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"Die Beobachter fungierten wie ein Puffer zwischen beiden Seiten"

Arabische Liga will die Mission in Syrien fortsetzen

Von Karin Leukefeld *

Bei einem außerordentlichen Treffen der Arabischen Liga in Kairo haben sich am Sonntag (8. Jan.) die arabischen Außenminister mit der Lage in Syrien befasst. Anlass des Treffens war ein erster Zwischenbericht der Beobachtermission, die seit zwei Wochen in Syrien arbeitet. Katar, das den Vorsitz des mit Syrien befassten Sonderkomitees der Liga führt, hat die Vereinten Nationen um technische Hilfe gebeten.

Seit Beginn der Mission vor zwei Wochen (26.12.2011) stehen die Beobachter unter massiver Kritik, die vor allem von dem im Ausland aktiven Syrischen Nationalrat (SNR) und von der mit dem SNR verbündeten „Freien Syrischen Armee“ vorgebracht wird, die aus der Türkei operiert. Sprecher beider Gruppen beschuldigen die arabischen Beobachter, von der syrischen Führung „an der Leine geführt“ und „getäuscht“ zu werden. Der syrische Präsident Bashar al-Assad benutze die Mission „als Deckung“ für anhaltende Gewalt. Die Beobachtermission sei gescheitert, sagte SNR-Präsident Burhan Ghalioun (am 5.1.) der britischen BBC. Die internationale Gemeinschaft müsse eine „Flugverbotszone in bestimmten Gebieten“ Syriens durchsetzen, um die „syrische Revolution zu unterstützen“.

Der Ministerpräsident und Außenminister der Golfstaates Katar, Scheich Hamad bin Jassim bin Jaber Al-Thani hatte in New York Mitte vergangener Woche UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon um Unterstützung für die Mission gebeten. Die Beobachter hätten „Fehler“ gemacht, weil sie „keine Erfahrung“ in solchen Missionen hätten, sagte Al-Thani, ohne die Fehler zu benennen. Die UN bot inzwischen die Schulung der Beobachter an. Zur Diskussion steht auch, die Mission mit eigenen Fahrzeugen und Kommunikationsmitteln auszustatten, um sie von syrischen Behörden „unabhängiger“ zu machen. Das US-Außenministerium schickte bereits am vergangenen Mittwoch seinen Sonderbeauftragten für die Region, Jeffrey Feltman nach Kairo, um von der arabischen Liga „direkt“ über die Mission unterrichtet zu werden.

Der stellvertretende Generalsekretär der Arabischen Liga Ali Issa al-Khoudir bekräftigte am Samstag (7. Jan.), die Mission der Beobachter in Syrien werde fortgesetzt. Am Samstag vergrößerte sich die Mission um 43 Beobachter aus den Golfstaaten, Irak und Ägypten, am Sonntag wurden 10 weitere Beobachter aus Jordanien erwartet. Damit umfasst die Mission 163 Beobachter.

Auftrag der Mission ist es, die Umsetzung des arabischen Friedensplans zu überwachen, der zwischen Syrien und der arabischen Liga Ende Oktober unterzeichnet worden war. Der Plan sieht den Rückzug der syrischen Armee aus Wohngebieten und die Freilassung der Gefangenen vor, die im Zuge der Proteste und Unruhen seit März letzten Jahres festgenommen wurden. Das entspricht den Bedingungen, die seitens der Oppositionsgruppen in Syrien für die Einleitung eines nationalen Dialogs mit den Reformorientierten Kräften der syrischen Regierung genannt worden waren. In Gebieten, wo es zu bewaffneten Auseinandersetzungen gekommen ist, werden die Beobachter von den Streitkräften begleitet.

Am Samstag konnten Reporter ein Beobachterteam nach Bousra im Süden Syriens begleiten. Die zwei Fahrzeuge der Beobachter seien von 100 Soldaten begleitet worden, heißt es in dem Bericht von Mohammad Ballout von BBC Arabisch. In Bousra habe man eine von Aufständischen zerstörte Polizeistation gesehen. Vieles deute daraufhin, dass es in der Kleinstadt, wo rund 9000 Schiiten und 20.000 Sunniten lebten, zu Auseinandersetzungen zwischen den Religionsgruppen komme. Ein schiitischer Einwohner sei von Sunniten getötet worden, die der schiitischen Gemeinschaft vorwerfen würden, von den Verbündeten der Regierung Assad, von Hisbollah und dem Iran, bezahlt zu werden. Zahlreiche Geschäfte und Häuser schiitischer Eigentümer seien angegriffen worden. Die Beobachter hätten eine Art „Demarkationslinie“ in dem Ort überschritten, „um allein mit Personen aus den sunnitischen Vierteln zu sprechen, die sich im Aufstand befinden“, berichtet Ballout. Später hätten Demonstranten die Hinrichtung von Präsident Assad gefordert. „Die Armee schoss nicht und die Beobachter fungierten wie ein Puffer zwischen beiden Seiten“, beschreibt Ballout die Szene. Auch als wütende Dorfbewohner auf dem Rückweg (nach Deraa) den Konvoi gestoppt hätten, um mit den Beobachtern zu sprechen, hätten sich Armee und Medien zurückgezogen.

Nach unbestätigten Angaben von Aktivsten in Syrien sollen am Samstag 27 Personen in Homs, Idlib, Hama und in Vororten von Damaskus getötet worden sein. Tausende gaben am Samstag 25 Toten das letzte Geleit, die am Freitag bei einem Anschlag im Midan Viertel in Damaskus ums Leben gekommen waren. Der syrische Innenminister Mohammed Ibrahim al-Schaar sagte, man werde „mit eiserner Faust“ gegen die Hintermänner des Anschlags vorgehen. Der SNR machte in einer Pressemitteilung das Regime von Präsident Assad für den Anschlag verantwortlich.

In der syrischen Hafenstadt Tartous ging am Sonntag ein Flottenverband der russischen Marine vor Anker, der vom Flugzeugträger Admiral Kuznetsov geführt wird. Der „Freundschaftsbesuch“ soll sechs Tage dauern, hieß es. Zu dem Geschwader sollen auch U-Boote gehören.

* Eine gekürzte Version dieses Beitrags erschien unter dem Titel "Zwischenbilanz zu Syrien-Mission" am 9.01.2012 im "neuen deutschland"


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