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Terrorhilfe von der UCK

Syrische Aufständische vereinbaren mit ehemaliger kosovo-albanischer Untergrundgruppe Ausbildung und Training – und Kriegs-PR

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Einem Bericht des russischen Nachrichtensenders Russia Today zufolge haben sich syrische Aufständische mit der früheren kosovo-albanischen Untergrundgruppe UCK auf Ausbildungshilfe im Partisanenkrieg verständigt. Die Nachrichtenagentur AP berichtete unter Berufung auf Ammar Abdulhamid, einen syrischen Menschenrechtsaktivisten, daß eine Gruppe von syrischen Oppositionellen am 26. April auf dem Rückweg von den USA in Pristina zwischengelandet sei, um sich auf Ausbildung und Training zu verständigen. Sie seien gekommen, »um zu lernen«, erklärte Ammar Abdulhamid, der Syrien 2005 verlassen hatte, in die USA gegangen war und dort als Menschenrechtsaktivist die syrische Auslandsopposition unterstützte. »Kosovo ist seinen Weg gegangen und hat Erfahrungen, die für uns sehr nützlich sind«, sagte Abdulhamid dem AP-Reporter. Was ihn und seine Gruppe besonders interessiere sei, »wie vereinzelte bewaffnete Gruppen schließlich zur UCK zusammengefaßt und organisiert wurden«. Diese Aussage scheint zu belegen, daß die selbsternannte »Freie Syrische Armee« (FSA) nicht wirklich ist, was sie vorgibt zu sein. Beobachter der bewaffneten Gruppen in Syrien gehen davon aus, daß es eine Vielzahl von bewaffneten Gruppen gibt, die untereinander wenig vernetzt sind und nicht auf ein Kommando hören. Der AP-Bericht stellte fest, daß »die Terrortaktik, die die Militanten (in Syrien) anwenden« zwar Militär- und Regierungsvertreter töteten, sie seien aber nicht in der Lage, »Positionen gegen die reguläre Armee zu halten«. Ein ausländischer Diplomat in Damaskus bezeichnete im Gespräch mit junge Welt die FSA als »ein Markenzeichen«, unter dem sich alles mögliche sammele.

Kosovo anerkennen

Zum Dank für die militärische Fortbildung und Zusammenarbeit haben syrische Oppositionelle bereits angekündigt, den Kosovo anzuerkennen, sollten sie nach dem Sturz von Präsident Baschar Al-Assad die Führung Syriens übernehmen. Die zu Serbien gehörende Provinz Kosovo hat sich im Jahr 2008 einseitig für unabhängig erklärt und ist bisher von 88 Staaten anerkannt, darunter führende westliche und NATO-Mitgliedsstaaten wie die USA, England, Frankreich und Deutschland sowie Jordanien, Saudi-Arabien und Katar.

In einem Trainingslager an der Grenze zu Albanien, das ursprünglich von der USA dort eingerichtet worden war, um die UCK auszubilden, seien die syrischen Teilnehmer freundlich aufgenommen worden, hieß es in dem AP-Bericht. Bis Anfang 1998 stand die UCK auf der Liste terroristischer Organisationen in den USA, Großbritannien und Frankreich. Geheimdienstberichten zufolge sollen Kontakte zu Al-Qaida bestehen, die mit Waffen und Ausbildungshilfe der UCK zur Seite stand. Angeblich sollen Al-Qaida-Kämpfer auch aktiv in den Reihen der UCK gekämpft haben. Menschenrechtsgruppen warfen der Gruppe vor, Minderjährige einzusetzen. Die Ausbildung syrischer Aufständischer im Kosovo deutet darauf hin, daß wie im ehemaligen Jugoslawien auch Syrien an seinen sensiblen konfessionellen und ethnischen Verbindungsstellen auseinandergebrochen werden soll.

Nachdem die reguläre syrische Armee die bewaffneten Gruppen aus den meisten Städten und von den Grenzen zu Jordanien, Libanon und der Türkei zurückdrängen konnte, haben Saudi-Arabien und Katar offen Unterstützung für eine bessere Bewaffnung und Ausbildung der Assad-Gegner angekündigt. Auch US-Senator Joe Liebermann fordert deren Bewaffnung. Der ehemalige US-Präsidentschaftskandidat Senator John McCain tritt für ein militärisches Eingreifen der USA in Syrien ein, ob mit oder ohne UN-Mandat.

Positives Image

Benjamin Schett, Autor der internationalen Webseite Global Research, geht allerdings nicht davon aus, daß die syrischen Oppositionellen bei der UCK vor allem militärische Ausbildung suchen. Wie damals den UCK-Kämpfern sei es den syrischen Kämpfern weitgehend gelungen, sich trotz mangelnder militärischer Erfolge in westlichen Medien als »Befreiungskämpfer« darzustellen, sagte Schett dem Nachrichtensender Russia Today. Zu dem Bild paßten aber nicht die Berichte von Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen, die Aufständische in den vergangenen Monaten begangen und teilweise Medien gegenüber auch eingestanden haben. Schett vermutet daher eher eine Fortbildung in der PR-Arbeit hinter dem Besuch in Pristina. Die Situation in Syrien sei vergleichbar mit der bewaffneten Auseinandersetzung zwischen militanten Kosovo-Albanern und den jugoslawischen Sicherheitskräften Ende der 1990iger Jahre. Jugoslawien habe im Frühjahr 1998 einem Waffenstillstand zugestimmt, die Truppen zurückgezogen und OSZE-Beobachter akzeptiert. Die UCK habe das ausgenutzt, um ihre Angriffe zu verstärken und damit eine militärische Reaktion der serbisch-jugoslawischen Truppen zu provozieren. In westlichen Me­dien haben sich die Gewaltseparatisten dann als Opfer serbischer Angriffe dargestellt und im März 1999 die gewünschte NATO-Intervention erreicht. Dann sei die UCK massiv gegen die lokalen Minderheiten vorgegangen.

Genau das sollten offenbar die syrischen Aufständischen von der UCK lernen, vermutete der Auslandsredakteur des US-Magazins Chronicles ­Srdja Trifcovich im Gespräch mit Russia Today. »Die Ankündigung gegenüber einem AP-Reporter, man wolle von der UCK lernen, müßte für alle Syrer, besonders für die Minderheiten, ein Weckruf sein«, sagte Trifcovich. Sollten die syrischen Aufständischen von der UCK »lernen«, werde es weder für Minderheiten, noch für moderate Sunniten nach einem Sturz von Präsident Assad noch Raum in Syrien geben.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 9. Mai 2012


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