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Friedensvorschlag

Ägypten und Russland wollen Dialog in Syrien. USA und Golfstaaten setzen weiter auf Krieg. UN stellen Nahrungshilfe ein

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Der ägyptische Außenminister Sameh Schukri hat sich mit Nachdruck für eine politische Lösung in Syrien ausgesprochen. Die Einheit des Landes müsse erhalten bleiben, sagte Schukri am Mittwoch bei einem Treffen des Arabisch-Russischen Kooperationsforums in Khartum. Er appellierte an die »internationale Gemeinschaft«, den Wunsch aller Syrer ernst zu nehmen und »praktische Vorschläge und Ideen« auf ihre Umsetzung zu prüfen. Den Konflikt mit einer weiteren Militarisierung lösen zu wollen sei eine Illusion, für die »unschuldige Zivilisten« den Preis bezahlen müssten.

Ägypten engagiert sich aktuell mit Russland und dem Büro des UN-Vermittlers für Syrien, Staffan de Mistura, für die Wiederaufnahme eines Dialogs zwischen Vertretern der syrischen Opposition in und außerhalb des Landes und der syrischen Regierung. Die USA und die mit ihr verbündeten Golfstaaten engagieren sich derweil für die weitere Bewaffnung und Ausbildung von Kämpfern in der Türkei und Saudi-Arabien. Diese Truppe, die nach Auskunft von US-Verteidigungsminister Charles Hagel bis zu 15.000 Mann umfassen müsste, soll in Syrien sowohl gegen den selbsternannten »Islamischen Staat« (IS) als auch gegen die syrische Armee und politische Führung um Präsident Baschar Al-Assad kämpfen.

De Mistura erneuerte derweil seinen Aufruf, alle Kräfte darauf zu konzentrieren, in der nordsyrischen Stadt Aleppo ein exemplarisches »Einfrieren« der Kämpfe zu erreichen. Alle Seiten müssten ihn aktiv dabei unterstützen, sagte de Mistura bei einer Sitzung der UNESCO in Paris. Die UNESCO befasste sich zum wiederholten Mal mit der Gefährdung der irakischen und syrischen Kunst- und Kulturgüter durch den Krieg und das Plündern historischer Stätten.

Die US-Administration hat derweil ihre Entschlossenheit betont, den IS in Syrien und im Irak zu vernichten. US-Außenminister John Kerry sagte bei einem Außenministertreffen von 60 Staaten am NATO-Sitz in Brüssel, man werde sich »solange engagieren, wie es nötig ist«. Der Kampf könne Jahre dauern. Eine Flugverbotszone entlang der türkisch-syrischen Grenze, wie sie von der Türkei, Frankreich und den von diesen Staaten unterstützten oppositionellen Gruppen gefordert wird, schloss Kerry allerdings erneut aus. US-Angaben, wonach in den vergangenen Tagen auch iranische »F4«-Kampfjets Angriffe auf IS-Stellungen im irakisch-iranischen Grenzgebiet geflogen haben sollen, wurden von Teheran nicht bestätigt.

Das UN-Welternährungsprogramm (WFP) hat derweil erklärt, seine Nahrungsmittelhilfe für 1,7 Millionen Flüchtlinge in Syrien und in den Nachbarländern Irak, Türkei, Libanon, Jordanien sowie in Ägypten einstellen zu müssen, weil die Geberstaaten ihre finanziellen Zusagen nicht einhielten. Den UN fehlen nach eigenen Angaben umgerechnet 52 Millionen Euro. »Insbesondere die Golfstaaten« könnten mehr tun, sagte der WFP-Koordinator für Deutschland, Ralf Südhoff, der ARD. Am Rande der NATO-Konferenz in Brüssel erklärte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, die Bundesregierung werde weitere 40 Millionen Euro an humanitärer Hilfe für die syrischen Flüchtlinge überweisen. Das WFP erhält davon 15 Millionen Euro für Nahrungsmittelprogramme in Syrien, Jordanien und in der Türkei. 25 Millionen Euro werden für »Winterhilfe, Polio-Impfkampagnen und weitere Nothilfemaßnahmen« der UNO sowie des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz überwiesen. Im Jahr 2014 hat Berlin damit 162 Millionen Euro für die Flüchtlinge bezahlt.

Gegenüber den Kriegskosten ist das allerdings eine kleine Summe. Das Pentagon geht davon aus, dass die Angriffe der »Anti-IS-Koalition« seit dem 8. August 2014 täglich mit rund zehn Millionen US-Dollar (8,1 Millionen Euro) zu Buche schlagen. Allein beim ersten Angriff auf Syrien Ende September, hatte die US-Armee 47 »Tomahawk«-Raketen abgefeuert. Eine Rakete kostet mehr als eine Million US-Dollar. Im Magazin The New Yorker war kürzlich zu lesen, dass der Einsatz eines »B-1«-Bombers pro Stunde 58.000 US-Dollar und der eines »F-15«-Kampfjets stündlich mehr als 39.000 US-Dollar kostet. Das Internetnachrichtenportal The Intercept schlussfolgerte, dass die Kosten für einen Tag des Kriegs in Syrien und im Irak ausreichen würden, um Millionen Flüchtlinge zu versorgen.

* Aus: junge Welt, Freitag, 5. Dezember 2014


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