Prager Dreier-Koalition am Ende
Auch Korruptionsverdächtige sollen neues Kabinett stützen
Von Jindra Kolar, Prag *
Die Drei-Parteien-Koalition in Prag
wird ihre Arbeit zum 27. April einstellen.
Das ist das Ergebnis eines
Spitzentreffens von Bürgerlichen
Demokraten (ODS), TOP 09 sowie
der Partei der Öffentlichen Angelegenheiten
(VV).
Das Ende der Regierung unter
Petr Nečas (ODS) deutete sich
nach dem innerparteilichen
Streit der VV an. Die Partei um
den früheren Fernsehjournalisten
Radek John war 2010 angetreten,
gegen die Korruption
anzugehen. Und ausgerechnet
sie erwischte es: Am vergangenen
Freitag wurde der VV-Spitzenpolitiker
Vit Barta wegen
Bestechung verurteilt. Enttäuschte
Abgeordnete um Parteivizechefin
Karolina Peake
verließen daraufhin Partei und
Fraktion, um eine eigene Parlamentsgruppe
zu gründen.
Peake erklärte, sie wolle die Regierung
Nečas unterstützen.
Doch die Partner ODS und
TOP 09 verfügen zusammen nur
über 92 der 200 Mandate im
Abgeordnetenhaus. Die emsige
Prager Politikerin müsste wenigstens
neun Abgeordnete
hinter sich bringen, um eine
»gefährdete Mehrheit« von 101
Stimmen für die Regierung zu
sichern.
Kein Wunder also, dass der
Montag von mehr oder minder
hektischen Aktivitäten und
Überzeugungsgesprächen charakterisiert
wurde. Am Nachmittag
meldete Peake dem Regierungschef
Vollzug – sie sei
der Überzeugung, dass sich
zehn Abgeordnete ihrer Gruppe
anschließen würden. Darunter
sollen sich nach Angaben der
Politikerin auch die früheren
ODS-Abgeordneten Pavel Bem
und Michal Doktor befinden.
Dass ausgerechnet Bem zum
Retter der Koalitionsregierung
werden könnte, entbehrt nicht
der Ironie: Im März wurden
Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang
mit seiner früheren
Tätigkeit als Prager Oberbürgermeister
erhoben; bei der
Vergabe öffentlicher Aufträge
soll Bem mit einem bekannten
Lobbyisten gewirtschaftet haben.
Daraufhin forderte man die
Rückgabe seines Abgeordnetenmandats
und den Ausschluss
aus der ODS. Bem kehrte
zwar der Partei den Rücken,
behielt jedoch seinen Parlamentssessel.
Auch ein weiterer
»Überläufer« zur Gruppe Peake,
der bisherige VV-Abgeordnete
Otto Chaloupka, steht unter
Korruptionsverdacht. Die
Justiz eröffnete bereits ein Ermittlungsverfahren.
Die oppositionelle Sozialdemokratie
kritisierte scharf, dass
sich ein weiteres Kabinett Nečas
auf Abgeordnete stütze, die der
Korruption verdächtig sind. Mit
derselben Kritik hatte die CSSD
2009 die Regierung von ODSChef
Mirek Topolanek gestürzt.
In Prag scheint sich seitdem
wenig geändert zu haben, wie
Kritiker immer wieder betonen.
Sollte sich Petr Nečas dazu
entschließen, ab kommender
Woche – bei entsprechender
parlamentarischer Mehrheit –
mit einem neuen Kabinett anzutreten,
könnte dies eine
schwierige Phase seiner Regentschaft
werden.
* Aus: neues deutschland, Dienstag, 24. April 2012
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