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Regierung will Militäreinsatz

De Maizière stellt Türkei Entsendung von Flugabwehrraketen in Aussicht *

Ein Einsatz der Bundeswehr im türkisch-syrischen Grenzkonflikt wird wahrscheinlicher. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) stellte den NATO-Bündnispartnern in Ankara am Montag militärische Hilfe in Aussicht, sollten diese eine Anfrage für die Bereitstellung von »Patriot«-Flugabwehrraketen stellen.

Deutschland, das neben den Niederlanden und den USA als einziger Staat über »Patriot«-Raketen verfüge, sei »45 Jahre lang der Hauptnutznießer von Bündnissolidarität gewesen«, sagte de Maizière am Rande des Treffens mit seinen europäischen Ressortkollegen in Brüssel. Wenn »jetzt ein Bündnispartner uns um eine solche Maßnahme bittet, dann ist es für uns klar, daß wir dem offen und solidarisch gegenüberstehen«. Dabei gehe es allerdings um eine rein »vorsorgliche und defensive Maßnahme auf dem NATO-Gebiet«.

Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Andreas Peschke, betonte, es sei »das Gebiet eines Bündnispartners gegen äußere Bedrohung zu schützen«. Ein Einsatz außerhalb der Bündnisgrenzen bedürfe einer Entscheidung des UN-Sicherheitsrats.

Die Bundesregierung wollte sich nicht festlegen, in welcher Form der Bundestag an der Entscheidung über die militärische Unterstützung beteiligt werden könnte. »Es hängt sehr davon ab, wie die Anfrage aussieht«, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin.

Die Opposition kritisierte die bisherige Informationspolitik das Kabinetts. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles warf de Maizière eine »grobe Mißachtung des deutschen Parlaments« vor. Ohne ein Mandat des Bundestages könne es keine Entsendung von Bundeswehrsoldaten geben. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier betonte, es dürfe angesichts der brisanten Lage im Nahen und Mittleren Osten keine leichtfertige Entscheidung geben. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf der Bundesregierung einen »fragwürdigen Umgang« mit dem Parlament vor.

»Jetzt die Bundeswehr an der türkisch-syrischen Grenze zu stationieren, kann nur als einseitige Parteinahme mit großer Auswirkung auf den syrischen Bürgerkrieg gewertet werden«, erklärte der verteidigungspolitische Sprecher der Linken, Paul Schäfer. Seine Fraktion lehne die Pläne »ohne Wenn und Aber ab«.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 20. November 2012


Die eingebildete Gefährdung

Syriens Opposition hat klares Interesse an NATO-Engagement

Von Karin Leukefeld **


Die Gefährdung, die die Türkei als Grund für die Stationierung von Patriot- Abwehrraketen an ihrer Grenze zu Syrien angibt, ist hausgemacht.

Seit Beginn der Unruhen in Syrien im März 2011 haben der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und sein Außenminister Ahmet Davutoglu den innersyrischen Konflikt zur Chefsache erklärt. Erdogan will die Machtübernahme der in Syrien verbotenen Muslimbruderschaft durchsetzen. Davutoglu gilt als Stratege eines neo-osmanischen Reiches unter Führung der türkischen Partei für Gerechtigkeit und Fortschritt.

Ermuntert von den USA und Europa, unterstützte die Türkei den von der Muslimbruderschaft dominierten »Syrischen Nationalrat « (SNR). Ankara förderte die Gründung der »Freien Syrischen Armee« (FSA), schützte und unterstützte Deserteure. Bis heute lässt die Türkei bewaffnete Aufständische und Waffenlieferanten ungehindert über die türkisch-syrische Grenze ziehen. Seit Monaten gibt es am NATO-Stützpunkt Adana einen Operationsraum, wo die Aufständischen von westlichen und türkischen Geheimdienstoffizieren ausgebildet und mit Waffen, Geld und Aufklärung unterstützt werden.

Eine offizielle Stellungnahme der syrischen Regierung zur möglichen Stationierung von Patriot- Raketen an der Grenze zur Türkei gibt es bisher nicht. Allerdings ist die Armee angewiesen, jede Provokation gegenüber dem türkischen Militär zu unterlassen. Wenn dennoch Schüsse über die Grenze in die Türkei abgefeuert werden, wisse man nicht, ob diese von der syrischen Armee seien oder von den Aufständischen, räumte ein hochrangiger US-Militär vor wenigen Wochen in Washington ein.

Die Aufständischen haben ein klares Interesse an einem militärischen Engagement der NATO. Von einem Raketenabwehrschirm erhoffen sie sich die Sicherung einer Schutzzone, von der aus sie ungestört weiter operieren und ihren »Marsch auf Damaskus« vorbereiten können. So formulierte es im Oktober der damalige Vorsitzende des SNR, Abdulbasit Saida.

Die kurdische Partei für Demokratische Einheit (PYD), die bisher dank einer starken Miliz, den Volksverteidigungskräften, und geschicktem politischen Handeln den Kampf aus kurdischen Orten entlang der Grenze zur Türkei heraushalten konnte, gibt an, dass die Kämpfe, die es seit Anfang des Monats in der westlichen Grenzregion gibt, weder von der syrischen Armee noch von der FSA ausgegangen seien.

Verantwortlich für die Angriffe seien kurdische und andere Milizen, die aus der Türkei gekommen seien und Kontrollpunkte der PYD angegriffen hätten, sagte ein PYDSprecher gegenüber der Beiruter Zeitung »Al-Safir«.

** Aus: neues deutschland, Dienstag, 20. November 2012

Es wird ernst! Die türkische Regierung fordert Patriots von der NATO - Statement des NATO-Generalsekretärs

Statement by the NATO Secretary General on Patriot Missile Deployment to Turkey

I have received a letter from the Turkish government requesting the deployment of Patriot missiles. Such a deployment would augment Turkey’s air defence capabilities to defend the population and territory of Turkey. It would contribute to the de-escalation of the crisis along NATO’s south-eastern border. And it would be a concrete demonstration of Alliance solidarity and resolve.

In its letter, the Turkish government stressed that the deployment will be defensive only, and that it will in no way support a no-fly zone or any offensive operation.

NATO will discuss Turkey’s request without delay. If approved, the deployment would be undertaken in accordance with NATO’s standing air defence plan. It is up to the individual NATO countries that have available Patriots - Germany, the Netherlands and the United States - to decide if they can provide them for deployment in Turkey and for how long. Next week a joint team will visit Turkey to conduct a site-survey for the possible deployment of Patriots.

The security of the Alliance is indivisible. NATO is fully committed to deterring against any threats and defending Turkey’s territorial integrity.

Quelle: NATO-Newsletter, Mittwoch, 21. November 2012




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