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Den Krieg verlängern

USA und Türkei wollen "moderate syrische Rebellen" ausbilden und bewaffnen. Bundeswehr ein weiteres Jahr im türkischen "Patriot"-Einsatz

Von Karin Leukefeld *

Die USA und die Türkei stehen offenbar kurz vor dem Abschluss eines neuen Militärabkommens. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete unter Berufung auf einen Mitarbeiter des türkischen Außenministeriums, das Abkommen betreffe die Ausrüstung und Ausbildung sogenannter moderater syrischer Rebellen in der Türkei. Es sei »Teil der US-Anstrengungen, den Terror zu bekämpfen« und werde voraussichtlich im März beginnen. Gleichzeitig sollen ähnliche Schulungssprogramme in Jordanien und Saudi-Arabien starten. Ziel sei es, bis zu 15.000 Kämpfer im Laufe der kommenden drei Jahre auszubilden. Unterstützt werde das Trainig von einer »begrenzten Zahl« von US-Soldaten auf einer Militärbasis in Kirsehir, südöstlich von Ankara.

Bereits im November letzten Jahres hatte Großbritannien erklärt, es werde »einen signifikanten Beitrag« für das Ausbildungsprogramm leisten. Ziel der Kämpfer müsse sein, sowohl den Islamischen Staat (IS) als auch die syrische Armee zu besiegen. Man wolle »der Opposition helfen, Sicherheit und eine Regierung zu etablieren«, sagte Außenminister Philip Hammond.

Die US-türkische Vereinbarung für eine langfristige Schulung »moderater« Kämpfer deutet darauf hin, dass weder die Türkei noch die USA derzeit ernsthafte Anstrengungen für eine Einstellung des Krieges in Syrien unternehmen. Beide Staaten sind zentrale Pfeiler der NATO. Ankara lässt Waffenlieferungen und die Passage ausländischer Kämpfer über die türkisch-syrische Grenze ebenso zu, wie deren Rückzug für medizinische Behandlung in türkischen Krankenhäusern. Auch sogenannte Rückkehrer in ihre europäischen Herkunftsländer können passieren.

Die türkische Regierung will sich dem internationalen »Antiterrorbündnis« in Irak und Syrien erst dann anschließen, wenn dieses auch gegen die syrischen Streitkräfte vorrückt. Das Ausbildungsabkommen könnte ein Kompromiss in diesem Streit sein. Die Bundeswehr hat derweil den Einsatz von 250 Soldaten einer »Patriot«-Luftabwehrraketenstaffel im Südosten der Türkei um ein weiteres Jahr verlängert. Ursprüngliches Ziel war, mögliche Raketenangriffe aus Syrien auf den NATO-Partner Türkei abzuwehren.

Die sogenannten moderaten Rebellen sollen der Nationalen Koalition (Etilaf) unterstellt werden. Dieses Gremium wurde 2012 von den selbsternannten »Freunden Syriens« (USA, Frankreich, Großbritannien, Deutschland und verschiedene Golfstaaten) als »legitime Vertretung des syrischen Volkes« auserwählt, einen »Regime change« zu realisieren.

Am vergangenen Wochenende hat das Gremium in Istanbul einen neuen Präsidenten gewählt. Das Rennen machte knapp der in der Türkei lebende Khaled Khajo. Der ursprünglich aus Damaskus stammende Khajo lebt seit 29 Jahren in der Türkei, gehört der turkmenischen Minderheit an und soll über gute Beziehungen zur türkischen Regierung verfügen. Von 104 abgegebenen Stimmen erhielt Khajo 56. Nach seiner Wahl erklärte er, die Koalition lehne eine Beteiligung an den für Ende Januar in Moskau geplanten innersyrischen Gesprächen über eine Beilegung des Konflikts ab. Die Gesprächsinitiative geht von Russland und Ägypten aus und wird von dem UN-Sondervermittler für Syrien, Staffan De Mistura, unterstützt.

Das UN-Kinderhilfswerk (UNICEF) hat derweil am Dienstag einen Bericht veröffentlicht, wonach rund 670.000 Kinder in Syrien vom IS daran gehindert werden, in die Schule zu gehen. Der IS soll demnach die Schließung der Schulen in Rakka, Deir Ezzor und in Gebieten der Provinz Aleppo angeordnet haben, bis ein neues Curriculum fertig sei, das der mittelalterlichen Interpretation der Scharia entspricht. Lehrer sollen umerzogen werden.

* Aus: junge Welt, Freitag, 9. Januar 2015


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