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Schritt zum Frieden?

Rußland und USA schlagen regionale Waffenstillstandszonen in Syrien vor. Teilnahme des Iran an Montreux-Konferenz weiter offen

Von Karin Leukefeld *

Die Außenminister Rußlands und der USA, Sergej Lawrow und John Kerry, haben nach einem Treffen mit dem Syrien-Sondervermittler der UN, Lakhdar Brahimi, in Paris am Montag neue Vorschläge für ein Ende des Krieges in Syrien vorgelegt. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz hieß es, daß »vertrauensbildende Maßnahmen« wie ein Gefangenenaustausch und lokale Waffenstillstände eingeleitet werden sollten. Konkret nannte Kerry die nordsyrische Stadt Aleppo. Nach seinen Angaben stellten bewaffnete Gruppen, aber auch die Regierung bereits Listen für einen Gefangenenaustausch auf.

Die Politiker forderten außerdem die Lieferung humanitärer Hilfe in »einige Gebiete Syriens, die unter Belagerung« seien. Kerry nannte die östlichen Vorstädte von Damaskus (Ghouta). Lawrow erklärte, man verhandle mit den syrischen Streitkräften, um den Durchlaß von Hilfsgütern zu erreichen. Allerdings seien es oft die Kampfverbände, die Transporte verhinderten. Mindestens 32 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen seien getötet worden, das Schicksal von vier im Oktober 2013 in der Provinz Idlib entführten Mitarbeitern des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) sei weiterhin unklar.

IKRK-Präsident Peter Maurer beendete am Montag einen dreitägigen Besuch in Damaskus, wo er Flüchtlinge besuchte und die Arbeit der freiwilligen Helfer würdigte. Bei Treffen mit hochrangigen syrischen Politikern mahnte Maurer, daß Hilfslieferungen ungehindert durchgelassen werden müßten. Er erinnerte eindringlich an eine 2012 mit der syrischen Regierung getroffene Vereinbarung, wonach das IKRK Häftlinge in allen Gefängnissen ungehindert besuchen kann.

Widersprüchliche Signale gab es am Montag zur Teilnahme des Iran an der Friedenskonferenz, die am 22. Januar im schweizerischen Montreux beginnen soll. Kerry erklärte, der Iran könne teilnehmen, wenn er die Notwendigkeit einer Übergangsregierung und von Neuwahlen in Syrien anerkenne. Der iranische Außenminister Dschawad Sarif sagte dazu in Beirut, sein Land sei zu einer Teilnahme an der Konferenz bereit, allerdings »ohne Vorbedingungen«. Sarif wird Mitte der Woche in Damaskus erwartet. Brahimi kommentierte: Die Teilnahme des Iran sei »nicht eine Frage der Ideologie, sondern eine Frage des gesunden Menschenverstandes«. Ähnlich hatte sich der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier vor einem Treffen der elf Kernstaaten der »Freunde Syriens« geäußert, die am Sonntag zusammengekommen waren.

Die Kämpfe zwischen verschiedenen Verbänden im Norden Syriens hielten am Montag an. Unbestätigten Berichten zufolge könnten in den letzten Tagen bis zu 700 Kämpfer getötet worden sein. Die »Islamische Front«, die nach der weitgehenden Auflösung der »Freien Syrischen Armee« offenbar mit Unterstützung westlicher und arabischer Geheimdienste agiert, soll demnach die Kämpfer der Gruppe »Islamischer Staat im Irak und in Syrien« (ISIS) aus vielen Gebieten in Idlib und Aleppo vertrieben haben. Allerdings eroberte ISIS am Montag laut Agenturmeldungen einige Orte zurück. Der Westen betrachtet ISIS als Gruppe der Al-Qaida. Die Nusra Front, die ebenfalls aus Syrien einen islamischen Staat machen will, scheint noch unentschieden, auf welcher Seite des Kampfes sie eingreifen soll. Politische Beobachter führen das plötzliche Engagement der Kampfverbände gegen ISIS darauf zurück, daß sie vor Beginn der Syrien-Konferenz ihren Geldgebern ihre Fähigkeiten in »Anti-Terror-Einsätzen« demonstrieren wollen. Es geht vor allem um Geld von den Sponsoren in den arabischen Golfstaaten.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 14. Januar 2014


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