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Zum Dialog bereit

Syrischer Minister will sich mit Chef der oppositionellen Nationalen Koalition treffen

Von Karin Leukefeld *

Der syrische Minister für nationale Versöhnung, Ali Haidar, hat seine Bereitschaft zu Gesprächen mit Mouaz Al-Khatib erklärt, dem Präsidenten der oppositionellen Nationalen Koalition. Haidar reagierte in einem Gespräch mit dem britischen Journalisten Jonathan Steele auf verschiedene Gesprächsangebote von Al-Khatib in den vergangenen Tagen. Steele, der derzeit in Syrien im Auftrag der britischen Tageszeitung Guardian unterwegs ist, hatte Haidar am Montag in Damaskus getroffen. Er sei bereit, »Herrn Khatib in jeder Stadt im Ausland zu treffen, in die ich reisen kann, um mit ihm über Vorbereitungen für einen nationalen Dialog zu diskutieren«, zitiert der Guardian den Minister.

EU-Staaten dürften dafür nicht in Frage kommen, da die EU gegen die gesamte Regierung Syriens im Rahmen von Sanktionen ein Einreiseverbot verhängt hat. Möglich sei ein Treffen in Genf, »doch der eigentliche nationale Dialog muß auf syrischem Boden stattfinden, das ist eine Sache der syrischen Würde«, sagte Haidar. Er sei persönlich bereit, für die sichere Ein- und Ausreise von Oppositionellen aus dem Ausland zu garantieren, wenn sie ernsthaft am Dialog teilnehmen wollten. Das Innenministerium sei bereit, die notwendigen Papiere dafür auszustellen.

Bereits im Sommer 2012 hatte Assad Ali Haidar, den Vorsitzenden der oppositionellen Syrischen Sozialen Nationalistischen Partei (SSNP) gegenüber dem damaligen UNO-Vermittler Kofi Annan als Beauftragten für den Nationalen Dialog mit der Opposition benannt. 2005 hatte Haidar die Damaskus-Erklärung für demokratische Reformen und politischen Wandel mit unterzeichnet. Obwohl er seit Mai 2012 der Regierung angehört, macht er aus seinen Differenzen mit dem Regime keinen Hehl.

Ziel des nationalen Dialogs, so Haidar, müsse ein glaubwürdiger Wettbewerb verschiedener Parteien bei Neuwahlen für Parlament und Präsidentenamt sein. Gemäß der Verfassung könne Assad als syrischer Staatsbürger erneut kandidieren, wenn er wolle. Die Amtszeit von Präsident Baschar Al-Assad endet 2014. Neuwahlen für Syrien müßten eine Folge, nicht aber »Vorbedingung« eines nationalen Dialogs und Verhandlungen sein. »Wir sind gegen einen Dialog, in dem die Macht nur von einer Seite an eine andere Seite übergeben wird.«

Den Schwenk zugunsten eines Dialogs auch auf Seiten von oppositionellen Kräften führte Haidar auf die militärische Pattsituation zurück. »Es gibt Betonköpfe auf beiden Seiten, aber zu 80 Prozent haben beide Seiten erkannt, daß es keinen militärischen Sieg geben kann«.

Al-Khatib war für seine Gesprächsbereitschaft mit syrischen Regierungsvertretern in seiner eigenen Koalition massiv unter Druck geraten. In der Gründungserklärung heißt es, man werde nicht mit der Regierung in Damaskus reden, auch Al-Khatib hatte ständig betont, erst über die Zukunft Syriens zu verhandeln, wenn Assad Posten und Land verlassen habe. Insbesondere der Syrische Nationalrat (SNR) setzt weiter auf den bewaffneten Kampf gegen die syrische Führung.

Die Koalition war Anfang November 2012 auf Druck der USA und seiner Verbündeten am Golf, Katar und Saudi-Arabien, in Doha gegründet worden und sollte als politischer Kopf für eine parallel geschaffene Militärstruktur in Syrien dienen. Ziel war, eine Exilregierung zu bilden, die vom Westen als Alternative zu der amtierenden Regierung in Damaskus aufgebaut werden sollte.

Doch weder die militärische Struktur noch eine Exilregierung kamen seitdem zustande. In Syrien wird der Kampf von der inzwischen gegründeten Syrischen Islamischen Front bestimmt, ein Zusammenschluß von Al-Nusra-Front, Kampfeinheiten der Muslimbruderschaft, Dschihadisten und Salafisten. Bewaffnete Gruppen, die unter dem Namen »Freie Syrische Armee« agieren, sind vielfältig und keiner gemeinsamen Befehlsstruktur untergeordnet. In der militärischen Konfrontation spielen sie de facto keine Rolle. Die Exilregierung kam wegen anhaltender innerer Zerwürfnisse der Nationalen Koalition nicht zustande, vor allem auch, weil sich die dominierende Muslimbruderschaft weigerte, politischen Forderungen der säkularen Kräfte in der Koalition nachzugeben. Zudem ist es dem Gremium nicht gelungen, die notwendige Finanzierung für den Betrieb einer Exilregierung sicherzustellen.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 13. Februar 2013


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