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Iran schickt Truppen

Tausende Kämpfer sollen Syrien bei der Zurückschlagung der Offensive regierungsfeindlicher Milizen helfen

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Zur Unterstützung der syrischen Streitkräfte hat der Iran die bereits in Syrien stationierten Milizen um mehrere tausend Mann aufgestockt. Sie sollen die Kampfgruppen, die im Auftrag der Türkei, Saudi-Arabiens und Katars seit März 2015 eine Offensive gegen Syrien führen, zurückschlagen. Der Krieg in Syrien ist damit offen zu einem regionalen und internationalen Stellvertreterkrieg geworden.

Westliche Medien berichteten seit Dienstag darüber, dass bis zu 15.000 Kämpfer nach Syrien gekommen seien, um an der Seite der syrischen Armee und von Hisbollah die Offensiven der Nusra-Front und des »Islamischen Staats« (IS) zurückzuschlagen.

Die Meldungen gehen zurück auf einen Bericht, den die libanesische Tageszeitung As Safir bereits am Montag veröffentlicht hatte. Die neuen Milizen seien demnach Kämpfer aus Iran, Irak, Afghanistan und dem Libanon. Etwa 7.000 sollen im Umland von Damaskus stationiert worden sein, bestätigte As Safir gegenüber jW. Weitere Kampfgruppen seien in der Provinz Lattakia und Idlib, voraussichtlich um Dschisr Al-Schughur zu befreien. Der Ort liegt nahe an der Grenze zur Türkei und war im März von der Nusra-Front und einer »Armee der Eroberung« eingenommen worden. Ziel der von Iran geführten Kampfverbände sei es, der Nusra-Front und der »Armee der Eroberung« die Kontrolle über die Provinz Idlib abzunehmen. Im Umland von Damaskus könnte der Vorort Dschobar Ziel einer Offensive der iranischen Milizen sein, wo die von Saudi-Arabien unterstützte »Islamische Front« ihre Basis hat.

Der Kommandeur der iranischen Elitetruppe Al-Quds, General Qasem Soleimani sei in der Region, um die Militäroperation vorzubereiten, so As Safir. Die iranische Nachrichtenagentur IRNA zitierte General Soleimani am Dienstag mit den Worten, »die Welt wird sich wundern, was wir und die syrische Militärführung für die kommenden Tage vorbereiten«.

Das massive Eingreifen des Irans in Syrien war offenbar bei einem Besuch des syrischen Verteidigungsministers General Fahad Jassim Al-Freij in Teheran Anfang April besprochen und von Präsident Baschar Al-Assad bewilligt worden. Bisher hatte Teheran die syrische Armee vor allem im Bereich der Aufklärung und mit Militärberatern unterstützt. Kleinere Gruppen von Milizen des Irans hatten neben der Hisbollah seit Monaten schon an deren Seite gekämpft.

Damaskus hat den USA wiederholt vorgeworfen, hinter den Kampfverbänden zu stehen, die völkerrechtswidrig aus Jordanien und Irak nach Syrien eindringen. Auch die Angriffe der »Anti-IS-Allianz« seien nutzlos, hieß es in syrischen Regierungskreisen. Der stellvertretende US-Außenminister Tony Blinken hatte in Paris auf die massive Kritik aus dem Irak an den US-Luftschlägen gegen den IS mit der Behauptung reagiert, dass bei den neunmonatigen Angriffen bisher 10.000 IS-Kämpfer getötet worden seien. Das US-Pentagon hatte zuvor die Angabe von Zahlen stets als »irrelevant« für das militärische Ziel bezeichnet.

Die USA werfen derweil der syrischen Regierung vor, dem IS im Umland von Aleppo den Vormarsch auf den strategisch wichtigen Ort Asas nahe der Grenze zur Türkei ermöglicht zu haben. US-Sicherheitskräfte sollen aus der offiziell geschlossenen US-Botschaft in Damaskus unter Berufung auf »Oppositionelle« in Aleppo diese Meldungen an Washington weitergeleitet haben. Der Vorgang wurde auf der Tagespressekonferenz des US-Außenministeriums am Dienstag bestätigt. Gleichwohl wurde eingeräumt, dass es derzeit schwierig sei, die Angaben unabhängig zu verifizieren.

Die Grenzstadt Asas ist ein wichtiger Knotenpunkt für die Nusra-Front und andere in Aleppo operierende Kampfverbände, um den Nachschub an Waffen, Munition, Kämpfern und Verpflegung aus der Türkei und umgekehrt den Transport von Verletzten in die Türkei zu gewährleisten. Nusra-Front und IS sind aus dem Al-Qaida Ableger im Irak entstanden, der nach der US-Invasion 2003 dort aufgetaucht war. Das Verhältnis der beiden international als Terrororganisationen gelisteten Gruppen ist widersprüchlich. Im Kalamun-Gebirge zwischen Syrien und Libanon kooperieren sie ebenso wie auf dem syrischen Golan. In Aleppo hingegen haben sich beide Verbände wiederholt schwere Gefechte geliefert.

* Aus: junge Welt, Freitag, 5. Juni 2015


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