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Damaskus gesprächsbereit

UN-Vermittler de Mistura fordert Wiederbelebung des »innersyrischen Dialogs«. Erneut Gefechte in Aleppo, Daraa und auf Golan

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Der syrische Präsident Baschar Al-Assad hat sich gegenüber einer russischen Parlamentsdelegation dankbar für die anhaltende Unterstützung Moskaus geäußert. Gegen die Staaten, die den Terror unterstützten, müsse »richtiger Druck« ausgeübt werden, damit die »Finanzierung, Bewaffnung und die Hilfe bei den Taten der Terroristen« gestoppt werde, sagte er bei einem Treffen am Sonntag. Namentlich nannte Al-Assad syrischen Medienberichten zufolge westliche Staaten, die Türkei, Katar und Saudi-Arabien.

Russland bereitet derzeit in Zusammenarbeit mit Ägypten und dem Büro des UN-Sondervermittlers für Syrien, Staffan de Mistura, eine neue Gesprächsrunde zwischen der Opposition und der syrischen Regierung in Moskau vor. Der syrische Außenminister Walid Al-Muallem wird am heutigen Mittwoch in Moskau erwartet. Neben Verhandlungen über eine Reihe von Abkommen im wirtschaftlichen und Bildungsbereich steht der Dialog zwischen Regierung und Opposition ganz oben auf der Agenda des Treffens zwischen Muallem und seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow.

Nach Vorschlägen von UN-Vermittler de Mistura solle »der innersyrische Dialog wiederbelebt werden«, sagte Außenamtssprecher Alexander Lukaschewitsch. Es gehe darum, »alle syrischen Kräfte im Kampf gegen terroristische Organisationen in Syrien und im Mittleren Osten zu vereinen«. Vertreter der innersyrischen und gewaltfreien Opposition sowie Moas Al-Chatib, der ehemalige Vorsitzende der oppositionellen Nationalen Koalition (Etilaf), haben sich zu den Gesprächen bereit erklärt.

Der stellvertretende russische Außenminister und Sonderbeauftragte des russischen Präsidenten für den Mittleren Osten, Michail Bogdanow, kritisierte am Montag laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax erneut die Angriffe der von den USA geführten »Koalition« gegen die Dschihadistenmilizen des »Islamischen Staates« (IS) in Syrien als völkerrechtswidrig. Die Haltung Washingtons, mit der irakischen Regierung zu kooperieren, mit der syrischen Regierung aber nicht, sei »destruktiv«. Außenminister Lawrow schloss zudem aus, dass Russland sich der »Koalition« anschliessen werde, weil sie nicht vom UN-Sicherheitsrat autorisiert sei.

Die Kämpfe in Syrien konzentrieren sich derweil auf die Stadt und den Landkreis Aleppo, auf die südliche Provinz Daraa und den Golan. Ein Abzug von 14.000 Kämpfern der oppositionellen »Freien Syrischen Armee« aus Aleppo kann aus Damaskus nicht bestätigt werden. Aus Sicherheitskreisen war indirekt zu erfahren, dass es Gespräche zwischen der offiziellen syrischen Armee und Kampfverbänden in Aleppo gibt. Einzelheiten sind aber nicht bekannt. Aus der Provinz Idlib sollen sich 1.400 Kämpfer in die Türkei zurückgezogen haben. Die Al-Nusra-Front startete gleichzeitig neue Angriffe auf zwei Dörfer in der Umgebung von Afrin, die von Schiiten bewohnt und seit fast zwei Jahren von Kampfverbänden belagert werden.

Aktuell gibt es mehr als 40 lokale Waffenstillstände und Vereinbarungen, die die syrische Regierung weiter ausbauen will. Ein nationales Versöhnungskomitee arbeitet dafür auf der Basis eines »Gesetzes zur Aussöhnung der Bürger«, das in Algerien den elfjährigen Krieg (1988-1999) zwischen der Regierung und der »Islamischen Heilsfront« beendet hatte. Dem staatlichen Komitee gehören neben fünf Ministern und den Gouverneuren von Homs, Damaskus, Damaskus-Landkreis und Daraa 30 Parlamentsabgeordnete aus allen Provinzen an.

Kritik an der staatlichen Initiative gibt es von der oppositionellen Gruppe »Den Syrischen Staat aufbauen« (BSS). Um Syrien zu retten, sei es erforderlich, alle Syrer zusammenzubringen, sagte BSS-Vertreter Anas Judeh im Gespräch mit der Autorin. Die Organisation versucht seit Wochen, Syrer von Opposition und Regierung in einer nationalen Plattform zusammenzuführen und eine klare Position gegen den IS und andere bewaffnete Terrorgruppierungen einzunehmen.

Der BSS-Vorsitzende Louay Hussein, der vor zwei Wochen festgenommen worden ist, befindet sich weiter in Haft, teilte sein Anwalt mit. Hussein, der für seine scharfe Kritik bekannt ist, wird die »Verletzung des syrischen Nationalgefühls« vorgeworfen. Von seiten der Organisation war zu hören, dass die Festnahme möglicherweise eine Teilnahme von Hussein an den Gesprächen in Moskau verhindern sollte. Gespräche des BSS-Vorstandes mit hochrangigen Vertretern der russischen und iranischen Botschaften hätten deutlich gemacht, dass beide Regierungen die Festnahme bedauern. Sie könnten sich aber nicht in »interne juristische Verfahren in Syrien« einmischen.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 26. November 2014


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