Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Unerwünschte Informationen

Arabische Liga und Vereinte Nationen ignorieren Bericht der Beobachtermission

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Mit seinem Rücktritt als Chef der Beobachtermission der Arabischen Liga (AL) hat der sudanesische General Mohammed Ahmed Mustafa Al-Dabi am Sonntag (13. Feb.) die Konsequenz daraus gezogen, daß sich die Liga nicht mit seinem Bericht über die Lage in Syrien befaßt hat. Der Report der Beobachter, die einen Monat lang in allen Provinzen Syriens die Situation dokumentiert hatten, war im zuständigen Außenministerkomitee der Liga noch bei der Debatte um eine Syrienresolution im UN-Sicherheitsrat zur Sprache gekommen. Das hatte vor wenigen Tagen bereits der stellvertretende syrische Außenminister Feisal Mekdad bei einem Pressegespräch in Damaskus kritisiert. Der Report habe »Syrien nicht verteidigt«, sagte Mekdad, allerdings sei er »objektiver und professioneller als manche Berichte« gewesen, die er in seiner Zeit als syrischer Botschafter bei den Vereinten Nationen gelesen habe. »Der Bericht spiegelt die Realität wider«, das habe aber einigen arabischen, vor allem aber westlichen Staaten nicht gefallen.

Aus diplomatischen Kreisen in Syrien war zu erfahren, Al-Dabi sei bei einem Treffen mit Botschaftern in Damaskus unter Druck gesetzt worden, harte Fakten zu präsentieren, sonst werde man sich nicht damit befassen. Al-Dabi habe daraufhin erklärt, der Bericht sei nicht von ihm, sondern von den Beobachterteams geschrieben worden. Sollte die Befassung mit dem Bericht verweigert werden, werde er selber an die Öffentlichkeit gehen. In Kairo habe dann der Außenminister und Ministerpräsident Katars, Scheich Hamad Bin Jassim Bin Jaber Al-Thani, den Missionschef bei einem persönlichen Gespräch aufgefordert, den Bericht nicht vorzulegen, sondern nur mündlich eine Zusammenfassung vorzutragen. Der Vorsitzende des Außenministerkomitees gilt als scharfer Gegner Syriens.

Andere Berichte sehen die Demission Al-Dabis hingegen als Folge der internationalen Kritik an seiner Person. Menschenrechtsorganisationen hatten dem sudanesischen General mangelnde Fähigkeiten vorgeworfen, unter anderem weil er als General in der südsudanesischen Provinz Darfur eingesetzt gewesen war. Der Rücktritt ist zudem eine logische Reaktion auf die Entscheidung der Liga, die am Wochenende einer weiteren Beobachtermission in Syrien eine Absage erteilt hatte. Stattdessen soll nun mit Hilfe des UN-Sicherheitsrates eine »internationale Friedenstruppe« in dem Land stationiert werden.

Auch die UN-Vollversammlung, die am Montag (13. Feb.) in New York auf Antrag Katars die Lage in Syrien diskutierte, ignorierte den Bericht der Beobachtermission, und befaßte sich stattdessen mit einem Papier des UN-Menschenrechtsrates von Anfang Dezember.

UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay wiederholte bei der Sitzung ihre »Abscheu« vor der Gewalt, die der syrische Staat »vor allem in Homs« anwende. »Die syrische Regierung hat nachdrücklich ihre Verpflichtung vernachlässigt, die eigene Bevölkerung zu schützen«, so Pillay. »Jedes Mitglied der internationalen Gemeinschaft muß jetzt handeln, um die Bevölkerung zu schützen.«

Der syrische UN-Botschafter Baschar Al-Jafari entgegnete, Syrien habe »das Recht, seine Bürger zu schützen, Terrorismus und bewaffnete Gewalt zu bekämpfen«. Internationale und regionale politische Kräfte führten Krieg gegen Syrien, um das Land zu destabilisieren und nicht, um Reformen in Syrien auf den Weg zu bringen. Die syrische Führung habe »keine Mühen gescheut«, um auf die »legitimen Forderungen nach Reformen« zu reagieren. Das vorgelegte Reformprogramm basiere auf »politischer Pluralität«, so Al-Jafari.

Nach fast viermonatiger Arbeit hat am Montag ein Komitee in Damaskus den Entwurf für eine neue Verfassung an Präsident Baschar Al-Assad übergeben. Der Text wird vermutlich noch in dieser Woche veröffentlicht, die Syrer sollen später per Referendum darüber entscheiden.

* Aus: junge Welt, 15. Februar 2012


Hier geht es zum Original-Bericht der Beobachtermission:

League of Arab States Observer Mission to Syria




Zurück zur Syrien-Seite

Zur Seite "Naher Osten, arabischer Raum"

Zurück zur Homepage