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Arabische Liga ruft aus Bagdad zum Dialog in Syrien auf

Die Arabische Liga hat sich bei ihrem ersten Gipfeltreffen nach dem Arabischen Frühling gegen jede »ausländische Einmischung« in den Syrienkonflikt gewandt. Auf eine gemeinsame Strategie zu dem Konflikt konnten sich die Staatsoberhäupter einigen. Sie beließen es auf ihrer Konferenz am Donnerstag (29. März) in Bagdad bei Appellen zum Dialog sowohl an die Opposition als auch an die Regierung.

Die Organisation rief Syriens Präsidenten Baschar al-Assad auf, den Friedensplan von Kofi Annan umzusetzen. Der Sechs-Punkte-Plan des Syrien-Sondergesandten von Liga und UNO sieht unter anderem die Freilassung aller politischen Gefangenen und eine von den UN überwachte Waffenruhe vor.

* Aus: neues deutschland, 30. März 2012


Falsche Freunde

Europäer, Golfstaaten und syrische Oppositionsgruppen beraten am Wochenende in Istanbul über Sturz von Präsident Assad. Arabische Liga zerstritten

Von Karin Leukefeld **


Rußland und China werden auch an dem zweiten Treffen der »Freunde Syriens«, das am Wochenende in Istanbul beginnt, nicht teilnehmen. Beim Gipfeltreffen der aus Brasilien, Rußland, Indien, China und Südafrika bestehenden BRICS-Gruppe in Neu-Delhi wies der russische Präsident Dmitri Medwedew erneut jede ausländische militärische Einmischung in die inneren Angelegenheiten Syriens zurück. Die staatliche Souveränität des Landes müsse gewahrt werden, erklärte er. Rußland werde alles tun, damit der UN-Sicherheitsrat nicht benutzt werden könne, um Druck auf Staaten auszuüben, deren Politik von anderen Regierungen abgelehnt werde, wurde Medwedew von der syrischen Nachrichtenagentur SANA zitiert. Ähnlich äußerte sich der chinesische Präsident Hu Jintao. Peking werde die Friedensbemühungen von Kofi Annan unterstützen, sagte er laut der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua. Man werde mit Rußland und der internationalen Gemeinschaft konstruktiv daran arbeiten, die Krise in Syrien zu beenden.

Die »Freunde Syriens« wollen am Wochenende ebenfalls über die Lage im Land beraten. Bei einem ersten Treffen der Gruppe im Februar in Tunis hatten sich rund 60 Staaten und Organisationen auf eine Führung durch europäische Ländern und die Golfstaaten geeinigt, die finanzielle, militärische und politische Unterstützung für den Syrischen Nationalrat (SNR) koordinieren sollen. Der tagt seit Anfang der Woche bereits in Istanbul, um interne Streitigkeiten beizulegen, bevor das Treffen der »Freunde« beginnt. Rund 400 Teilnehmer debattierten hier über die Vision eines »demokratischen« syrischen Staates, den man nach dem angestrebten Rücktritt von Präsident Baschar Al-Assad aufbauen wolle. Die Streitigkeiten waren aber offenbar so groß, daß immer wieder Vertreter einiger Gruppen den Saal verließen. Nach Angaben der Veranstalter gehörten zu den Teilnehmern an der Beratung auch Repräsentanten der Kurden, Turkmenen und verschiedener islamistischer Gruppen, darunter der Muslimbruderschaft und der Salafisten.

Der SNR arbeitet mit verschiedenen bewaffneten Gruppen in Syrien zusammen und hat zur Koordination mit diesen in der Türkei eine militärische Verbindungsstelle eingerichtet. Abgelehnt wird das Vorgehen des SNR hingegen von der überwiegenden Mehrheit der in Syrien selbst aktiven Oppositionsgruppen. So hatte das »Nationale Koordinationskomitee« seine Teilnahme an der Konferenz in Istanbul mit der Begründung abgesagt, keine weitere Militarisierung unterstützen zu wollen. Auch unabhängige Oppositionelle wie Michel Kilo blieben dem Treffen fern.

Moskau und Peking unterstützen die Vermittlungsmission des früheren UN-Generalsekretärs Kofi Annan, der mit einem Sechs-Punkte-Plan die Gewalt in Syrien stoppen und einen Dialog zwischen der syrischen Führung und Kräften der Opposition in Gang setzen will. Damaskus hatte dem Plan Mitte der Woche zugestimmt. Der auch im Auftrag der Arabischen Liga agierende Annan stellte sein Programm am Freitag beim Treffen des Staatenbundes in Bagdad vor. Erneut zeigten sich hier große Meinungsunterschiede zwischen den arabischen Staaten. Der irakische Außenminister Hosjar Zebari erklärte, man fordere nicht den Rücktritt Assads. Es sei Sache der Syrer, ihren Präsidenten zu wählen. Auch eine Bewaffnung oppositioneller Gruppen sei auf dem Gipfeltreffen kein Thema. Katar und Saudi-Arabien hatten hingegen mehrfach angekündigt, oppositionelle Syrer bewaffnen zu wollen. Der Vorsitz der Arabischen Liga wird bei dem Treffen von Katar, das in Bagdad nur durch seinen Botschafter vertreten ist, auf den Irak übergehen, der gegenüber Syrien eine vermittelnde Haltung einnimmt.

** Aus: junge Welt, 30. März 2012


Überraschung in Bagdad

Von Roland Etzel ***

Die Bagdader Tagung der Arabischen Liga ist nicht in der Weise zum erneuten Tribunal gegen die syrische Führung geworden, wie wohl die meisten Beobachter es erwartet hatten. Erstmals seit mehr als einem halben Jahr appellierte die Staatengruppe nicht mehr allein an die Regierung, die Gewalt einzustellen und einen Dialog aufzunehmen, sondern - und das ist neu - in gleicher Weise auch an die bewaffnete Opposition. Diese zeigt sich darob unangenehm überrascht. Ähnliches gilt für ihre Sponsoren in Frankreich und der Türkei und in besonderer Weise für die USA. Geradezu überschwänglich stellt sich die Liga nun hinter die Annan-Mission.

Dieses unwirklich anmutende Geschehen sollte mit Vorsicht betrachtet werden. Wie sich zeigt, ist sich die Liga über Syrien nicht einig. Aber nicht das erstaunte, sondern dass die bisherigen Speerspitzen gegen Assad, Katar und Saudi-Arabien, nur mit der zweiten Garnitur in Bagdad erschienen. Offenbar haben sie momentan nicht mehr die Meinungsführerschaft in der Liga. Schon bisher gab es Stimmen, denen die Dominanz der Klerikalmonarchien in jüngster Zeit zu weit ging. Es ist aber nicht zu erwarten, dass sie die Schlappe einfach so hinnehmen.

*** Aus: neues deutschland, 30. März 2012 (Kommentar)


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