Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Syrische Regierungstruppen in der Offensive

Einheiten dringen in Rebellengebiete der Hauptstadt Damaskus vor *

Truppen der syrischen Regierung sind am Dienstag tief in das Industrieviertel Al-Kabun am Rand der Hauptstadt Damaskus vorgedrungen.

Wie gemeldet wurde, setzten die Einheiten der Republikanischen Garde auch Panzer ein und wurden durch schweres Artilleriefeuer und Bombardierungen aus der Luft unterstützt. Der Vormarsch in die von Rebellen kontrollierte Vorstadt von Damaskus löste nach diesen Angaben eine Flüchtlingswelle aus. Die Republikanische Garde wird von Maher al-Assad kommandiert, einem Bruder von Staatschef Baschar al-Assad. In Al-Kabun nahmen die Einheiten Hausdurchsuchungen vor. Dabei hätten sie Jugendliche und Kinder als »lebende Schutzschilder« vor sich hergeschoben, berichteten Regierungsgegner. Häuser mutmaßlicher Rebellen wurden nach diesen Darstellungen gesprengt.

In den vergangenen Wochen zeigten sich die Regimetruppen in der Offensive. Nach Waffenlieferungen aus Russland und Iran und der Verstärkung durch Tausende Kämpfer der libanesischen Hisbollah-Milizen hat sich ihre strategische Überlegenheit gegenüber den Aufständischen offenbar weiter verstärkt.

Unterdessen will die syrische Regierung Beweise für den Einsatz von Chemiewaffen durch Rebellen gefunden haben. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana berichtete, dass Streitkräfte ein Labor und ein Lager in einem Versteck der »Terroristen« nahe Dschobar östlich von Damaskus entdeckt hätten. Dort sei unter anderem Chlorgas sichergestellt worden. Die Chemikalien seien im Ausland produziert worden – so in Saudi-Arabien. Sana verbreitete auch Bilder von dem angeblichen Fund.

Das führende Mitglied der oppositionellen syrischen Nationalen Koalition, George Sabra, sagte der Nachrichtenagentur dpa, dies seien »ekelhafte Anschuldigungen vonseiten eines Regimes, das seit Jahrzehnten Chemiewaffen besitzt«. Sabra: »Die ganze Welt weiß das. Das Regime hat die Waffen in der Vergangenheit gegen das syrische Volk eingesetzt und tut das auch heute.«

Großbritannien will die syrische Opposition mit Schutzausrüstung gegen chemische und biologische Waffen ausstatten. Darunter seien 5000 spezielle Gasmasken, mit denen Menschen im Falle eines Angriffs mit Giftgas für bis zu 20 Minuten unversehrt bleiben können, teilte Außenminister William Hague am Dienstag in einem Schreiben ans Parlament mit. Auch Medikamente und Ausrüstung zum Aufspüren chemischer Waffen sollen geliefert werden. Die Ausrüstung habe einen Wert von 755 000 Euro.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 17. Juli 2013


Syrische Scheußlichkeiten

Von Roland Etzel **

Es ist recht still geworden um den Krieg in Syrien, hierzulande. Nicht dass der Geschützdonner abgenommen hätte. Assads Armee marschiert, schleift eine Bastion der Rebellen nach der anderen und ist dabei wenig zimperlich. Und doch sind in Deutschland Sympathiebekundungen für die Regierungsgegner rar geworden. Der Grund ist: Zu scheußlich sind einige ihrer bekannt gewordenen Greueltaten.

Hätte Damaskus darüber Klage geführt, man hätte ihm nicht geglaubt. Nun nehmen ihm die Djihadisten das ab, stellen Mordtaten selbst ins Netz und brüsten sich: mit der Enthauptung eines katholischen Priesters, der angeblich »regimenah« war; mit der Hinrichtung eines Zwölfjährigen, der den Propheten beleidigt haben soll; sogar mit der Ermordung eines eigentlich verbündeten Kommandeurs der Freien Syrischen Armee, der den Qaida-Jüngern offenbar nicht ergeben genug war.

Betroffenheit, Erklärungsnot in der EU. Mit Barbaren dieser Couleur will auch in Berlin niemand etwas zu tun haben. Man distanziert sich öffentlich nur halblaut und verflucht im Stillen, dass die Mörder mit ihren Untaten auch noch derart prahlten. Es heißt, Deutschland liefere immerhin nicht die Waffen. Richtiger ist: Man liefert sie nicht direkt. Ist auch nicht nötig. Das besorgt Saudi-Arabien, laut Bundeskanzlerin »ein wichtiger Partner im Kampf gegen den Terrorismus«.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 17. Juli 2013 (Kommentar)


Zurück zur Syrien-Seite

Zurück zur Homepage