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Türkei und Armenien auf Entspannungskurs

Aufnahme von Beziehungen beschlossen

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Als historisch und Ende einer Feindschaft, die fast ein Jahrhundert währte, bezeichneten westliche Kommentatoren in ersten Reaktionen die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und die Herstellung gutnachbarlicher Kontakte von Armenien und der Türkei. Entsprechende Protokolle unterzeichneten in der Nacht zu Dienstag (1. Sept.) mit Vermittlung der Schweiz die Außenminister beider Staaten. Spätestens zwei Monate nach deren Inkrafttreten soll auch die gemeinsame Grenze wieder geöffnet werden. Diese hatte die Türkei 1993 geschlossen - aus Solidarität mit dem muslimischen Aserbaidshan, dessen Bevölkerung zudem eng mit den Türken verwandt ist. Unmittelbarer Anlass war die Eskalation des Konflikts um Berg-Karabach, eine von Armeniern bewohnte, aber zu Aserbaidshan gehörende Region, die sich 1988 für unabhängig erklärte. Um einen Korridor in die Exklave zu öffnen, die keine direkten Grenzen zu Armenien hat, besetzten dessen Truppen 1993 aserbaidschanisches Gebiet, das nicht zu Karabach gehört.

Vor allem an Karabach, wo sich Armeniens Schutzmacht Russland um einen Durchbruch bemüht, könnte in letzter Minute auch die Normalisierung der türkisch-armenischen Beziehungen noch scheitern. Denn die Protokolle müssen binnen sechs Wochen von beiden Parlamenten ratifiziert werden. Dazu kommt, dass Aserbaidshan fürchtet, seine Position im Karabach-Konflikt würde durch eine Annäherung Armeniens und der Türkei geschwächt. Als diese sich im Ende April abzeichnete, ging Baku daher auf Distanz zu Ankara. Zur Tagesordnung kehrten beide erst nach Zusagen von Premier Recep Tayyip Erdogan zurück, wonach die Türkei sich nicht auf Kosten Aserbaidschans mit Armenien einigen werde.

Optimisten gehen dennoch davon aus, das die Volksvertreter in Jerewan wie in Ankara diesmal über genügend Verantwortungsbewusstsein und politischen Weitblick verfügen, um die Vorlagen passieren zu lassen.

Die Türkei hat nach einer Beilegung des Konflikts mit Armenien bessere Chancen für konkrete Beitrittsverhandlungen mit der EU und beweist der Union zudem, dass sie dank ihrer Kompetenz in problematischen Randzonen wie dem südlichen Kaukasus und Zentralasien für Europa keine Gefahr sondern ein Zugewinn ist. Armenien, das mangels Alternativen nahezu den gesamten Außenhandel über Iran abwickeln muss, bekommt über die Türkei leichteren Zugang zu europäischen Märkten und wird auch für westliche Investoren interessanter.

Auch die NABUCCO-Pipeline, mit der die EU sich Zugriff auf das Gas der Kaspi-Region unter Umgehung Russlands sichern will, würde, wenn die Leitung statt durch Georgien über Armenien in die Osttürkei verlegt wird, um rund 1000 Kilometer kürzer.

Russland als Machtfaktor in Armenien abschreiben zu wollen, wäre indes selbst nach Erwärmung der Beziehungen zur Türkei zumindest voreilig. Moskau hat die Truppenbasis bei Gümry langfristig gepachtet und dort rund 5000 Soldaten stationiert. Auch Filetstücke der armenischen Wirtschaft gehören staatsnahen russischen Konzernen.

* Aus: Neues Deutschland, 2. September 2009

USA erfreut über Annäherungsschritte von Türkei und Armenien

Die USA begrüßen die Annäherung der Türkei und Armeniens, teilte das Außenministerium mit.

Am Montag (31. Aug.) trafen die Türkei und Armenien auf den Verhandlungen unter Vermittlung der Schweiz eine Vereinbarung über die Aufnahme von inneren politischen Konsultationen, die die Unterzeichnung eines Protokolls über die Herstellung diplomatischer Beziehungen und eines Protokolls über die Entwicklung bilateraler Beziehungen betreffen.

Die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern wurden nach 1993 abgebrochen.

„Die Vereinigten Staaten begrüßen die gemeinsame Erklärung der Türkei und Armeniens, die unter Vermittlung der Schweiz vorbereitet wurde und die weitere Schritte zu einer Normalisierung der bilateralen Beziehungen vorsieht, aufrichtig.

Die Position der USA besteht darin, dass die Beziehungen zwischen diesen Ländern ohne jegliche Vorbedingungen und in vernünftigen Fristen in die Wege geleitet werden müssen.

„Wir rufen Armenien und die Türkei auf, die Arbeit in dieser Richtung zu beschleunigen und sich von den Prinzipien leiten zu lassen, die in den Vereinbarungen festgeschrieben sind“, heißt es in einer Erklärung des Sprechers des US-Außenministeriums Ian Kelly, die am Montagabend verbreitet wurde.

Das Außenministerium verwies auch darauf, dass die USA nach wie vor bereit seien, mit den Regierungen beider Länder bei der Beilegung des Konflikts eng zusammenzuarbeiten.

** Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 1. September 2009




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