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"The Day After": Institut für Frieden setzt auf Krieg

Karin Leukefeld über die westliche Destabilisierungspolitik gegen Syrien und den Ruf der politischen Opposition nach Waffenruhe. Ein Live-Interview von weltnetz.tv *



weltnetz.tv: Frau Leukefeld, mittlerweile ist bekannt, dass die USA und ihre Verbündeten aktiv in den syrischen Bürgerkrieg eingreifen und die militärische Opposition gegen die Regierung Assad mehr oder minder offen mit Geld, Kommunikationstechnik, Informationen und Waffen ausstatten… Was ist für die USA so unerträglich an Assad, dass sein Staat ruiniert werden soll?

Karin Leukefeld: Man muss das sicherlich im Zusammenhang mit der geostrategischen Lage von Syrien sehen. Syrien liegt wie ein Brückenstaat zwischen der Türkei und der arabischen Halbinsel, zwischen dem Mittelmeer und dem asiatischen Kontinent. Insofern, das kann man auch an der Geschichte sehen, hat Syrien immer eine ganz wichtige Funktion gehabt: die der Vermittlung und des Ausgleichs. Es hat wirtschaftlich eine wichtige Rolle gespielt und politisch natürlich auch.

Heute ist es so, dass in der Region Syrien der einzige enge arabische Partnerstaat des Iran ist. Und man weiß ja aus den Meldungen der letzten Jahre, dass insbesondere gegenüber dem Iran eine sehr aggressive und konfrontative Politik gemacht wird. Insofern ist die Lage Syriens, die politische Haltung Syriens, dem Westen und insbesondere den USA, ein Dorn im Auge. Jetzt kann man sich natürlich fragen, warum das so ist, weil die USA sind weit weg von diesem Kontinent, von der arabischen Welt, vom mittleren Osten…

Das eine ist sicherlich die Frage der Rohstoffe. Selbst wenn Syrien nun nicht als rohstoffreiches Land bekannt ist, gibt es Informationen über neue Funde von Gas im östlichen Mittelmeerraum. Und Gas ist eben neben dem Öl ein sehr wichtiger Rohstoff für die westliche Welt, für die ganze Welt. Diese neuen Gasfunde spielen sicherlich eine Rolle, da sie dem Land eine Unabhängigkeit geben können bzw. geben könnten. Eine Unabhängigkeit, die möglicherweise mit diesem Konflikt, der von außen geschürt wird, unterbunden werden soll. Diese mögliche Unabhängigkeit soll nicht zum Tragen kommen, jedenfalls nicht unter diesem politischen Regime.

Der andere Punkt, den ich für fast noch wichtiger halte, ist Israel. Die Rolle Israels im mittleren Osten ist sehr umstritten. Seit der Gründung des Staates Israel gibt es in der Region Krieg ohne Ende, Flucht ohne Ende. Der Staat wird von der arabischen Welt wenig akzeptiert, vor allem nicht mit der Politik, die er macht. Gleichzeitig ist Israel für den Westen und insbesondere für die USA, ein ganz wichtiger strategischer Bündnispartner; wegen der Lage im mittleren Osten, wegen der Rohstoffe. Und eben auch die geostrategische Lage, der Übergang in den Osten, in die asiatische Welt spielt da eine wichtige Rolle. Wegen der entsprechenden Unterstützung durch die USA ist Israel auch militärisch der stärkste Staat in der Region.

Ich denke, dass diese beiden Punkte eine wichtige Rolle spielen. Die Rohstoff-sicherung für die USA und für den Westen auf der einen Seite und die Sicherheit Israels, die ja auch für die deutsche Politik eine ganz zentrale Rolle spielt, auf der anderen Seite. Das sind die Gründe, warum gegen Syrien eine so aggressive Haltung eingenommen wird.

Ich möchte das nochmal kurz begründen. Denn wenn es tatsächlich darum ginge, dass die Menschenrechte der Syrer verwirklich werden sollen, dass das Land, ein Entwicklungsland, sich wirtschaftlich weiter entwickeln kann, dass es politische Pluralität gibt usw… Da war Syrien eigentlich auf einem relativ guten Weg in den letzten zehn Jahren, auch mit Unterstützung des Westens. Der Westen hat im Grunde den Reformprozess, den Präsident Baschar al-Assad versucht hat umzusetzen, unterstützt. Mit bilateralen Projekten. Es gab ein EU-Assoziierungsabkommen mit Syrien, das auf vielen Ebenen eine sehr enge Zusammenarbeit vorsieht und das von Syrien unterzeichnet worden ist. Das heißt, wenn man wirklich wirtschaftlich, für die Gesellschaft, politisch für die Menschen, was hätte machen wollen, dann hätte man auf dieser Basis eine sehr gute Voraussetzung gehabt. Deswegen denke ich, dass es im Moment vor allem um die Absicherung des Staates Israel und um die Absicherung der geostrategischen Interessen geht.

weltnetz.tv: Im Gegensatz zum offenen Krieg gegen Libyen setzen die Westmächte in Fall Syrien auf eine Ansammlung bewaffneter, teils sehr undurchsichtiger Organisationen vor Ort, die den blutigen Teil der Arbeit übernehmen sollen…. Was ist der Grund für dieses „indirekte Vorgehen“ auch im Vergleich zu Libyen?

Karin Leukefeld: Vielleicht sind das auch gewisse Schlussfolgerungen, die man aus der Entwicklung Libyens gezogen hat. Man spricht ja heute nicht mehr so viel darüber in den Medien… Aber die Entwicklung in Libyen ist meines Erachtens nicht so demokratisch und nicht so erfolgreich, wie man es eigentlich vorausgesagt hat oder wie man das den Menschen im Land auch versprochen hat. Es gibt sehr viele Kämpfe im Land unter den verschiedenen Stämmen. Und die Ereignisse in Bengasi vor kurzem, wo Mitarbeiter der US-Botschaft ums Leben gekommen sind, auch der Botschafter, sprechen ja eine ganz deutliche Sprache: dass das Land von einer Demokratisierung noch weit entfernt ist. Das sind vielleicht auch Lehren oder Überlegungen, die da mit eine Rolle spielen.

Es ist so, dass die NATO sicherlich keinen Konsens haben würde für einen Angriff auf Syrien. Schon bei dem Angriff auf Libyen war das sehr umstritten. Trotz einer Entscheidung im UN-Sicherheitsrat, waren doch viele NATO-Partner völlig dagegen, dass dort militärisch eingegriffen wird. Das heißt, es gab einen Konflikt innerhalb der NATO. Das würde jetzt, im Bezug auf Syrien, sicherlich doppelt so schwer werden, weil es ja auch keine Entscheidung des UN-Sicherheitsrates gibt. Russland, China und andere Mitgliedstaaten des UN-Sicherheistrates sind ja im Moment völlig dagegen; gegen eine Verschärfung der Sanktionen und gegen ein militärisches Eingreifen. Und der Westen bzw. die Staaten, die diesen „Krieg niederer Intensität“ in Syrien jetzt unterstützen, möchten nicht das Risiko eingehen, dort militärisch, gegen den UN-Sicherheitsrat, gegen eine erklärte Meinung vieler Staaten, einzugreifen.

Der dritte Punkt ist sicherlich, dass ein militärisches Eingreifen in Syrien ein Desaster wäre. Denn die syrische Armee ist eine gestandene Armee, eine gute ausgebildete Armee, die auch relativ gut ausgerüstet ist durch den Iran, vor allem aber auch durch Russland. Da hätten die Soldaten wirklich einen Kampf auszufechten. Denn diese Armee ist sicherlich nicht bereit, sich zu ergeben und ihr Land der NATO zu überlassen. Ich denke, das spielt auch eine Rolle.

weltnetz.tv: Teile der bewaffneten Opposition verfolgen offensichtlich antiwestliche Ziele. Durch die vorangetriebene Destabilisierung des syrischen Staates werden diese Gruppen in ihrer Ausbreitung und in ihren Aktivitäten aber ungemein begünstigt. Sie haben es schon angesprochen: Auch in Libyen ist es so, dass nach dem Sturz Gaddafis extremistische, religiös-fanatische Gruppierungen ihr Unwesen treiben und jüngsten Meldungen zufolge in Bengasi für den Tod eines amerikanischen Botschafters verantwortlich sind… In was für einem strategischen Verhältnis stehen namentlich die USA zu extremistischen Terrorgruppen und Todesschwadronen, die regelmäßig mit ihren Greueltaten auch in der westlichen Presse Erwähnung finden?

Karin Leukefeld: Das ist eine lange Geschichte bei der US-Politik. Man kennt das aus Lateinamerika: Da wurden auch Todesschwadronen und Terrorgruppen, die „Contra-Rebellen“ in Nicaragua und El-Salvador, vom US-amerikanischen Geheimdienst CIA unterstützt. Die CIA hat militärische Ausbildung geboten, finanziell und vor allem logistisch und durch Aufklärung unterstützt. So, wie man das jetzt leider auch in Syrien sieht.

Es geht darum, eine Destabilisierungspolitik zu betreiben… Wo man nicht die eigenen Truppen hinschicken will. Weil diese Art der Intervention auch keine politische Legitimität hat. Ich denke, das ist ein „Undercover-War“, also ein Krieg, der illegal geführt wird. Man spricht auch von einem „schmutzigen Krieg“, weil er sich auch jenseits von völkerrechtlichen Vereinbarungen abspielt. Die USA haben immer zu solchen Gruppierungen gegriffen, wenn es um ihre strategischen, politischen Interessen in bestimmten Regionen gegangen ist. Um sie durchzusetzen bzw. durchzudrücken…

Das ist eine Art der Kriegsführung, die meines Erachtens viel zu wenig in der Öffentlichkeit hinterfragt wird. Die Zusammenarbeit mit diesen Gruppierungen ist natürlich auch ein Geschäft, für Rüstungskonzerne, für private Sicherheitsfirmen, für ehemalige US-Soldaten, die daran auch beteiligt sind. Da gibt es eine lange Reihe von Erfahrungen… Und es scheint zur Politik der USA zu gehören, sich solcher Gruppen zu bedienen.

weltnetz.tv: Zwischen Syrien und Deutschland hat es vor nicht allzuferner Zeit durchaus noch diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen gegeben. Seit dem Ausbruch der Konflikte schien Deutschland aber wenig aktiv und wirkte ausgeschaltet in der Verfolgung seiner Interessen in der Region, speziell in Syrien ....

Vor einigen Wochen allerdings wurde ein deutsch-syrisch-US-amerikanisches Unterfangen namens „The Day After“ öffentlich gemacht, das bereits im Januar 2012 ins Leben gerufen wurde. Um was für ein Projekt handelt es sich da und wie stellen sich die Pläneschmieder den „Tag danach“, was wohl heißen soll, den „Tag nach dem Regierungssturz“ in Syrien vor?

Karin Leukefeld: Genau, das Projekt fokussiert auf den Tag nach dem Regierungssturz von Präsident Baschar al-Assad. Ich hatte Gelegeneheit, mir die Broschüre anzusehen, die ja jetzt vor einiger Zeit veröffentlich worden ist. „The Day After“ ist eine Nicht-Regierungs-Organisation (NGO). An dem Projekt gearbeitet haben syrische Intellektuelle, Geschäftsleute, religiöse Vertreter der Muslimbruderschaft… Einige sind namentlich erwähnt in der Broschüre, andere haben gebeten, dass ihre Namen nicht erwähnt werden.

Interessanterweise geht aus dieser Broschüre hervor, dass die Initiative von „US-Institut für Frieden“ (United States Institute of Peace, USIP) ausgegangen ist. Die haben einen Bündnispartner gesucht, den sie in der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ (SWP) hier in Deutschland gefunden haben. Das ist eine vom deutschen Außenministerium finanzierte Stiftung. Es haben aber auch noch andere europäische Regierungen Geld dazu gegeben, dass diese Arbeit durchgeführt werden konnte.

Im Grunde haben die etwas aufgegriffen, was Oppositionelle in Syrien vor über einem Jahr überlegt haben. Die haben sich gedacht: wenn das Regime, das Syrien über 40 Jahre lang fest zusammengehalten hat, tatsächlich fällt, wird es Chaos geben. Die Leute haben also in Syrien mit Chaos gerechnet. Und ich weiß von Gruppierungen, die sich privat getroffen haben und praktisch überlegt haben: wie können wir denn hier, in unserer direkten Umgebung, uns, unsere Familien, unser Eigentum, unsere Häuser, unser Viertel - wie können wir das schützen? Das war so eine Überlegung vor mehr als einem Jahr.

Nun ist die Situation in Syrien unglaublich eskaliert. Heute versucht die Opposition, gewaltfrei eine Lösung zu finden… man spricht also nicht mehr über den „Tag danach“ sondern über die Frage: wie können wir überhaupt den morgigen Tag und die nächste Woche überleben und organisieren, dass es nicht noch mehr Tote gibt?

Aber diese NGO „The Day After“ setzt darauf, dass Syrien zerstört wird. Das wird ganz deutlich aus ihren Plänen. Sie haben Zeitlinien vorgegeben, was innerhalb von drei Monaten, von sechs Monaten, nach dem „Sturz des Regimes“ gemacht werden muss. Alle diese Überlegungen gehen davon aus, dass das Land zerstört ist: die Infrakstuktur ist zerstört, die Kommunikation ist zerstört, es gibt Unmengen von Flüchtlingen, es gibt Hunger, Arbeitslosigkeit, „Verschwundene“ usw… Vor einem Jahr war die Situation in Syrien aber bei weitem nicht so, wie sie heute ist. Das heißt ja auch, dass diese NGO praktisch damit rechnet, oder in gewisserweise auch darauf hinarbeitet, dass das Land erst zerstört wird, eben auch durch diese bewaffneten Auseinandersetzungen, um es dann wirtschaftlich und politisch wieder neu aufzubauen. Während die Überlegungen der Menschen im Land selber dabei eigentlich keine Rolle spielen.“ Sie (die Verantwortlichen des Projektes „The Day After“; Anmerkung weltnetz.tv) sagen natürlich etwas anderes, das ist völlig klar… Aber als die erste Meldungen darüber bekannt wurden, war ich in Syrien, habe Zeitungsartikel darüber ins englische übersetzt und das dort Leuten gegeben und sie nach ihrer Meinung gefragt. Da hat man mir ganz deutlich gesagt: „Nun gut, NGO´s können machen, was sie wollen. Wenn sie dafür noch Geld bekommen, finanziert werden, können sie alle möglichen Planspiele machen. Aber das hat mit unserer Realität hier in Syrien sehr wenig zu tun. Wir müssen dafür sorgen, dass wir jetzt einen Weg finden, wie wir das Land entwickeln und wie wir aus der Gewaltspirale heraukommen - und nicht, was an einem ‚Tag danach‘ irgendwie geschehen sollte.“

weltnetz.tv: Welche Anstrengungen werden von der syrischen Regierung unternommen, die Krise im Land politisch zu lösen?

Karin Leukefeld: Es gab Anfang Mai ja Wahlen zu einem neuen Parlament und es wurde eine neue Regierung gebildet. Zwei Organisationen der Opposition sind ins Parlament gewählt worden und sie haben Vertreter in der Regierung.

Der eine, Kadri Jamil, ist Vize-Ministerpräsident und zuständig für die Ökonomie und den Handel. Er hat ganz klare wirtschaftliche Vorgaben gemacht und Pläne entwickelt, wie z.B. die Auswirkungen der Sanktionen durch die Europäische Union und die USA aufgefangen werden können. Wie also neue wirtschaftliche Kontakte nach Osten hin geknüpft werden können, um insbesondere die durch die Sanktionen der EU entstandenen Verluste aufzufangen. Das betrifft vor allem den Alltag der Bevölkerung, die Versorgung mit Dingen des Alltags, insbesondere im Energiesektor. Im Bereich der Energieversorgung gibt es neue Abkommen mit Iran und Russland. Gas und Heizöl werden jetzt von dort geliefert.

Kadri Jamil kümmert sich auch persönlich… Man muss sagen, er hat einen anderen politischen Stil als vorherige Politiker. Er geht also in die Geschäfte, er geht auf die Märkte, er sucht das Gespräch mit den Händlern, mit der Bevölkerung. Natürlich kann er nicht überall gleichzeitig sein. Er wird sehr häufig im Rundfunk interviewt und gibt darüber Entscheidungen bekannt… Er sucht die Nähe zur Bevölkerung und versucht, die Maßnahmen auch verständlich zu machen.

Ein anderer neuer Minister, und das ist auch ein neues Amt, ist ein „Minister für nationale Versöhnung“: Ali Haidar, ein Arzt. Ich hatte Gelegenheit, ihn zu interviewen. Haidar gehört einer oppositionellen syrischen Partei an, die lange Zeit verboten war und vor einigen Jahren wieder zugelassen wurde. Er hat ein sehr ausgefeiltes Programm entwickelt, wie die Versöhnung innerhalb des Landes vorangetrieben werden kann. Er reist in die verschiedenen Gebiete, wo gekämpft wird, er sucht das Gespräch mit den verschiedenen Akteuren. Er versucht, Familien, die vertrieben wurden, die Rückkehr in ihre Heimat zu ermöglichen; er hört, was für Voraussetzungen gefunden und gesetzt werden müssen, damit sie zurückkehren. Das ist eine sehr umfangreiche Arbeit, die sehr viel Zeit erfordert und die Bereitschaft von vielen Akteuren, sich daran zu beteiligen.

Sehr interesant fand ich, dass er ein Programm entwickelt hat, wie „syrische Bürger“ wie er sagt, die zu den Waffen gegriffen haben, überzeugt werden können, die Waffen abzugeben, ins zivile Leben zurückzukehren und sich am politischen Prozess zu beteiligen. Es gibt also ein klares Programm der „Wiedereingliederung“. Und auch die Frage der Straffreiheit für „syrische Bürger“. Haidar macht einen Unterschied zwischen syrischen Bürgern, die zu den Waffen greifen und ausländischen Kämpfern. Er sagt, das ist nicht meine Aufgabe, mit denen umzugehen. Meine Aufgabe sind die Syrer.

Und er kümmert sich sehr aktiv um die Frage der Gefangenen. Das ist ja eine Forderung der Opposition, dass die Gefangenen freigelassen werden. Und es werden fast täglich hunderte Gefangene freigelassen, das hört man selten hier in den Medien. Aber ich habe selbst an solchen Gefangenenfreilassungen teilgenommen und konnte dort auch mit den Menschen sprechen, wenn sie bereit waren, zu sprechen. Also auf dieser Ebene versucht die Regierung etwas zu unternehmen.

Sie haben jetzt, nach mehreren Anläufen, eine neue Konferenz der Opposition genehmigt. Ende September (2012) wird diese Konferenz in Damaskus stattfinden. Vierundzwanzig verschiedene Parteien, die Pläne für einen Waffenstillstand vorgelegt haben, werden sich daran beteiligen. Da ist die Regierung natürlich ganz klar gefragt, ihren Teil dazu beizutragen: die Waffen schweigen zu lassen und das Militär zurückzuziehen. Also ein ganz zentrale Forderung von Anfang an. Genauso sind aber die bewaffneten Kräfte der Opposition gefordert. Ich denke, diese Konferenz kann ein wichtiges Signal an die unterschiedlichen Gruppierungen innerhalb des Landes aussenden, dass es doch eine Bewegung gibt in Richtung einer politischen Lösung.

weltnetz.tv: Wie sehen die politischen Oppositionsgruppen denn aus? Welche Bewegung gibt es auf der politischen Ebene in der Opposition, auf einen Waffenstillstand hinzuarbeiten, auf eine nicht-militärische Lösung? Von diesen Gruppen hört man vergleichsweise wenig in der Presse hier ...

Karin Leukefeld: Ja, es ist leider auch so, dass einige dieser Gruppen von Presseorganen des Westens richtiggehend ausgeschlossen werden. Ich weiß von einigen Gruppierungen, die in Paris noch nicht einmal Zugang zu öffentlichen Räumen der Auslandspresse haben…

Es gibt diese Idee, eine Konferenz in Syrien, innerhalb des Landes, zu machen. Diese Idee ist erstmal Ende Juli aufgekommen, als sich zehn Gruppierungen der Opposition getroffen haben. Bei den Gruppen handelt es sich nicht immer um Parteien: viele sind auch nur Bewegungen, Bürgerforen oder Gruppierungen, die aus dem Gewerkschaftsbereich kommen; oder Gruppen, die z.B. von den Kurden unterstützt werden… Also zehn dieser Gruppen haben sich in Rom getroffen. Dort gibt es die Friedensgemeinde Sant‘Egidio, und die Verteter dieser zehn Gruppen haben zwei Tage lang diskutiert und eine Elf-Punkte-Erklärung verabschiedet, aus der ihre Zielsetzung hervorgeht und was sie tun wollen, um einen Waffenstillstand zu erreichen. All diese Gruppen sind mit der Erklärung zurück nach Syrien gegangen und haben dort, in ihrer jeweiligen Umgebung, in welcher sie aktiv sind, dafür geworben. Sie haben das Dokument bekannt gemacht und auch die syrische Presse hat teilweise darüber berichtet. Sie haben praktisch Basisarbeit vor Ort gemacht, um Unterstützung für diesen Plan zu bekommen. Und ein Teil der Vereinbarung war, eine Konferenz der Opposition in Damsakus zu machen. Und die findet nun statt.

Als ein Teil der Vorbereitung zu dieser Konferenz gab es zum Ende des Fastenmonats Ramadan einen Aufruf von Oppositionsgruppen für einen Waffenstillstand. Da gabs eine Pressekonferenz in Damaskus, ich war damals auch da, wo ganz konkret vier Punkte benannt wurden. Die Erklärung wurde der UN-Mission, der Regierung, der EU-Vertretung und der arabischen Liga überreicht und wurde natürlich im Land bekannt gemacht. Noch am gleichen Tag haben die Autoren dieser Erklärung, das war das „Nationale Koordinationskomitee für Demokratischen Wandel“, ein Bündnis von Oppositionsgruppen, von 18 verschiedenen bewaffneten Gruppierungen im Land eine positive Reaktion gehabt. Und gleichzeitig haben drei Vertreter der Regierung, Kadri Jamil, Ali Haidar und Dr. Farouk Shara, der Vizepräsident, sich öffentlich positiv zu diesem Aufruf geäußert. Es ist nicht zum Waffenstillstand gekommen, letztendlich. Aber die Initiative war ein Signal. Und dass sich bewaffnete Gruppen auch dazu geäußert haben, gesagt haben: wir sind bereit, die Waffen niederzulegen, wenn auch die Armee die Kämpfe einstellt… Das ist natürlich ein deutliches Signal, dass es unter den bewaffneten Gruppen auch Differenzen und unterschiedliche Vorgehensweisen gibt.

Wer sich ganz klar gegen diesen Aufruf zum Waffenstillstand geäußert hat, war einerseits die Freie Syrische Armee (FSA). Die hat sofort eine Erklärung gemacht: das kommt überhaupt nicht in Frage! Und andererseits der Syrische Nationalrat, der in Europa und in den USA als die Gruppierung der syrischen Opposition dargstellt wird. Auch die haben das total abgelehnt.

Also ich denke, da tut sich etwas im Land. Die leute haben großen Mut. Und das bringt natürlich auch eine gewisse Zuversicht in der Bevölkerung, wenn sie sehen, es gibt Leute bei uns im Land, die solche Aktivitäten ergreifen.

Einige der Gruppierung sind, wie ich sagte, Parteien - kommunistische Parteien. Die meisten fungieren aber als Bewegung. Also das Nationale Koordinationskomitee ist eine Bewegung. Es gibt die Bewegung „Den Syrischen Staat aufbauen“. Es gibt die „Bürgerrechtsbewegung des Hauran“, die sich sehr stark engagieren. Hauran ist eine Provinz im Süden des Landes. Es gibt eine „Allianz der Kurden“ die sich engagieren… Das ist ein Teil der Gruppierungen, die sehr aktiv sind.

weltnetz.tv: Karin Leukefeld, vielen Dank für das Gespräch!

Karin Leukefeld: Ich danke auch!

Das Gespräch wurde am 18.09.2012 in Berlin aufgenommen.

* Quelle: weltnetz.tv, 23.09.2012; hier geht es zum Video (30 Min.) [externer Link]


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