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Diplomatische und politische Eiszeit zwischen der Türkei und Israel

Israel protestiert gegen "antiisraelische Haltung" der Türkei / Libanesischer Premier zu Besuch in Ankara

Um die Beziehungen zwischen Israel und der Türkei ist es derzeit nicht gut bestellt. Dies belegt die Nahostpolitik des türkischen Premiers Erdogan genauso wie die (un)diplomatischen Attacken des israelischen Außenamts auf den türkischen Botschafter. Wir dokumentieren die Eiszeit zwischen Tel Aviv und Ankara mit zwei Artikeln und zwei Stellungnahmen aus dem israelischen Außenministerium.



Scharfe Kritik an Israel

Libanesischer Premier in Ankara. Türkei sucht enge Bindungen zu arabischen Staaten

Von Karin Leukefeld *

Bei einem Besuch des libanesischen Ministerpräsidenten Saad Hariri bei seinem Amtskollegen Tayyip Erdogan in der Türkei haben beide Politiker deutlich Kritik an Israel geübt. Scharf wurden vor allem die neuen israelischen Luftangriffe auf den belagerten Gazastreifen zurückgewiesen; auch die anhaltenden Überflüge israelischer Kampfjets und Aufklärungsdrohnen über dem Süden Libanons wurden kritisiert. »Angriffe auf den Libanon sind Terrorismus«, sagte Hariri in Ankara. Libanesische Luftabwehrgeschütze hatten zuletzt am Montag das Feuer auf israelische Kampfjets eröffnet, die in Verletzung der UN-Resolution 1701 im Tiefflug über den Süden des Landes geflogen waren. Fast täglich verletzt Israel den libanesischen Luftraum, Kritik daran wird regelmäßig mit der Begründung zurückgewiesen, die Überflüge dienten der Beobachtung des »massiven Waffenschmuggels der Hisbollah«.

Die Türkei, einst enger Verbündeter Israels in der Region, hat seine Position seit dem Gaza-Krieg 2008/09 deutlich verändert. Hinsichtlich der neuen engen Partnerschaft mit dem Libanon erklärte Erdogan, die Türkei »wird nie schweigen« über die Verletzung des libanesischen Luftraums. Israel ignoriere UN-Resolutionen und »tut, was es will«, das werde die Türkei nicht akzeptieren. Erdogan kritisierte zudem, daß die Vetomächte im UN-Sicherheitsrat und Deutschland Iran wegen seines Atomprogramms unter Druck setzten, die Atomwaffen Israels aber schweigend duldeten. Wenn man sich im Mittleren Osten unfair verhalte, würden sich die Probleme ausbreiten, so Erdogan. »Unruhe im Mittleren Osten bedeutet Unruhe in der Welt.«

Der Besuch Hariris in Ankara unterstreicht die enge Bindung, die die Türkei mittlerweile mit den arabischen Staaten sucht. Hariri und Erdogan unterzeichneten Abkommen im Transport- und Energiesektor sowie in der Landwirtschaft. Um den chronischen Energiemangel Libanons zu beenden, wird die Türkei zukünftig Strom und Gas in den Zedernstaat liefern. Die Visumspflicht für die Bürger beider Staaten wurde aufgehoben. Auch im militärischen Bereich wollen beide Staaten zukünftig kooperieren, was in Israel auf scharfe Kritik stieß. Mit einer diplomatischen Offensive will Israel nun gegen Militärhilfe an den Libanon vorgehen, heißt es in der Jerusalem Post. Alle in den Libanon gelieferten Waffen und Ausrüstung gelangten »in die Hände der Hisbollah«, die von der libanesischen Armee »nicht zu unterscheiden« sei. Die Bedenken würden auch in den USA vorgebracht, wo man offenbar dem Wunsch des libanesischen Präsident Michel Sleiman nachkommen will, den Libanon im Sicherheitsbereich künftig mehr zu unterstützen.

Die Hisbollah hat derweil am Dienstag (12. Jan.) einen Bericht des Spiegel scharf zurückgewiesen. Das Nachrichtenmagazin hatte - unter Berufung auf deutsche Drogenfahnder - behauptet, die Hisbollah finanziere ihren Kampf gegen Israel »möglicherweise mit Geld aus dem Kokainhandel« in Europa. Der Spiegel sei »moralisch und juristisch verantwortlich« für die Falschdarstellung, heißt es in der Stellungnahme der Hisbollah. Das Blatt solle sich »nicht zu einem billigen Werkzeug« Israels machen lassen, um dessen »Verbrechen im Libanon und Palästina« zu übertünchen.

* Aus: junge Welt, 14. Januar 2010


Rüpel des Tages: Daniel Ayalon

Das vom Rechtsextremisten Avigdor Lieberman geführte israelische Außenministerium ist dabei, sämtliche Regeln diplomatischen Anstands außer Kraft zu setzen. Weil ein privater türkischer TV-Sender die Serie »Das Tal der Wölfe« ausstrahlt, in der Mossad-Agenten als brutale Killer in Erscheinung treten, wurde der türkische Botschafter in Jerusalem, Ahmed Celilkol, ins israelische Außenministerium einbestellt und dort vor laufender Kamera gedemütigt. Nicht nur, daß es unüblich ist, Einbestellungen von Botschaftern als Fernsehshow zu inszenieren, wurde Ankaras Mann in Jerusalem auch noch eine äußerst erniedrigende Behandlung zuteil. Zuerst ließ man ihn warten, dann hatte er auf einem niedrigen Sofa Platz zu nehmen - ihm gegenüber saßen auf höheren Stühlen Israels Vizeaußenminister Danny Ayalon und zwei Beamte des Außenministeriums. Auf dem Tisch stand nur die israelische Flagge. Und damit die Herabwürdigung des türkischen Diplomaten auch deutlich wird, erläuterte Ayalon den Sinn der Sitzordnung: »Hauptsache, man sieht, daß er tief sitzt und wir hoch und daß nur eine Flagge da ist. Und ihr seht, daß wir nicht lächeln.«

Lieberman und den Seinen geht es offenbar darum, der Welt zu zeigen, daß die israelische Außenpolitik ihren eigenen Regeln folgt. Ein Land, welches das Völkerrecht nicht zur Kenntnis nimmt oder es nach eigenem Gutdünken auslegt, meint, sich auch um formale Höflichkeitsregeln nicht kümmern zu müssen. In Washington dürfte man über die Respektlosigkeit, die der eine US-Verbündete gegenüber dem anderen Nahost-Partner der USA an den Tag legt, nicht gerade erfreut sein. Doch auch darum meint sich Israels Regierung der extremen Rechten, nicht kümmern zu müssen. (wp)

* Aus: junge Welt, 13. Januar 2010

Israel verurteilt antiisraelische Äußerung des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan

Das israelische Außenministerium verurteilt die hemmungslose Attacke gegen Israel, die der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan am Montag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem libanesischen Amtskollegen Sa'ad al-Din al-Hariri von sich gegeben hat.

Israel respektiert die Türkei und ist an kontinuierlichen normalen Beziehungen zwischen den Staaten interessiert, erwartet jedoch von der türkischen Seite, Israel für ihren Teil mit einer ähnlichen Einstellung gegenüberzutreten.

Die Worte von Ministerpräsident Erdogan müssen gemeinsam mit der antiisraelischen Sendung, die gegenwärtig im türkischen Fernsehen ausgestrahlt wird, sowie mit anderen ernstzunehmenden antiisraelischen Geisteshaltungen gesehen werden, welche der türkische Ministerpräsident seit mehr als einem Jahr zum Ausdruck bringt, seit er im Januar 2009 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos eine verbale Attacke gegen Präsident Shimon Peres vom Zaun gebrochen hat.

Israel behält sich das Recht vor, seine Bürger gegen Raketenangriffe und Terrorismus von Seiten der Hamas und der Hisbollah zu schützen. Die Türkei ist das letzte Land, das Israel und den Israelischen Verteidigungsstreitkräften Moral predigen sollte.

(Außenministerium des Staates Israel, 11.01.10)

Israels stellvertretender Ministerpräsident Danny Ayalon hat am Montag (11. Jan.) den türkischen Botschafter in Israel einbestellt und ihm im Namen der israelischen Regierung den Protest gegen eine Folge der türkischen Fernsehserie übermittelt, in der Israel und die Juden als Kindesentführer und Kriegsverbrecher dargestellt werden.

Ayalon erklärte, derlei Äußerungen seien inakzeptabel und erwüchsen auf dem Boden von schwerwiegenden Äußerungen von Seiten hochrangiger türkischer Politiker. Er fügte hinzu, die Angelegenheit gefährde das Leben von Juden in der Türkei und sei dazu angetan, die bilateralen Beziehungen zu beeinträchtigen.

Ebenso erklärte er, Israel erwarte, dass die türkische Regierung einen Weg finden werde, die Wiederholung derartiger Erscheinungen zu verhindern und klarzustellen, dass diese Einstellungen von ihr nicht hingenommen werden.

(Außenministerium des Staates Israel, 11.01.10)

Quelle: Newsletter der Israelischen Botschaft in Berlin, 12. Januar 2010




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