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Propagandakrieg um Syrien

"Rebellen geben Giftgaseinsatz zu", "Rußland bombardiert Saudi-Arabien" und andere Gerüchte *

Was steckt hinter dem mutmaßlichen Giftgasangriff in der Nähe von Damaskus? Wer ist für dieses Verbrechen verantwortlich? Die USA zeigen sich überzeugt, daß die syrische Armee Chemiewaffen eingesetzt habe. Handfeste Beweise dafür hat das Pentagon bislang allerdings nicht vorgelegt. Ein am vergangenen Freitag präsentierter CIA-Bericht enthält nur eine brüchige Indizienkette, die viele Fragen unbeantwortet läßt.

Im Internet schießen deshalb wilde Gerüchte ins Kraut. In Foren und auf mehr oder weniger seriösen Nachrichtenportalen kursiert derzeit eine andere Theorie: Das entsetzliche Ereignis in Ghuta mit Hunderten Toten vom 21. August sei ein Unfall gewesen. Beim unsachgemäßen Umgang mit von Saudi-Arabien geliefertem Giftgas sei es in einem Tunnelsystem der Aufständischen zu einem schrecklichen Unglück gekommen.

Die Geschichte stammt von Yahya Ababneh. Dieser behauptet, das hätten ihm Rebellen und Bewohner erzählt, als er vor Ort recherchiert habe. Nachzulesen ist das in einem Artikel, der auf dem Nachrichtenportal Mint Press News (MPN) erschienen ist. Der Kollege aus Jordanien ist journalistisch bislang nicht besonders aufgefallen. Seine einzige echte Referenz ist die freie Nahostreporterin Dale Gavlak, die in der Vergangenheit wohl auch als freie Autorin für die US-Nachrichtenagentur Associated Press (AP) geschrieben hat, wie ein Blick auf deren Homepage verrät. Sie wird in dem Artikel als Ko­autorin genannt und ist wohl gleichzeitig eine Gründerin des Nachrichtenportals MPN.

»Wir wußten nicht, daß es chemische Waffen waren«, zitiert Ababneh eine Frau, angeblich eine Rebellenkämpferin. Er habe auch den Vater eines der beim Transport umgekommenen Träger ausfindig gemacht. Der berichtet, die Waffen hätten ausgesehen wie Rohre, andere wie Gasflaschen. Das habe ihm sein Sohn berichtet. Es sei nicht das erste Mal gewesen, daß Islamisten sie für den Transport von Waffen eingespannt hätten. »Bereits vor zwei Wochen kam mein Sohn zu mir und fragte mich, ob ich wüßte, was das für Waffen seien, die er habe tragen müssen.«

In Ghuta erzählen sich dem Artikel zufolge die Leute, Lieferant des Giftgases sei Prinz Bandar bin Sultan, der mächtige Chef des saudischen Geheimdienstes. Es besteht kein Zweifel, daß der saudische Prinz einer der Hauptakteure ist, die hinter den Kulissen die Fäden im Syrien-Krieg ziehen. Saudi-Arabien rüstet die islamischen Rebellen seit Beginn des Aufstands gegen Baschar Al-Assad aus. Prinz Bandar ist zudem ein sehr enger Freund der Präsidentendynastie der Bushs. Angeblich durfte »Bandar Bush« im Weißen Haus ein- und ausgehen. Die syrische Regierung beschuldigt ihn, Drahtzieher des Anschlags vom Juli 2012 zu sein, durch den vier in Damaskus einflußreiche syrische Generäle getötet worden waren. Angeblich soll der Scheich zumindest zeitweise die islamistische Terrorgruppe »Fatah Al-Islam« finanziert haben, die dem Al-Qaida-Netzwerk nahesteht. Diese »Gotteskrieger« haben ihre Hochburg dem Vernehmen nach im palästinensischen Flüchtlingslager Nahr Al-Barid im libanesischen Tripoli und sollen besonders um Damaskus im Einsatz sein, möglicherweise auch in jener Gegend, in der es die Giftgastoten gab.

Erst vor wenigen Wochen traf sich Prinz Bandar in Moskau mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Im Vieraugengespräch soll der Scheich einen Waffendeal in Milliardenhöhe angeboten haben, falls Rußland Assad fallen lasse. Das berichtete in der vergangenen Woche die britische Tageszeitung Daily Telegraph. Außerdem dürften die Russen demnach ihre Marinebasis in Tartus behalten und müßten nach einem Fall des syrischen Regimes keine saudische Konkurrenz auf dem Erdgasmarkt in Europa fürchten. Er könne, so Prinz Bandar angeblich, sogar die Sicherheit der Olympischen Winterspiele in Sotschi garantieren: »Die tschetschenischen Gruppen, die die Sicherheit der Spiele bedrohen, werden von uns kontrolliert.« Unter den ausländischen Söldnern, die in Syrien gegen die Regierung kämpfen, machen die Tschetschenen eine der größten Gruppen aus.

Möglicherweise in Reaktion auf diese Geschichte tauchte Ende vergangener Woche im Internet auf einmal das Gerücht auf, Moskau habe im Falle eines Angriffs auf Syrien mit einer Bombardierung Saudi-Arabiens gedroht. Sogar von einem möglichen Atomwaffeneinsatz war die Rede.

Gerrit Hoekman

* Aus: junge Welt, Dienstag, 3. September 2013


Die Quelle

Der obige Artikel nimmt u.a. Bezug auf einen Artikel, der vor wenigen Tagen auf der US-amerikanischen Website Mint Press News erschien. MINT PRESS ist ein eingetragenes Medienunternehmen mit Sitz in Minnesota. Die "Minnesota Post" hat im vergangenen Jahr ausführlich über das Unternehmen berichtet.
Der Originalartikel ist hier zu lesen: www.mintpressnews.com.

Die Rationalgalerie hat diesen Beitrag ins Deutsche übertragen und - etwas verkürzt und mit ein paar ergänzenden Erläuterungen versehen - veröffentlicht: SYRIEN: REBELLEN UND GIFTGAS (www.rationalgalerie.de). Im Folgenden dokumentieren wir diese Version, nicht ohne den ausdrücklichen Hinweis darauf, dass die Aussagen des Berichts nicht wirklich belegt sind. Die Autorin Dale Gavlek weist im Originalartikel selbst darauf hin, dass es sich um ungesicherte Erkenntnisse handelt: "Some information in this article could not be independently verified."


SYRIEN: REBELLEN UND GIFTGAS

Amerikanische Web-Site enthüllt: Saudis und Rebellen tragen Verantwortung für Giftgas-Attacke

[Übersetzung: RATIONALGALERIE / Gesine Strempel]

EXCLUSIVE: Syrians In Ghouta Claim Saudi-Supplied Rebels Behind Chemical Attack, By Dale Gavlak and Yahva Ababneh

Syrische Kämpfer im Vorort Ghouta von Damaskus haben zugegeben, dass sie verantwortlich für einen Chemiewaffenvorfall sind. Sie enthüllten, dass die Toten Opfer eines Unfalls waren, hervorgerufen durch die falsche Handhabung der Chemiewaffen, mit denen Saudi Arabien sie beliefert habe.

Ghouta, Syrien

Während nach dem Angriff mit Chemiewaffen von vergangener Woche die Maschinerie für eine von den USA angeführte militärische Intervention in Syrien Fahrt aufnimmt, scheint es, als würden die USA und deren Verbündete den falschen Täter ins Visier nehmen.

Interviews mit Menschen aus Damaskus sowie Ghouta, einem Vorort der syrischen Hauptstadt, wo laut Angaben der humanitären Gruppe „Ärzte ohne Grenzen“ in der vergangenen Woche mindestens 355 Menschen mutmaßlich an einem Giftgas gestorben sind, legen diese Vermutung nahe. Die USA, Großbritannien, Frankreich und auch die Staaten der Arabischen Liga haben das Regime des Syrischen Präsidenten Bashar al-Assad angeklagt, diesen Angriff mit Chemiewaffen durchgeführt zu haben, der vor allem die Zivilbevölkerung traf. Im Mittelmeer sind U.S.-Kriegsschiffe stationiert, um Vergeltungsschläge für den massiven Angriff mit Chemiewaffen zu starten. Die USA sowie die anderen Verbündeten sind nicht an der Prüfung irgendwelcher Gegenbeweise interessiert, denn Außenminister John Kerry gab am Montag bekannt, die Schuld Assads sei "laut Urteil der ganzen Welt eindeutig." Dennoch zeichnet sich aus zahlreichen Interviews mit Ärzten, Einwohnern Ghoutas, aufständischen Kämpfern sowie deren Familien ein anderes Bild ab. Viele glauben, dass ausgewählte Kämpfer über Prinz Bandar bin Sultan, den saudischen Geheimdienstchef, Chemiewaffen erhalten haben. Sie sind es, die den Giftgasangriff um den es hier geht zu verantworten haben.

"Mein Sohn kam vor zwei Wochen zu mir und fragte mich, ob ich wüsste, was das für Waffen wären, die er tragen sollte“, sagte Abu Abdel-Moneim, Vater eines aufständischen Kämpfers gegen Assad aus Ghouta.

Abdel-Moneim sagte, sein Sohn und 12 weitere Kämpfer wären in einem Tunnel getötet worden, der als Waffenlager von einem saudischen Militär zur Verfügung gestellt wurde. Der Mann ist als Abu Ayesha bekannt und ist Anführer eines Kampfbataillons. Der Vater sagte, einige dieser Waffen hätten eine „"chlauchähnliche Form" gehabt, andere wären wie „große Gasflaschen“ gewesen.

Einwohner von Ghouta berichten, dass die Rebellen in Moscheen oder in privaten Wohnungen übernachteten und ihre Waffen derweil in Tunneln deponierten. Abdel-Moneim sagte weiter, sein Sohn und die anderen seien bei dem Chemiewaffenangriff gestorben. Am selben Tag gab die mit Al-Kaida vernetzte militante Gruppe Jabhat al-Nusra bekannt, dass sie auf dieselbe Weise die Zivilbevölkerung im von Assad regierten Landesinneren bei Lataka an der syrischen Westküste angreifen würden, angeblich als Vergeltungsmaßnahme.

"Sie haben uns weder gesagt, was das für Waffen waren, noch wie man sie einsetzt“, beschwerte sich eine Kämpferin, die sich "K" nannte. „Wir wussten nicht, dass es sich um Chemiewaffen handelt. Wir wären nie darauf gekommen, dass es Chemiewaffen sein könnten."

"Wenn der saudische Prinz Bandar den Leuten derartige Waffen überlässt, muss er dafür sorgen, dass er sie nur Menschen gibt, die damit umgehen können und wissen, wie man sie einsetzt“, warnte sie. Sie will aus Angst vor Vergeltung nicht ihren vollen Namen nennen, ebenso wenig wie andere Syrer.

Ein bekannter Rebellenanführer in Ghouta namens "J" stimmte mit ihr überein. "Die Kämpfer von Jabhat al-Nusra kooperieren nicht mit anderen Kämpfern, außer bei Bodenkämpfen. Sie teilen keine Geheiminformationen. Sie benutzten einfache Kämpfer um diese Waffen mit sich zu führen und einzusetzen", sagte er.

"Die Waffen kamen uns sehr seltsam vor. Und unglücklicherweise haben einige Kämpfer diese Waffen nicht sachgerecht behandelt und die Explosionen verursacht", sagte "J“.

Die Ärzte, die die Opfer des Giftgasangriffs behandelten, rieten Interviewer zur Vorsicht bei ihren Fragen, wer genau für den tödlichen Angriff verantwortlich sei.

Die humanitäre Gruppe „Ärzte ohne Grenzen“ fügte hinzu, dass Helfer, die 3.600 Patienten versorgten, auch über ähnliche Symptome berichtet haben, wie Schaum vor dem Mund, Atemprobleme, Krämpfe und beeinträchtigtes Sehvermögen. Diese Gruppe war nicht in der Lage, diese Informationen unabhängig nachprüfen zu lassen.

Mehr als ein Dutzend Kämpfer berichteten, dass sie von der saudischen Regierung bezahlt werden würden.

In Artikel im Business Insider beleuchtete der Reporter Geoffrey Ingersoll die Rolle des Saudi-Arabischen Prinzen Bandar in dem seit zweieinhalb Jahren andauernden Syrischen Bürgerkrieg. Viele Beobachter sind der Ansicht, dass Bandar mit seinen engen Beziehungen zu Washington die treibende Kraft hinter der Kriegslust der USA gegen Assad ist.

Ingersoll berief sich auf einen Artikel im britischen Daily Telegraph über geheime Russisch-Saudische Gespräche, in denen Bandar dem russischen Präsidenten Vladimir Putin preiswertes Öl als Gegenleistung für ein Fallenlassen Assads angeboten haben soll. „Prince Bandar versprach, Russlands Marinestützpunkt in Syrien zu schützen, sollte Assad gestürzt werden, aber er deutete auch tschetschenische Terrorangriffe auf die russische Winterolympiade in Sochi an, falls es zu keiner Absprache komme“, schrieb Ingersoll.

"Ich kann Ihnen die Garantie geben, die kommenden Winterspiele zu beschützen. Die Tschetschenischen Gruppen, die die Sicherheit der Spiele bedrohen, stehen unter unserer Kontrolle“, soll Bandar angeblich den Russen versichert haben. "Ebenso wie die Saudischen Funktionäre sollen angeblich auch die USA dem Saudischen Geheimdienstchef ihre Zustimmung zu diesem Geheimgespräch mit Russland gegeben haben, was keine Überraschung ist“, schrieb Ingersoll.

"Bandar hat in den USA studiert und ist dort militärisch ausgebildet worden, er amtierte als äußerst einflussreicher Saudi-Arabischer Diplomat in den USA, und der CIA ist in diesen Kerl absolut vernarrt“, fügte er hinzu. Nach dem britischen "Independent“ war es der Geheimdienst des Prinzen Bandar, der im Februar als erster den Vorwurf des Einsatzes von Giftgas (Sarin) durch das Regime bei den westlichen Alliierten zur Sprache brachte.

Das „Wall Street Journal“ berichtete kürzlich, der CIA habe erkannt, dass Saudi Arabien es mit dem Sturz Assads „ernst meine“, als der Saudische König Prinz Bandar zum Chef dieser Bestrebungen gemacht hat.

"Sie glaubten, dass Prinz Bandar, ein Veteran der diplomatischen Intrigen in Washington und in der Arabischen Welt, liefern könnte, was der CIA nicht liefern kann: Flugzeugladungen an Geld und Waffen, und, wie es ein U.S.-Diplomat formulierte, wasta, Arabisch für etwas, das man sich mit Durchsetzungskraft vom Hals schafft.“ schrieb „Wall Street Journal".

Bandar hat das oberste außenpolitische Ziel Saudi Arabiens vorangetrieben, berichtete das „Wall Street Journal“, das darin besteht, Assad und seine iranischen und Hisbollah- Verbündeten zu schlagen. Zur Unterstützung dieses Ziels hat Bandar Washington dazu gebracht sein Programm zu unterstützen, Kämpfer in einer geplanten Militärbasis in Jordanien zu bewaffnen und auszubilden. Die Zeitung berichtet, dass er sich mit „wegen einer derartigen Basis beunruhigten Jordaniern“ getroffen habe. Seine Treffen in Amman mit dem Jordanischen König Abdullah dauerten manchmal jeweils bis zu acht Stunden. "Der König soll gewitzelt haben“: ´Oh, Bandar kommt wieder? Dann wollen wir mal zwei Tage dafür freihalten`" sagte ein Eingeweihter dieser Treffen.

Jordaniens finanzielle Abhängigkeit von Saudi-Arabien hat möglicherweise den Saudis einen starken Einfluss verschafft. Im Sommer 2012 ist in Jordanien ein Operationszentrum Online gegangen mit einer Start- und Landepiste und einem Waffendepot. Von den Saudis bezahlte AK-47 und Munition kamen an, berichtete „Wall Street Journal“, das einen Arabischen Offiziellen zitierte.

Obwohl Saudi-Arabien offiziell dabei bleibt, weiterhin lediglich moderate Kämpfer zu unterstützen, berichtete die Zeitung, dass "Gelder und Waffen nebenher an Radikale geschleust werden, einfach um dem Einfluss der rivalisierenden Islamisten, die von Quatar unterstützt werden, etwas entgegenzusetzen.“

Doch interviewte Kämpfer sagten, Prinz Bandar wird als „al-Habib“, oder als “Liebhaber“ der Kämpfer von Al-Kaida in Syrien bezeichnet.

Peter Osborne, der im „Daily Telegraph“ von Donnerstag schrieb, hat vor dem Eifer Washingtons gewarnt, das Assad- Regime mit kontrollierten Luftangriffen zu bekämpfen, die nicht dazu dienen sollen, den Syrischen Führer zu stürzen, sondern seine Kapazität zu verringern, Chemiewaffen einzusetzen.

Bedenken Sie: Die einzigen Nutznießer der Schreckenstat waren die Rebellen, die bis dahin in diesem Krieg unterlegen waren und die jetzt die Briten und die Amerikaner soweit haben, zu ihren Gunsten einzugreifen. Es scheint kaum noch Zweifel daran zu geben, dass Chemiewaffen eingesetzt wurden, es bleiben die Zweifel, wer sie eingesetzt hat.

Es ist wichtig sich daran zu erinnern, dass Assad beschuldigt worden ist, schon früher Giftgas gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt zu haben. Aber bei dem damaligen Vorfall ist Carla del Ponte, eine U.N Abgesandte in Syrien zu dem Schluss gekommen, dass die aufständischen Kämpfer und nicht Assad wahrscheinlich verantwortlich dafür waren.

Der Original-Artikel ist unter folgendem Link zu erreichen: www.mintpressnews.com [externer Link]




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