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"Das Bewußtsein der Leute entwickelt sich sehr schnell"

Über den Aufstand vom Gezi-Park, die türkische Linke und die kurdische Befreiungsbewegung. Ein Gespräch mit Metin Yegin *


Metin Yegin ist Journalist, Autor zahlreicher Bücher und Filmemacher.


Sie schreiben für die kurdische Zeitung Özgür Gündem, Sie machen Dokumentationen zu politischen und sozialen Themen, Sie schreiben Bücher und drehen Filme. Beginnen wir mit der gegenwärtigen Situation in der Türkei: Der Aufstand, der mit dem Gezi-Park begann, wirkt immer noch nach. Wie wird sich das Land entwickeln?

Der Gezi-Widerstand ist außerordentlich wichtig, er ist ein historisches Ereignis. Seine Auswirkungen werden nicht nur einige Jahre andauern, er ist eine Zäsur. Vor dem Militärputsch 1980 gab es eine große linke Bewegung, aber die unterschied sich von dem, was wir heute mit Gezi haben. Es ist ein ganz neuer Anfang. Denn der neoliberale Kapitalismus hat die Art zu produzieren verändert, heute produziert er vor allem neue Städte.

Die Regierung von Recep Tayyip Erdogan führt zum Beispiel exakt diese neoliberale Praxis aus. Ich habe eine Reihe von Büchern über Südamerika geschrieben und da lange gelebt. Das Muster ist dasselbe. Die neoliberalen Praktiken haben ja in Chile während der Pinochet-Zeit begonnen. Der Neoliberalismus zielt auf eine Durchkapitalisierung des städtischen Lebens ab. Gentrifizierung ist da ein wesentliches Moment, wie Sie es auch in Berlin seit dem Fall der Mauer beobachten können.

In der Türkei findet dieser Prozeß gerade sehr rasant statt. Die Regierung hat alles verkauft, was zur Verfügung stand: Fabriken, Schulen, Krankenhäuser, alles. Sie strukturieren die Städte vollkommen um. Allein in Istanbul mußten zwei Millionen Menschen an die Peripherie der Stadt umziehen. Das verändert natürlich auch die Lebensgewohnheiten, die Kultur, die Identität der Menschen. Ich denke, bei dem Aufstand vom Gezi-Park geht es vor allem darum: Raum, Identität und ökologische Probleme. Das Wichtige dabei ist, daß es weltweit ähnliche Bewegungen gibt.

Wer trägt diese Bewegung? Ist es wirklich ein Bürgerprotest der Mittelklasse, wie oft geschrieben wurde?

Zum Widerstand im Gezi-Park haben viele Intellektuelle und Journalisten geschrieben: Das ist der Widerstand der Mittelklasse. Das ist nicht wahr. Sicher, die Mittelklasse beteiligt sich auch. Aber vor allem sind es prekarisierte Arbeiter. Die befinden sich in einer noch schlechteren Lage als andere Arbeiter. Die Fabrikarbeiter haben festgelegte Urlaubszeiten, ein Wochenende. Die Prekarisierten haben nichts davon, Arbeitszeit und Freizeit lassen sich kaum auseinanderhalten. Oder, wenn man in einer Fabrik den Strom benutzt, dann muß das der Boß bezahlen. Wenn man zu Hause arbeitet, bezahlt man das selbst. Es mag aussehen, als ob Teile dieser Prekarisierten Mittelklasse wären, sind sie aber nicht. Callcenter-Arbeiter zum Beispiel: Natürlich, sie arbeiten am Computer, aber sie sind deswegen nicht weniger Arbeiter.

Oder Studenten. Vor 20 Jahren haben etwa 20 Prozent der Universitätsabsolventen keine Jobs gefunden. Heute sind es 80 Prozent. Was machen sie dann? Sie fangen einen Master an, dann die Doktorarbeit, dann irgendwelche Projekte, und so weiter. Was sollen sie auch anderes machen? Sie können nicht irgendwo in der Produktion anfangen, weil es im Neoliberalismus kaum noch Produktion gibt.

Der Neoliberalismus akkumuliert Kapital nur noch in der Produktion der Städte. Und er bringt eine neue, ganz eigenartige Art von Jobs hervor. Einmal bin ich in eine Metrostation gegangen, und da stehen viele Leute herum. Ich denke: Ah, hier ist offenbar ein Forum. Und ich will teilnehmen. Dann sehe ich, da stehen fast hundert Menschen herum, die mit Reklameschildern drapiert sind: Machen Sie einen Internetvertrag hier, trinken Sie ihren Kaffee da, und so weiter. Wenn man in Argentinien mit dem Auto fährt und an einer Ampel hält, kommen zwei Leute, die einem Coca-Cola verkaufen wollen, zwei, die dir Essen verkaufen wollen, zwei Leute, die für Geld jonglieren. Fährst du zur nächsten Ampel, dasselbe Schauspiel. Einer meiner Freunde in Argentinien hat gesagt: Wenn die Regierung die Arbeitslosenrate senken will, läßt sie einfach neue Ampeln aufstellen. Genauso ist das im Neoliberalismus. Der Neoliberalismus produziert nicht, er kann diese Leute gar nicht absorbieren.

Am Gezi-Aufstand haben sehr viele arme Menschen teilgenommen. Denn Gezi-Widerstand, das ist nicht nur das, was auf dem Taksim-Platz passiert ist, sondern auch da, wo die Medien nicht hingeschaut haben, in den Armenvierteln wie Okmeydani, Gazi, Tuzluçayr. Das ist keine Mittelklasse.

Gerade hier waren auch viele Aleviten beteiligt. Hier geht es um ihre Identität. Kulturelle Identität spielt eine große Rolle bei den Protesten. Denn der Premier will uns alles diktieren: Raucht nicht, trinkt nicht, bekommt drei Kinder, esst euer Brot auf diese und nicht auf jene Weise. Die Menschen haben gesagt: Jetzt reicht’s.

Viele dieser Menschen sind ja zum ersten Mal auf der Straße, es sind keine Aktivisten, die das schon seit Jahren machen. Müßten nicht alle, die jetzt als Individuen protestieren, sich irgendwie organisieren, wenn sie gewinnen wollen?

Ich werde das sehr oft gefragt, auch weil die Bewegung in Südamerika ja teilweise schon weiter ist. Man fragt mich dann: Wie können wir hier in der Türkei auch so organisiert werden wie in Südamerika? Ich sage immer: Ich habe Vertrauen in die Menschen. Das Volk lernt manchmal sehr schnell. Man kann 20 Jahre auf der Uni die Geschichte von Aufständen studieren, aber die Menschen selbst können, wenn die Situation das erfordert, in wenigen Stunden lernen, was sie zu tun haben.

Am ersten Tag des Gezi-Widerstands waren wir nur wenige Menschen auf dem Platz, dann kamen einige tausend mehr, vor allem aus den linken Gruppen. Wenige Stunden später waren es erst 10000, dann 15000, und so weiter. Als ich die erste Barrikade in der Istiklal-Straße gesehen habe, wurde mir klar: Ok, das wird wie in Argentinien. Denn die Leute sind nicht weggelaufen vor der Polizei, sie sind immer wiedergekommen.

Klar, am Anfang waren es die Linken und Revolutionäre, die Barrikaden bauten, weil sie das schon gewohnt waren und seit Jahren so kämpften, zum Beispiel am 1. Mai. Aber dann kämpften immer mehr Menschen mit, die das zuvor nicht getan hatten: Dann fingen die Unruhen in Besiktas an, Tausende überquerten zu Fuß die Brücke aus dem asiatischen Teil. Die Menschen lernten sehr, sehr schnell, wie der Widerstand zu organisieren ist. Das lernt man nicht in Büchern. Die Zeiten des Widerstands sind nicht mit den »normalen« Zeiten zu vergleichen, in solchen Zeiten lernen die Menschen schnell und geben das erworbene Wissen weiter.

Insofern war Gezi sehr organisiert. Zwar nicht in dem Sinne, daß die Mehrzahl der Menschen Mitglied in einer Gruppe gewesen wäre. Aber der Widerstand selbst war organisiert. Es wurde von Freiwilligen eine eigene Gesundheitsversorgung für die Opfer von Polizeigewalt geschaffen, die Anwälte haben rund um die Uhr für die Verhafteten gearbeitet, es gab alternative »Märkte« ohne Geld. Es gab keine Kriminalität während der Zeit der Taksim-Besetzung auf dem Platz, der Umgang der Menschen miteinander hat sich dort geändert. Die Leute haben angefangen zu lernen, wie wir ohne Regierung zusammenleben können. Wir brauchen dafür keine Polizei.

Gezi hat den Menschen auch eine eigene Geschichte gegeben. Alle erzählen jetzt von ihren Erlebnissen: Wir haben dort eine Barrikade gebaut, wir haben dieses oder jenes gemacht. Völlig unwichtig, ob erfunden oder nicht, aber sie haben eine eigene Geschichte, die sie mit dem Aufstand verbindet. Das ist sehr wichtig. Also: Die Leute sind schon organisiert, aber eben nicht in den Parteien oder Organisationen. Ich denke, die Linke hat diesen Widerstand immer noch nicht ausreichend begriffen.

Aber trotzdem war die Linke ein wichtiger Teil. Hätten sie nicht auf den Barrikaden gekämpft ...

Ja, sicherlich. Die Linke hat gleich zu Beginn mitgemacht. Aber nehmen wir die Taksim-Plattform, in der alle möglichen Gruppen vertreten sind. Sie müßte dafür sorgen, daß Komitees in jedem Stadtteil, in jeder Straße gebildet werden. Aber sie haben gezögert. Manchmal haben sie sogar vorgeschlagen, die Barrikaden abzubauen, aber keiner hat darauf gehört. Die Menschen haben gesagt: Nein, wir brauchen die Barrikaden. Viele Linke meinten, wir seien noch nicht bereit. Sie verhalten sich wie Funktionäre, die am Schreibtisch sitzen und Deklarationen schreiben, dann läutet es an der Tür, sie fragen: Wer da? Das Volk. Und sie antworten: Kommt später wieder, ich bin noch nicht mit meinen Vorbereitungen fertig. Meine Erfahrung hat mir gezeigt: Wenn die Rebellion beginnt, sag niemals, jetzt ist es aber genug. Das Bewußtsein der Leute entwickelt sich sehr schnell.

Die Kommune vom Taksim und all die Strukturen, die Menschen aufgebaut haben, sind letztlich von der Polizei zerschlagen worden. Der Platz wurde mit brutaler Gewalt geräumt, es gab viele Verletzte und auch Tote. Solche Angriffe sind doch immer zu erwarten. Wie kann man sich das nächste Mal besser schützen? Sie haben viel zu bewaffneten Gruppen gearbeitet, zu den Zapatisten, aber auch zur kurdischen Guerilla. Denken Sie, bewaffnete Strukturen wären auch hier eine Möglichkeit gewesen, sich zu schützen?

Für den Taksim-Widerstand ist die Antwort ganz klar: Nein. Es handelt sich ja um eine ganz andere Art von Bewegung. Griffe man hier auf Waffen zurück, würde möglicherweise etwas Ähnliches wie in Syrien passieren. Auch dort waren die Oppositionsdemonstrationen zuerst friedlich, aber in dem Moment, als sie zu den Waffen griffen, hatten sie verloren.

Aber, was ich gesagt habe, bezieht sich nicht auf Gewalt generell. Die Leute verwenden ja Steine, Pyrotechnik und so weiter, das ist Selbstverteidigung. Nähmen sie aber Waffen, würden viele Menschen nicht mehr mitziehen. Auch der Hinweis auf die Zapatisten hilft nicht weiter. Denn die zapatistische Bewegung greift nicht oft zu den Waffen. Sie kämpfen schon eine sehr lange Zeit, aber es gibt kaum Tote.

Grundsätzlich muß man aber schon fragen, was Gewalt eigentlich heißt. Ich habe einen Kommandanten der FARC in Kolumbien interviewt, er hat mir gesagt: Wenn die Regierung Gewalt ausübt, heißt das Gerechtigkeit, wenn die arme Bevölkerung Gewalt ausübt, heißt das Terrorismus. Insgesamt halte ich es mit Che Guevara, der gesagt hat: Wenn man irgendeine Chance zum Frieden hat, und sie nicht nutzt, handelt man falsch. Aber wenn es keinerlei Chance für den Frieden gibt, und man nicht zu den Waffen greift, handelt man auch falsch. Im Falle des Gezi-Widerstands ist der Punkt nicht erreicht, an dem man zu den Waffen greifen sollte.

Anders sieht es mit der kurdischen Bewegung aus, obwohl sich das im selben Land abspielt. Wenn die Kurden nicht vor 40 Jahren zu den Waffen gegriffen hätten, hätten sie von der türkischen Regierung überhaupt keine Akzeptanz erkämpft.

Im Moment versucht die kurdische Bewegung gerade, gemäß der Maxime Che Guevaras zu handeln und die sehr kleine Chance auf Frieden zu ergreifen und mit dem bewaffneten Kampf aufzuhören. Von außen sieht dieser Friedensprozeß allerdings so aus, als würde die türkische Regierung kaum Zugeständnisse machen und sich nicht an Vereinbarungen halten.

Der Friedensprozeß ist eine sehr interessante Angelegenheit. In Kolumbien war es ja zwischen FARC und der Regierung so, daß die zusammen saßen und Protokolle angefertigt haben, in denen stand: Die eine Seite hat das gesagt, die andere Seite dies. Aber in der Türkei weiß eigentlich niemand, was da vereinbart wurde.

Es ist jetzt ein Jahr her, seit es in den nordirakischen Kandil-Bergen keine wirklichen Gefechte mehr gibt, aber was macht die Regierung? Nichts. Immer noch sind Tausende Menschen eingesperrt. Die Kurden wollen Frieden. Und wie funktioniert eine Guerilla? Viele sagen, der Guerillakampf sei nicht demokratisch. Aber da stimme ich nicht überein. Die Guerilla muß per se demokratisch sein, denn wenn die Menschen den Kampf nicht fortsetzen wollen, kann die Guerilla ihn auch nicht fortsetzen. Ein Kämpfer aus El Salvador hat mir einmal gesagt: Die Guerilla braucht die Berge, aber unsere Berge sind die Menschen selbst.

Im türkischen Friedensprozeß ist es derzeit so, daß die Regierung zwar keinerlei Zugeständnisse macht, aber sie braucht den Frieden. Und die kurdische Bewegung ist kein homogener Block. Auch innerhalb der Bewegung gibt es Mittelklasse und reiche Leute. Es sind zwar die armen Menschen, die in den Bergen und auf der Straße kämpfen, aber in der BDP, der kurdischen Partei, dominiert die Mittelklasse. Abdullah Öcalan und die Basis der Bewegung wollen ein ganz neues System. Aber die Mittelklasse nicht.

Öcalan sagt, wir wollen die ökologische Demokratie, wir wollen demokratische Autonomie. Das ist sehr interessant. Die demokratische Autonomie ist eine Art radikaler Demokratie. Das ist ein wichtiger Lösungsansatz für die Probleme der gesamten Region. Die kurdische Bewegung will die Republik der Frauen, wie ich das genannt habe. Und das im Mittleren Osten. Aber sie vermitteln das den Völkern Europas zu wenig, sie reden immer mit den Regierungen, aber man müßte dieses Konzept den Menschen selbst erklären, den griechischen Anarchisten, den spanischen Linken und so weiter. Hier gibt es eine Guerillabewegung, die für ökologische Demokratie kämpft. Aber keiner weiß das.

Warum sind die Zapatisten so einflußreich? Weil sie es schaffen, ihre Ideen besser zu vermitteln. Die kurdische Bewegung hat sehr interessante und wichtige Ideen, aber wenn sie im Ausland darüber reden, heißt es immer nur: Wir sind Kurden, wir waren schon seit dem Neolithikum dort, wo wir jetzt sind, und die türkische Regierung tötet unsere Leute. Das stimmt schon. Aber interessanter ist doch die Frage: Was wollt ihr? Wofür kämpft ihr? Die demokratische Autonomie ist schon deshalb ein interessantes Konzept, weil sie Grenzen ablehnt, die kurdische Bewegung will keine neuen Staatsgrenzen schaffen.

Bis zu einem gewissen Grad zeigt sie, welche Utopie sie hat, indem sie sie aufbaut, zum Beispiel in Syrien. Wenn man nach Rojava schaut, da geschieht ja einiges ...

Ja, und das in einer so schwierigen Re­gion. Im Westen hat man eine sehr orientalistische Perspektive auf diese Region. Man sagt, da sind nur Muslime, und die diskriminieren Frauen und so weiter. Aber genau dort hat man eine säkulare kurdische Bewegung, die für eine Republik der Frauen eintritt. Die demokratische Autonomie ist keine, wie man sie im Baskenland oder in Katalonien hat, sondern eine radikale Form der Selbstorganisierung. Die Grenzen sind nicht wichtig für dieses Projekt, sondern nur die Menschen. Die Grenzen müssen überwunden werden, zuerst in den Ideen und dann in der Wirklichkeit. Wir haben da immer noch einen kapitalistischen, modernistischen Blick. Die Kurden sagen ganz klar: Wir wollen keinen neuen Staat schaffen.

Da gibt es auch Gegenstimmen. Ismail Besikci zum Beispiel, ein wichtiger Intellektueller, der 17 Jahre im Gefängnis verbracht hat wegen seines Einsatzes für die Kurden. Er sagt immer noch, die Kurden brauchen einen eigenen Staat. Die PKK sagt das nicht mehr.

Diese Ideologie könnte für den gesamten Nahen Osten, aber auch weltweit sehr bedeutend sein. In einer meiner letzten Kolumnen habe ich darüber geschrieben, daß die Kurden nicht zur Friedenskonferenz für Syrien in Genf eingeladen wurden. Aber was soll man machen? Bei den Regierungen anklopfen und sagen: Bitte, akzeptiert uns? Nein, wir müssen uns an die Menschen wenden, nicht an die Regierungen. Wenn wir eine ganz neue Art von Gesellschaft wollen, brauchen wir auch eine andere Art der Diplomatie.

Seit Gezi, das ist mein Eindruck, funktioniert das zumindest innerhalb der Türkei besser. Die Kurden sind sichtbarer geworden, auch in den Metropolen wie Istanbul.

Ja, Gezi war sehr wichtig dafür, daß die Leute einander kennenlernen: Türken und Kurden, Muslime und Nicht-Muslime. Es gibt jetzt sogar revolutionäre Muslime, eine sehr wichtige Sache gerade gegen die Erdogan-Regierung.

Was kommt nach dem Friedensprozeß? Öcalan hat ja auch angedeutet, man wolle mehr mit den zivilen linken Bewegungen in der Türkei zusammenarbeiten ...

Wie wird sich die kurdische Bewegung entwickeln, nachdem es Frieden gibt? In Guatemala zum Beispiel, bevor es Frieden gab, wurden 40 Prozent des Landes von der Guerilla kontrolliert. Danach hatten sie bei den ersten Wahlen ein bißchen über vier Prozent, bei den Wahlen darauf noch weniger. Sie haben verloren. Die Frage ist, wie man den Wechsel in der Dynamik hinbekommt. Ich habe einen Guerillakommandanten in Guatemala gefragt, warum sie verloren haben, er hat mir geantwortet: Vorher waren wir gewohnt, Basketball zu spielen, nach dem Friedensprozeß mußten wir auf einmal Fußball spielen. Wenn du dann den Ball mit der Hand anfaßt, ist das Spiel aus. Es sind ganz verschiedene Arten von Kampf.

Interview: Thomas Eipeldauer

* Aus: junge welt, Samstag, 1. März 2014


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