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Keine Stimme

Berlin verbietet in BRD lebenden Syrern Teilnahme an Präsidentschaftswahl

Von Karin Leukefeld *

In Deutschland lebende Syrer sollen sich nicht an der für den 3. Juni geplanten Präsidentschaftswahl in ihrem Land beteiligen dürfen. Medienberichten zufolge will die Bundesregierung verhindern, daß Wahlberechtigte in der syrischen Botschaft in Berlin oder in anderen syrischen diplomatischen Einrichtungen ihre Stimme für einen der drei nominierten Präsidentschaftskandidaten abgeben können. Das sollte am 28. Mai und damit einige Tage vor dem eigentlichen Wahltermin möglich sein.

Die syrische Verfassung sieht Präsidentschaftswahlen alle sieben Jahre vor. Ende April kündigte der amtierende Präsident Baschar Al-Assad an, sich um eine Wiederwahl zu bewerben. Er hat zwei Konkurrenten: Maher Abdul Hafis Hadschar, ein ehemaliges Mitglied der Syrischen Kommunistischen Partei, sowie Hassan Abdullah Al-Nuri, der frühere Vorsitzende der Handelskammer. Nach den Bestimmungen des Wahlgesetzes müssen die Kandidaten die letzten zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Oppositionelle, die aus dem Ausland einen Sturz der Regierung in Damaskus erwirken wollen, sind damit ausgeschlossen. Vertreter der innersyrischen Opposition deuteten gegenüber jW an, die Wahlen boykottieren zu wollen. Die anhaltenden Kämpfe und die große Zahl syrischer Flüchtlinge machten faire Wahlen unmöglich, so ihre Kritik.

Das Außenministerium in Damaskus hatte am Montag mit scharfer Kritik auf die Entscheidung aus Berlin reagiert, hier lebenden Syrern die Teilnahme an der Abstimmung zu untersagen. Deutschland habe sich in den Chor der Länder eingereiht, die die Präsidentschaftswahlen in Syrien verhindern wollten, hieß es in einer Stellungnahme. Berlin mache sich gemein mit denjenigen, die »bewaffnete terroristische Gruppen unterstützen, finanzieren und bewaffnen«, um das Land zu zerstören und den Syrern das Recht auf »souveräne nationale Entscheidungen« zu nehmen.

Das Auswärtige Amt in Berlin begründete das Verbot am Dienstag gegenüber jW damit, daß es sich aus Sicht der Bundesregierung um keine demokratisch legitimierte Wahl handele. Deshalb stimme man der Durchführung der Abstimmung auf dem Territorium der Bundesrepublik, wie sie durch das Wiener Abkommen über konsularische Beziehungen von 1963 geregelt wird, nicht zu.

Berlin und Paris gehören der Gruppe der »Freunde Syriens« an, die unter Führung der USA und in Zusammenarbeit mit der Türkei und den Golfstaaten ihr Vorgehen in der Syrienkrise koordinieren. Die »Freunde Syriens« erkennen ausschließlich die oppositionelle »Nationale Koalition« (Etilaf) als »legitime Vertretung Syriens« an. Sie hat ihren Sitz in Istanbul und lenkt Kampfverbände in Syrien. Über Einsatzzentralen in der jordanischen Hauptstadt Amman und im türkischen Grenzgebiet werden die Truppen von Geheimdienstoffizieren der »Freunde Syriens« ausgebildet, bewaffnet, finanziert und mit Aufklärungsdaten versorgt. Ein »Wiederaufbaufonds« soll die Etilaf mit Geld für humanitäre Hilfe und Wiederaufbau in den von dieser »kontrollierten« Gebieten versorgen. Der Fonds ist bei der Bank für Wiederaufbau in Berlin angesiedelt und wird von der Bundesregierung sowie von den Vereinigten Arabischen Emiraten betreut. Etilaf unterhält in Berlin ein Verbindungsbüro, das mit Mitteln des Auswärtigen Amtes gefördert wird. In Washington wurde die Vertretung der »Nationalen Koalition« kürzlich in den Status einer offiziellen diplomatischen Vertretung Syriens erhoben. Die bisherige Botschaft Syriens in den USA wurde geschlossen.

Der Präsident der »Nationalen Koalition«, Ahmed Dscharba, beendete am Wochenende eine einwöchige Reise nach Washington. Im Zentrum der Gespräche standen die weitere finanzielle Unterstützung und Waffenlieferungen für die bewaffneten Gruppen in Syrien. Der Vorsitzende des Verteidigungskomitees im Senat, Carl Levin, forderte Dscharba auf, eine »Wunschliste für Waffenlieferungen« einzureichen. Diese soll in den zuständigen Komitees und mit Geheimdiensten beraten werden, damit Verbündete der USA in der Region die gewünschten Waffen liefern dürfen.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 14. Mai 2014


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