wird gut daran tun, die Außenpolitik auch der neuen US-Regierung genauestens zu verfolgen. Bush wird den Staaten und Völkern der Welt nichts schenken - im Gegenteil, er wird der Welt noch mehr zumuten wollen, als dies sein Vorgänger schon getan hat. Ein wenig geht das aus den außenpolitischen Passagen seiner Antrittsrede hervor, die wir nachfolgend auszugsweise dokumentieren. Weltweite Einflussnahme, militärisch gestützte "Krisenbewältigung" und kriegerische "humanitäre" Interventionen sind da inbegriffen. - Das 21. Jahrhundert beginnt wenig verheißungsvoll.
Pst

Auszüge aus der Antrittsrede des neuen US-Präsidenten George W. Bush:

"Während des vergangenen Jahrhunderts war Amerikas Glaube an Freiheit und Demokratie ein Fels in der Brandung. Nun ist er ein Samenkorn im Wind, das in vielen Nationen Wurzeln fasst. Unser demokratischer Glaube ist mehr als das Credo unseres Landes, er ist eine der Menschheit angeborene Hoffnung; ein Ideal, das wir in uns tragen, aber nicht besitzen, ein Vertrauen, das wir haben und weitergeben. ...

Unsere Einheit, unsere Einigkeit ist die ernsthafte Aufgabe der Führung und der Bürger jeder Generation. Und dies ist mein feierliches Versprechen: Ich werde für eine geeinte Nation der Gerechtigkeit und Chancen arbeiten. (...)

Amerika war nie durch Blut, Geburt oder Boden geeint. Wir sind durch Ideale verbunden, die uns mehr als unsere Herkunft leiten, die wir über unsere Interessen stellen und uns lehren, was es heißt, Bürger zu sein. Jedem Kind müssen diese Grundsätze gelehrt werden. Jeder Bürger muss sie bewahren. Und jeder Einwanderer, der diese Ideale verinnerlicht, macht unser Land mehr zu Amerika, und nicht weniger. (...)

Zusammen werden wir uns für die Schulen Amerikas einsetzen, bevor Ignoranz und Teilnahmslosigkeit noch mehr junge Leben fordern. (...) Wir werden unsere Verteidigung unabhängig von Herausforderungen ausbauen, damit Schwäche nicht zur Herausforderung einlädt. Wir werden uns gegen Massenvernichtungswaffen wehren, damit einem neuen Jahrhundert neuer Horror erspart bleibt.

Die Feinde unserer Freiheit und unseres Landes sollten sich nicht täuschen. Amerika wird sich weiter in der Welt engagieren, freiwillig und aus historischen Gründen, und wird ein Machtgleichgewicht herstellen, das die Freiheit fördert. Wir werden unsere Verbündeten und unsere Interessen verteidigen.

Ohne Arroganz werden wir uns entschlossen zeigen. Wir werden Aggression und böse Absicht mit Entschiedenheit und Stärke begegnen. Allen Nationen gegenüber werden wir für die Werte eintreten, die unsere Nation geschaffen haben. (...)"

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