Rassistische Passagen blockiert - vorerst
US-Bundesgericht erläßt einstweilige Verfügung gegen Teile des "Einwanderungsgesetzes" in Arizona
Von Gloria Fernandez *
In letzter Sekunde hat am Mittwoch (28. Juli) ein Bundesgericht wichtige
Passagen eines neuen »Einwanderungsgesetzes« im US-Staat Arizona
blockiert. Dieses sollte am gestrigen Donnerstag (29. Juli) in Kraft
treten, doch kippte Richterin Susan Bolton per einstweiliger Verfügung
unter anderem die Regelung, wonach die Polizei jederzeit auf Verdacht
kontrollieren kann, ob jemand illegal im Land ist.
Das Gericht verwarf zudem die Schaffung von zwei neuen
Straftatbeständen. Das neue Gesetz sah vor, die Arbeitssuche und
-ausübung von Einwanderern ohne gültige Papiere unter Strafe zu stellen.
Außerdem sollten Menschen, die keine gültigen Ausweispapiere mit sich
führen, strafrechtlich belangt werden können. Damit wäre in den USA
illegale Immigration zu einer Straftat geworden. Dieses hätte dazu
geführt, daß aus Lateinamerika stammende Menschen in Arizona unter
Generalverdacht gestellt, allein wegen ihres Aussehens ständig
kontrolliert und zudem behördliche Schikanen zum Alltag werden. Damit
würden die Rechte Hunderttausender illegal Eingewanderter verletzt.
Arizona liegt an der Grenze zu Mexiko, in dem Staat leben viele Menschen
hispanischer Abstammung.
Die Bundesrichterin Susan Bolton begründete die einstweilige Verfügung
gegen die rassistischen Regelungen damit, daß diese das Bundesrecht
betreffen und damit zu den Kompetenzen der Regierung in Washington
gehören. Zudem würden legal Eingewanderte in ihren Freiheiten
eingeschränkt, erklärte sie. Sie folgte damit der Argumentation der
US-Regierung. Diese hatte sich um die einstweilige Verfügung ebenso
bemüht wie die Amerikanische Bürgerrechtsunion (ACLU).
Der ursprüngliche Gesetzestext hatte für einen Sturm der Entrüstung
gesorgt. Zuletzt waren dagegen am 2. Mai mehr als 100000 Menschen in
verschiedenen Städten des Landes auf die Straße gegangen, darunter
allein in Los Angeles 60000. Die Front der Gegnerschaft reichte von
Migrantenverbänden über Präsident Barack Obama bis hinein in
republikanische Kreise. Unter anderem wurden Aufrufe gestartet, den
Tourismus in Arizona zu boykottieren.
Die republikanische Gouverneurin von Arizona, Janice Brewer, hatte das
Gesetz im April unterzeichnet. Nun kündigte sie an, gegen die aktuelle
Gerichtsentscheidung in Berufung zu gehen. »Der Kampf ist noch lange
nicht zu Ende«, teilte sie mit. Das »Recht des Staates Arizona, seine
Bürger zu schützen«, werde sich durchsetzen. Zuvor hatte sie die
Einwanderer aus Lateinamerika verantwortlich gemacht für eine
»wachsende Kriminalitätsrate« sowie »steigende Sozialausgaben«.
* Aus: junge Welt, 30. Juli 2010
Stoppzeichen für Arizona
US-Gericht entschärft rassistisches Einwanderungsgesetz **
Eine US-Bundesrichterin hat Teile des umstrittenen Ausländergesetzes im
Bundesstaat Arizona außer Kraft gesetzt. Damit wird das von Kritikern
als rassistisch eingestufte Gesetz nur zum Teil wirksam.
Erfolg für Menschenrechtsgruppen und Präsident Barack Obama: Ein Gericht
hat wesentliche Teile eines Einwanderungsgesetzes im Bundesstaat Arizona
ausgesetzt. Kritiker nennen es rassistisch. Nur Stunden vor
Inkrafttreten stoppte eine Bundesrichterin in Phoenix das Vorhaben der
republikanischen Gouverneurin Jan Brewer. Latinos und andere Einwanderer
laufen seit Monaten gegen das Gesetz mit der Bezeichnung »SB1070« Sturm.
Die Bundesregierung in Washington hatte gegen das Gesetzespaket, das von
Obama als »fehlgeleitet« bezeichnet wird, Klage eingereicht. Sie
begrüßte die Entscheidung des Gerichts, das anerkannt habe, dass das
Thema Einwanderung in erster Linie Bundesangelegenheit sei.
Außer Kraft gesetzt wurde unter anderem der Schlüsselparagraf, wonach
die Polizei bei Verdacht jeden Menschen darauf kontrollieren soll, ob er
illegal im Land ist. Kritiker meinen, dies sei gezielt gegen Menschen
mit dunklerer Hautfarbe aus Lateinamerika gerichtet.
Bundesrichterin Susan Bolton setzte auch zwei weitere Gesetzespassagen
aus. Danach sollte es kriminell sein, wenn Einwanderer keine Papiere bei
sich tragen oder wenn Illegale eine Arbeit suchen. Bolton machte
geltend, dies sei »weder angemessen noch im öffentlichen Interesse«
Arizonas. Außerdem verletze dies Bundesrecht.
Der von Befürwortern und Gegnern leidenschaftlich geführte Streit um das
Gesetz geht in eine weitere Runde. Arizonas Gouverneurin Brewer will
gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen. »Dieser Kampf ist noch lange
nicht zu Ende.« Notfalls ziehe sie bis vor das höchste USA-Gericht,
sagte die Republikanerin. Brewer hatte im Wahlkampf illegale
Einwanderung zu ihrem zentralen Thema gemacht. Nach Angaben ihres
Sprechers wollte die Gouverneurin bereits am Donnerstag Berufung
einlegen und das Gericht um eine zügige Bearbeitung bitten.
Gegner des Gesetzes jubelten indessen vor dem Gericht in Phoenix und
skandierten »Yes, we can!« Menschenrechtsgruppen waren sich jedoch
einig, dass dies höchstens als Teilerfolg zu werten ist. »Zum Feiern ist
es zu früh«, sagte Juan Martínez. Der Sohn mexikanischer Einwanderer war
aus dem Staat Kalifornien nach Arizona gekommen, um gegen das Gesetz,
dass er als »Maßnahme zur ethnischen Säuberung« einstuft, zu
protestieren. »Zu viele Leute sind immer noch dafür.« Rund 60 Prozent
der Einwohner des Bundesstaats im Südwesten der USA, an der Grenze zu
Mexiko, befürworten laut Umfragen das Gesetz.
Nicole Torres, Sprecherin einer örtlichen Gruppe der Gesetzesgegner,
»Promise Arizona«, sagte, »Das sind erst einmal gute Nachrichten. Die
Frage ist nur: Wie konnte es überhaupt dazu kommen?«
Illegale Einwanderung ist eines der heißesten innenpolitischen Themen in
den USA. Schätzungen zufolge leben in den gesamten USA rund elf bis
zwölf Millionen Illegale - allein in Arizona mit 6,5 Millionen
Einwohnern sind es rund 460 000. Experten meinen, ohne diese Menschen
könnte die Wirtschaft der USA gar nicht mehr funktionieren.
In der Vergangenheit sind diverse Anläufe für ein neues
Einwanderungsgesetz gescheitert. Vor allem Bundesstaaten wie Arizona und
Texas an der Grenze zu Mexiko versuchen, auf eigene Faust einen weiteren
Zustrom von Illegalen zu verhindern - auch durch den Ausbau eines
riesigen Grenzzauns.
** Aus: Neues Deutshcland, 30. Juli 2010
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