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Dialog und Versöhnung statt kämpfen

Syriens Vize-Außenminister Mekdad fordert internationale Unterstützung gegen bewaffnete Gruppen


Faisal Mekdad ist seit 2006 stellvertretender Außenminister der Arabischen Republik Syrien. Zuvor war er UN-Botschafter Syriens bei den Vereinten Nationen und dabei auch im UN-Sicherheitsrat. »nd«-Autorin Karin Leukefeld sprach für "neues deutschland" (nd) mit Mekdad in Damaskus über die derzeitigen Kämpfe im Land.


nd: In Homs kämpft die syrische Armee gegen bewaffnete Gruppen. Geht die Armee auch - wie es in vielen Berichten heißt - gegen Zivilisten und Wohngebiete vor?

Mekdad: In Homs haben wir eine sehr spezielle Situation. Homs ist eine multiethnische, multireligiöse Stadt und sehr sensibel, weil sie im Zentrum Syriens liegt. Homs liegt zudem nahe an den Grenzen zu zwei Nachbarländern (Libanon, Türkei, Anm. d. R.), von wo viele Waffen an die bewaffneten Gruppen geliefert werden. Die Sicherheitskräfte versuchen bei ihrem Vorgehen gegen diese bewaffneten Gruppen ausdrücklich, keine Zivilisten, ihre Häuser oder ihr Eigentum zu beschädigen. In den letzten zehn Monaten hieß es in den internationalen Medien und aus den Staaten, die diese bewaffneten Gruppen unterstützen, immer, es gebe keine bewaffneten Gruppen. Die Regierung tötet ihr eigenes Volk. Nun ist die Wirklichkeit für alle sichtbar, es gibt diese bewaffneten Gruppen, gegen sie gehen die Sicherheitskräfte vor.

Die Journalisten, die hier in Syrien arbeiten, versuchen seit Tagen, nach Homs zu gelangen, um die Angaben, die aus der Stadt kommen, zu verifizieren. Warum ist das nicht möglich?

Ich bin sicher, man wird Ihnen den Zugang ermöglichen. Aber die Lage ist schwierig. Diese bewaffneten Gruppen haben Ihren Kollegen Gilles Jacquiers getötet und sofort wurden Stimmen laut, die Regierung habe das getan. Bedauerlicherweise hat sich die französische Regierung nicht einmal an der Untersuchung beteiligt, die wir eingeleitet haben. Wir wollen nicht, dass Journalisten von Rebellen oder anderen getötet werden, wir müssen sie schützen. Ich werde mich dafür einsetzen, dass die Journalisten bald dorthin können.

Wie können Sie diesen Kampf, der seit Monaten viele Opfer gefordert hat, beenden?

Durch einen nationalen Dialog und Versöhnung. Die internationale öffentliche Meinung sollte die bewaffneten Gruppen auffordern, Dialog und Versöhnung zuzustimmen. Das ist besser, als weiter zu kämpfen.

Etliche europäische Botschafter wurden aus Damaskus zurückgerufen, aus europäischer Sicht ist Syrien isoliert. Können Europa und Syrien wieder zusammen kommen?

Natürlich. Nicht wir haben Europa isoliert, Europa isoliert uns. Wir mischen uns nicht in die inneren Angelegenheiten Europas ein, aber einige europäische Staaten unterstützen sogar die bewaffneten Gruppen …

Können Sie das konkretisieren?

Wir werden bald ausführliche Dokumente darüber veröffentlichen. Wir bedauern, dass die Botschafter zurückgerufen wurden, aber man informierte uns, dass sie zurückkommen werden. Es ist in ihrem Interesse, die Entwicklung hier zu verfolgen. Wir waren nie gegen einen Dialog mit Europa, aber leider hat man dort sogar hochrangige Vertreter des Außenministeriums auf die EU-Sanktionsliste gesetzt. Wir sind offen für Diskussionen, wir wollen, dass Europa in diesem Teil der Welt vertreten ist.

Es gibt Überlegungen, die Beobachtermission der Arabischen Liga wieder nach Syrien zu entsenden, vielleicht mit UN-Beobachtern. Was halten Sie davon?

Es gibt keine Transparenz darüber, was geplant ist. Wir wissen nicht, warum die Mission ausgesetzt wurde, warum einige Beobachter abgezogen wurden. Wir erhalten keine Informationen, nur was durch die Medien sickert. Wir haben der Fortsetzung des Mandats der Mission zugestimmt, das ist bekannt. Doch dürfte allen Seiten klar sein, dass das bisherige Protokoll für die Mission nicht tragfähig ist. Das Mandat muss nicht nur erneuert, sondern auch überarbeitet werden. Ob wir die Anwesenheit internationaler Beobachter akzeptieren werden, kann ich heute nicht sagen. Änderungen des Mandats werden wir mit der Arabischen Liga diskutieren müssen.

* Aus: neues deutschland, 13. Februar 2012


Arabische Liga erwägt für Syrien UN-Mission

Aufständische werden von Islamisten in Irak unterstützt **

In Kairo trafen am Sonntag (12. Feb.) erneut die Außenminister der Arabischen Liga zusammen, um über ihre Haltung gegenüber Syrien nach dem Scheitern der Resolution im UN-Sicherheitsrat zu beraten. Wie aus dem Entwurf für die Abschlusserklärung des Treffens hervorging, strebt der Staatenbund eine »gemeinsame Friedensmission mit der UNO« an. Zudem sollen die diplomatischen Beziehungen zu dem Regime von Baschar al-Assad abgebrochen und die bestehenden Sanktionen konsequent durchgesetzt werden. Für Ende Februar ist in Tunesien eine Konferenz der »Freunde Syriens« geplant. Kurz vor dem Treffen wurde bekannt, dass der Leiter der Beobachtermission in Syrien, der sudanesische General Mohammed al-Dabi, bei der Arabischen Liga seinen Rücktritt eingereicht hat.

Am Wochenende hat die syrische Armee wieder mehrere Oppositionshochburgen unter Beschuss genommen. Dabei kamen nach Angaben von Aktivisten mindestens 60 Menschen ums Leben, die meisten in Homs. Doch auch Mediziner und Systemvertreter geraten zunehmend in Gefahr. So wurde der Direktor eines Militärkrankenhauses in Damaskus, der Arzt und Brigadegeneral der syrischen Streitkräfte, Issa al-Kholi, vor seinem Haus erschossen. Gleichzeitig gedachten Muslime und Christen in Damaskus gemeinsam aller Toten der vergangenen Monate. Würdenträger und Gläubige beider Religionen beteten in mehreren Gotteshäusern.

Die Assad-Gegner erhalten derweil zunehmend Unterstützung von Islamisten. Aiman al-Sawahiri, der als Kopf von Al Qaida gilt, hat in einer Videobotschaft Muslime in Irak, in Jordanien, in Libanon und in der Türkei aufgerufen, sich dem Aufstand anzuschließen. Nach Angaben der irakischen Regierung gelangen immer mehr Dschihadisten und geschmuggelte Waffen aus Irak nach Syrien.

** Aus: neues deutschland, 13. Februar 2012


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