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Erdogan provoziert Migranten

Befürworter und Gegner der türkischen AKP mobilisieren zu Protesten

Von Anja Krüger *

Anhänger des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan rufen in mehreren deutschen Städten zur Unterstützung des harten Kurses gegen die Taksimplatz-Bewegung auf. Auch die AKP-Gegner planen Proteste.

Die Anhänger des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan machen in Deutschland mobil. Für den kommenden Sonntag ruft die Erdogan-nahe Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) die Gefolgsleute des Regierungschefs zur Teilnahme an einer Großveranstaltung in Düsseldorf auf. Auch in anderen Städten wollen Anhänger der türkischen Regierungspartei AKP ihre Unterstützung des harten Kurses gegen die Taksimplatz-Bewegung zeigen. Sympathisanten der Demokratiebewegung werden mit eigenen Kundgebungen dagegen protestieren.

Auf der Düsseldorfer Kundgebung der UETD sollen unter anderem der türkische Kulturminister Ömer Celik und Abgeordnete der Regierungspartei AKP sprechen. Nach Angaben der Düsseldorfer Polizei hat die UETD die Veranstaltung unter dem Titel »Demokratie – aktuelle Ereignisse in der Türkei« angemeldet. Gegenüber der Polizei gehen die Veranstalter von 20 000 Teilnehmern aus. Was sie nicht daran hindert, andere Zahlen in Umlauf zu bringen. »Wir rechnen mit 100 000 Teilnehmern«, sagt ein Mann aus der UETD-Zentrale in Köln, der nicht genannt werden will. »Aleviten und andere Splittergruppen wie die PKK vermitteln ein falsches Türkeibild«, sagt der Mann.

In der deutschen Presse würde über das Geschehen in der Türkei falsch berichtet, in sozialen Netzwerken manipulierte Fotos gezeigt. Mit der Kundgebung solle dieses falsche Bild korrigiert werden. Im übrigen würde die UETD Pressanfragen nur nach Vereinbarung eines Termins und vorherigem schriftlichen Einreichen der Fragen beantworten.

Hinter der Veranstaltung in Düsseldorf stehen die AKP und Erdogan, sagt Hüseyin Aydin, Sekretär beim IG Metall Hauptvorstand in Frankfurt. »Sie wollen zwischen den türkischstämmigen Migrantinnen und Migranten polarisieren«, sagt er. Diese Provokation berge enormen Sprengstoff. »Das ist eine Gefahr für das Zusammenleben in Städten und Betrieben«, warnt er. Erdogan versucht, die türkischstämmige Bevölkerung zu instrumentalisieren, um sein angeschlagenes Ansehen in der europäischen Öffentlichkeit zu verbessern, sagt Aydin.

Das wollen die hiesigen Sympathisanten der türkischen Demokratiebewegung nicht hinnehmen. »Wir versuchen, eine Gegenkundgebung zu organisieren, die so vielfältig wie möglich ist«, sagt er. Diese Demonstration wird von der Düsseldorfer Initiative Taksim-Solidarität organisiert, einem Bündnis aus mehr als 30 Gruppen. »Wir wollen den Erdogan-Anhängern zeigen: Ihr dürft hier demonstrieren, aber ihr müsst auch in der Türkei Demonstrationen von anderen erlauben«, sagt Kemal Kiran vom Türkeizentrum Düsseldorf. Das ist nicht die einzige Botschaft, die von der Gegenkundgebung ausgehen soll. »Die Kuschelpolitik mit Erdogan muss aufhören«, sagt Kiran. Das gelte nicht nur für die Bundesregierung, sondern auch für die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen. Die Düsseldorfer Initiative hat sich vor etwa einem Monat gegründet. In ihr – wie in vielen vergleichbaren Bündnissen bundesweit – spiegelt sich ein bisschen das politische Selbstverständnis der Taksimplatz-Bewegung.

Das vertretene Spektrum reicht von alevitischen Organisationen, kurdischen und sozialdemokratischen Gruppen sowie der linksgerichteten Föderation Demokratischer Arbeiterverein (DIDF) bis zu Occupy, Gewerkschaftsmitgliedern und Einzelpersonen. »Es arbeiten Leute zusammen, die bisher noch nie etwas gemeinsam gemacht haben«, sagt Kiran. Das ist auch in Dortmund der Fall. Hier laufen Vorbereitungen für eine Gegenaktion zu einer Pro-Erdogan-Veranstaltung am Samstag.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 3. Juli 2013


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