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Patriot-Gegner befürchten "See aus Blut"

Proteste in der Türkei gegen die Stationierung der NATO-Raketensysteme an der Grenze zu Syrien *

Nach gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Demonstranten bei Protestkundgebungen gegen die Stationierung von Patriot-Raketen der NATO hat die türkische Polizei mehrere Dutzend Menschen festgenommen.

Die Sicherheitskräfte seien mit Tränengas, Pfefferspray und Schlagstöcken gegen Demonstranten in der Hafenstadt Iskenderun sowie an der Luftwaffenbasis Incirlik im Süden des Landes vorgegangen, berichtete die Zeitung »Birgün« am Dienstag. Laut Medienberichten wurden zwischen 23 und 40 Menschen festgenommen. Darunter sei auch eine Reporterin von »Birgün«, meldete das regierungskritische Blatt.

In Iskenderun waren am Montag Schiffe mit den Patriot-Raketen der Bundeswehr und der niederländischen Armee angekommen. Auf dem südtürkischen Stützpunkt Incirlik bei Adana lagern nach US-amerikanischen Angaben die für den NATO-Einsatz vorgesehenen Patriot-Raketensysteme der US-Streitkräfte.

Die Allianz hatte die Stationierung der Luftabwehrraketen auf Antrag der türkischen Regierung mit der Begründung beschlossen, die Türkei so vor möglichen Raketenangriffen aus dem benachbarten Bürgerkriegsland Syrien schützen zu können.

Linke und islamische Gruppen in der Türkei sehen in der Patriot-Stationierung dagegen einen Versuch insbesondere der USA, ihre Macht im Nahen Osten auszudehnen. In Iskenderun sagte einer der Redner der Demonstranten nach einer Meldung der linken Tageszeitung »Evrensel«, die Patriot-Mission sei Teil eines Plans, »den Nahen Osten in einen See aus Blut zu verwandeln«.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 23. Januar 2013

Letzte Meldung

Übergriff auf Bundeswehr-Soldaten

"Wir erwarten vom gastgebenden Land Türkei, die Sicherheit der deutschen Soldaten - wenn sie sich in Städten bewegen - zu gewährleisten", sagte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums am Mittwoch. Es sei "nicht akzeptabel", wenn Kritik an der Präsenz der Soldaten in der Türkei in Gewalt umschlage.

Fünf Bundeswehrsoldaten in Zivilkleidung waren in der Stadt Iskenderun "angepöbelt und bedrängt" worden, hieß es in Berlin. Verantwortlich sei eine Gruppe von rund 40 Menschen, die "wohl organisiert" gewesen sei. Die Angreifer hätten unter anderem Säcke über die Köpfe von Soldaten gestülpt. Die Bundeswehrangehörigen hätten sich in umliegende Geschäfte geflüchtet. Begleitende türkische Armeeangehörige hätten durch ihr Eingreifen eine weitere Eskalation verhindert.

Nach Angaben der nationalistischen Gruppe Union der Türkischen Jugend (TGB), die den Protest organisierte, wurden 42 Demonstranten festgenommen. TGB-Chef Ilker Yücel, der an der Aktion in Iskenderun teilnahm, erklärte nach seiner Freilassung aus dem Polizeigewahrsam auf der Internetseite seiner Organisation, die Türkei sei "kein NATO-Territorium".

Passanten in Iskenderun sagten laut AFP, die Demonstranten hätten die deutschen Soldaten für US-Bürger gehalten. Aus Militärkreisen verlautete, die Bundeswehrsoldaten hätten nicht zu dem Patriot-Kontingent gehört, das in Kahramanmaras stationiert werden soll, sondern seien nur zur Entladung der Luftabwehrraketen in Iskenderun gewesen. Die Deutschen hätten bei einer Einkaufstour Englisch gesprochen. Möglicherweise seien sie deshalb für US-Bürger gehalten worden.

(Agenturberichte, Mittwoch, 23.01.2013)




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