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Spielball der Politik

Londoner Uni verliert Visa-Recht: 2700 ausländischen Studenten droht die Abschiebung

Von Christian Bunke *

Die britische Grenzschutzbehörde hat einer Londoner Universität das Recht entzogen, Visa für Nicht-EU-Ausländer auszustellen. Den Betroffenen droht jetzt die Abschiebung, die Uni sieht sich in ihrer Existenz gefährdet, denn die Studiengebühren der Ausländer stellten bislang einen relevanten Teil des Etats.

Die britische Grenzschutzbehörde hat der Londoner Metropolitan University die Lizenz zum Erstellen von Visa für ihre Studenten entzogen. Damit droht 2700 Studierenden aus Herkunftsländern, die außerhalb der EU liegen, die Abschiebung. 60 Tagen haben die Studenten Zeit, einen Studienplatz an einer anderen britischen Uni zu finden. Eine »Task Force«, an der u.a. »Universities UK«, Dachverband der großen britischen Universitäten mitwirkt, soll ihnen beim Universitätswechsel helfen.

»Universities UK« ist über die Maßnahme der Grenzschutzbehörde alles andere als glücklich. Schließlich wird dadurch die Existenz der Metropolitan Uni gefährdet. 30 Millionen Pfund jährlich hat die Uni durch die Studierenden, die von außerhalb der EU nach Großbritannien kommen, bislang eingenommen – ein Fünftel des Gesamtbudgets, dass jetzt von einen auf den anderen Tag verschwunden ist. Insgesamt gibt es 300 000 ausländische Studierende aus Nicht-EU-Ländern in Großbritannien; sie bringen pro Jahr 5 Milliarden Pfund in die britischen Universitätskassen.

Die betroffenen Studenten fühlen sich als Spielball der Politik. Ihr Sprecher Syed Rumman erklärte, durch die Aktion der Grenzschutzbehörde werde das Leben von Studierenden »auf den Müll geschmissen.« Auch die britische Studierendenvertretung NUS zeigt sich entsetzt. Bereits jetzt würden sich 40 Prozent aller internationalen Studenten in Großbritannien nicht willkommen fühlen. Diese Zahl werde nun weiter steigen, NUS-Präsident Liam Burns.

In der »Financial Times« bezeichnete kürzlich ein Universitätskanzler die Vorgehensweise der Grenzschutzbehörde als politisch motiviert. »Es ist kein Zufall, dass die Maßnahme an dem Tag, als die neuen Einwanderungsstatistiken erschienen sind, verkündet wurde«, so der Kanzler, der anonym bleiben will. Tatsächlich gehen die Einwanderungszahlen zurück. Von Juni 2011 bis Juni 2012 kamen 283 000 Menschen mit Studierendenvisum nach Großbritannien, 21 Prozent weniger als im Vorjahr.

Diese Entwicklung sieht die britische Regierung mit Wohlwollen. Erklärtes Ziel der Regierung ist es, den jährlichen Zuwachs von Einwanderern in Großbritannien auf unter 100 000 begrenzen zu wollen. Dafür wurde bereits 400 Colleges die Lizenz zum Ausstellen von Visa entzogen. Zu viele Personen mit Studierendenvisum seien nicht zum Studium sondern zum arbeiten in Großbritannien, behauptet Einwanderungsminister Damian Green.

Während die Regierung die Einwanderung von Studierenden erschweren möchte, kämpfen die Universitäten für vereinfachte Regelungen. In einem offenen Brief an Green, der von 70 Universitätspräsidenten unterschrieben ist, fordern sie die Herausnahme von ausländischen Studierenden aus den Einwanderungsstatistiken. In anderen Ländern würden die Regelungen vereinfacht, Großbritannien drohe sich von diesem wichtigen Markt zu isolieren, heißt es in dem Brief.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 07. September 2012


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