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Kein linkes Ding: Sorgfalt und Geschwindigkeit

Thailand kauft deutsche U-Boote, Bundeswehrreform in vollem Gange, Linksfraktion ringt weiter um Alternativkonzept

René Heilig *

»Im Unterschied zu anderen Parteien hält die LINKE eine Welt für möglich, in der Konflikte friedlich und mit zivilen Mitteln ausgetragen werden«. So heißt es in einem Zehn-Punkte-Konzept der Linkspartei wider vorherrschende Leitlinien zur Bundeswehrreform. Doch offenbar hatte man vergessen, den Konsens zur gestrigen Abstimmung einzuladen. Während sich die Linken erneut vertagten, schafft die Regierung Tatsachen.

Man mag einwenden, die Sache mit einem eigenen Standpunkt zur Bundeswehrreform habe Zeit. Schließlich geht für Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) auch »Sorgfalt vor Geschwindigkeit«. Doch wohin die Reform geht, das ist längst entschieden und auch kein Geheimnis für ihre Gegner. Allenfalls das Wie und die Frage von Standortschließung sind noch in der Debatte.

In allen Teilstreitkräften werden derweil Voraussetzungen geschaffen, damit genau das eintreten kann, was in dem gestern zum zweiten Mal in der Linksfraktion zur Abstimmung vorgelegten Papier der »Arbeitsgemeinschaft Bundeswehr« so beschrieben wird: »Das Verteidigungsministerium will die Bundeswehr zwar schlanker, aber zugleich schlagkräftiger machen. Der Abbau des bürokratischen Wasserkopfs, die Rationalisierung des Beschaffungswesens, die Reduzierung des Personals – nicht zuletzt durch die Aussetzung der Wehrpflicht – sollen dazu genutzt werden, den weiteren Umbau der Bundeswehr zu einer noch effektiveren globalen Einsatzarmee voranzutreiben. Diese Einsatzarmee soll entsprechend der neuen NATO-Strategie auch offen für Wirtschaftskriege eingesetzt werden. Militäreinsätze zur Durchsetzung von Wirtschaftsinteressen und der Sicherung von Rohstoffquellen sind grundgesetzwidrig. Ihnen muss eine klare Absage erteilt werden.«

Sollte eine in Sachen Antimilitarismus ernst zu nehmende und im Bundestag einzige Opposition nicht »Sorgfalt« und »Geschwindigkeit« entfalten, um ein Angebot zum Widerstand gegen die Militärreform zu machen? Klar ist, die Bundeswehr wird kleiner – vielleicht kommt man sogar mit 160 000 Soldaten aus. Die jedoch werden besser gedrillt, geführt und ausgerüstet sein. Sie brauchen weniger Panzer und weniger schweres Gerät, weniger Marineflieger, weniger Fregatten, weniger U-Boote.

Beispiel U-Boote. Es lässt erkennen, wie komplex die Bundeswehrreform bereits seit Monaten – für die Öffentlichkeit kaum merklich – vorangetrieben wird. Oft genug am Parlament vorbei.

Nach ursprünglicher Planung sollten die deutschen U-Boote der 206er-Klasse erst bis 2015 außer Dienst gestellt werden. Man zog den Termin vor und nahm alle noch betriebenen Tauchfahrzeuge bereits im Juni 2010 aus der Fahrt. Damit einher geht die Bündelung finanzieller und personeller Ressourcen, um die operationelle Verfügbarkeit der moderneren Klasse 212 A zu erhöhen. Zwischen 2012 und 2013 werden zwei weitere Boote dieses Typs in Dienst gestellt. Spätestens ab 2014 stehen also sechs moderne U-Boote für laufende und noch kommende globale Einsätze zur Verfügung. Für die werden – wie für Fregatten – Wechselbesatzungen zusammengestellt. So bleiben die Waffensysteme weit weg von deutschen Küsten länger im Einsatz. Man nennt das Effizienzgewinn.

Und was geschieht mit den ausgemusterten Booten, die dem Vernehmen nach in einem Top-Zustand sind? Sie werden »aufgemotzt«, um anderenorts für eine Verschiebung bestehender militärpolitischer Balance zu sorgen. Thailand wird für sechs 206er U-Boote rund 180 Millionen Euro ausgeben. Die Regierung in Bangkok will damit Malaysia imponieren, dessen Marine nur zwei U-Boote hat. Singapur hat vier und Vietnam ist gerade dabei, seine drei U-Boote durch weitere sechs russische Boote zu ergänzen. Ein Zugewinn an Sicherheit für diesen asiatischen Raum sind die deutschen Boote mit Sicherheit nicht. Nebenbei erwirtschaftet das Verteidigungsministerium durch Rüstungsexport zusätzliche Mittel für die Bundeswehrreform. Nicht nur mit U-Booten.

Dem Vernehmen nach will die Linksfraktion das Konzept zur Halbierung der Streitkräfte, deren defensiven Ausrichtung und zur Beendigung der Auslandseinsätze in zwei Wochen erneut zur internen Abstimmung bringen. Aller guten Dinge sind drei – sagt man.

* Aus: Neues Deutschland, 11. Mai 2011


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