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Gewalt ohne Ende in Syrien - Mischen ausländische Militärs bereits mit?

Saudi-Arabien will den Konflikt in die UN-Vollversammlung bringen - USA schließen Militärintervention nicht mehr aus - Al Kaida ist schon da


Die Auseinandersetzung um den bürgerkriegsähnlichen Konflikt in Syrien spitzt sich zu. Am Wochenende gab es verschiedene diplomatische Bemühungen, den Konflikt zu "internationalisieren", d.h. ihn doch wieder vor die UNO zu bringen; nach dem Scheitern einer Resolution im UN-Sicherheitsrat am 4. Februar soll nun die Generalversammlung einbezogen werden. Beunruhigend sind aber vor allem Meldungen über den Einsatz von britischen Militärberatern auf der Seite bewaffneter syrischer Oppositioneller (auch das Dementi aus London kann nicht beruhigen) sowie über Überlegungen in Washington, in Syrien militärisch einzugreifen, falls der Konflikt nicht politisch zu lösen ist.
Im Folgenden dokumentieren wir hierzu eine Reihe aktueller Meldungen der Russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti.



Arabische Beobachtermission in Syrien soll „echt“ internationalen Status erhalten *

Die Arabische Liga will der in Syrien eingesetzten Beobachtergruppe „einen wirklich internationalen Status“ verleihen, teilte das ägyptische Fernsehen unter Berufung auf inoffizielle Informationen aus dem Hauptquartier der panarabischen Organisation in Kairo mit.

Die Arabische Liga soll am Sonntag (12. Feb.) in ihrer Sondersitzung auf Außenministerebene in der ägyptischen Hauptstadt erstmals über die Möglichkeit beraten, Vertreter nicht nur arabischer, sondern auch anderer Staaten in die Beobachtergruppe aufzunehmen.

Die zahlenmäßige Stärke der neuen internationalen Mission werde voraussichtlich um ein mehrfaches auf rund 3000 vergrößert. Die Mitglieder der Mission sollen mit „notwendigen modernen Ausrüstungen“ versorgt werden. Dabei solle die Mission weiterhin unter Kontrolle der Arabischen Liga stehen, hieß es.

Nach den Angaben beendet die bisherige Beobachtergruppe faktisch ihre Friedensmission in Syrien. Ihr Chef, der sudanesische General Mustafa al-Dabi, hat bereits beim Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi, ein Rücktrittsgesuch eingereicht.

Die Arabische Liga hatte am 26. Dezember 2011 entsprechend einem syrisch-arabischen Protokoll ihre Beobachter nach Syrien geschickt. Am 23. Januar verlängerte die Arabische Liga das Mandat der Beobachtergruppe um einen Monat und versprach, ihre Vollmachten auszuweiten. Die syrische Regierung war mit dieser Entscheidung einverstanden. Späterhin setzte die Arabische Liga jedoch „wegen der zunehmenden Gewalt“ die Arbeit der Beobachter im Land aus.

* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 12. Februar 2012


Syrien-Problem: Saudi-Arabien legt Uno neuen Resolutionsentwurf vor **

Saudi-Arabien hat am Freitag (10. Feb.) den Mitgliedern der UN-Vollversammlung einen neuen Resolutionsentwurf zu Syrien vorgelegt, der den Plan der Arabischen Liga zum Stopp der Gewalt in diesem Land völlig unterstützt und im Großen und Ganzen dem „marokkanischen“ Resolutionsentwurf ähnelt, den Russland und China vor einer Woche durch ihr Veto blockiert haben.

Wie Reuters am Samstag (11. Feb.) unter Berufung auf diplomatische Quellen mitteilte, ruft die Uno im neuen Resolutionsentwurf beide Konfliktseiten in Syrien auf, die Gewalt einzustellen, wobei die Hauptschuld den syrischen Behörden gegeben wird, die wegen „umfassender und regelmäßiger Verletzungen der Menschenrechte und der Hauptfreiheiten“ verurteilt werden.

Die der Verletzung der Bürgerrechte Schuldigen sollen laut dem Dokument zur Verantwortung gezogen werden. Der Internationale Strafgerichtshof wird dabei jedoch nicht direkt erwähnt.

Neu im saudi-arabischen Resolutionsentwurf ist der Vorschlag an den UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, einen Sonderbeauftragten für Syrien zu ernennen.

Die UN-Vollversammlung plant, das Syrien-Problem am Montag (13. Feb.) zu erörtern, wenn die UN-Menschenrechtskommissarin Nawi Pillay referieren soll. Die Abstimmung über den neuen UN-Resolutionsentwurf könnte in einer Woche stattfinden.

Russland und China hatten am 4. Februar im UN-Sicherheitsrat gegen den arabischen Resolutionsentwurf zu Syrien ihr Veto eingelegt. Das ist bereits der zweite Resolutionsentwurf zum Syrien-Problem, dessen Annahme Russland und China verhindert haben. Moskau und Peking äußern die Befürchtung, dass sich in Syrien das sogenannte „libysche Szenario“ der Gewaltanwendung von außen wiederholen könnte.

Am Freitag (10. Feb.) äußerte der saudi-arabische König Abdullah ibn Abd al-Aziz, dass Russland und China mit ihrem UN-Veto das Vertrauen zu den Vereinten Nationen ins Wanken gebracht hätten.

Syrien wird seit März 2011 von gewaltsamen Protesten gegen Präsident Assad erschüttert. Der syrische Präsident hatte zwar Reformen angekündigt, setzt jedoch Gewalt gegen die Demonstranten ein. Laut UN-Angaben sind bei den Gefechten bereits mehr als 5000 Menschen getötet worden.

** Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 11. Februar 2012


Moskau gegen Erörterung der jüngsten Syrien-Resolution in UN-Vollversammlung ***

Moskau unterstützt keine Diskussion über das Syrien-Problem in der UNO-Vollversammlung, solange der Resolutionstext zu Syrien nicht ausgewogen ist, so der stellvertretende russische Außenminister Gennadi Gatilow.

„Wir können die Unterbreitung der Syrien-Frage in der UN-Vollversammlung bei dem gleichen unausgewogenen Inhalt des Resolutionsentwurfs nicht unterstützen“, teilte Gatilow am Samstag (11. Feb.) in einem Twitter-Beitrag mit.

Russland und China hatten Anfang Februar einen von Marokko und anderen Staaten vorgelegten Resolutionsentwurf zu Syrien mit einem Veto blockiert. Dies war bereits die zweite Syrien-Resolution, die im Weltsicherheitsrat am Widerstand Russlands und Chinas scheiterte. Im Oktober hatten beide Staaten schon einmal einen Resolutionsentwurf, der einen internationalen Waffengang gegen das Assad-Regime nicht ausschloss, abgelehnt, um das „libysche Szenario" in Syrien zu verhindern.

In Syrien dauern seit März gewaltsame Proteste gegen Präsident Assad an, der zwar Reformen angekündigt hat, jedoch Gewalt gegen die Gegner einsetzt. Laut UN-Angaben sind bei den Gefechten bereits 5000 Menschen getötet worden. Nach Darstellung der syrischen Behörden kämpft die Armee gegen gut bewaffnete Extremisten. Westliche Staaten und die Arabische Liga verhängten Sanktionen gegen Syrien.

*** Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 11. Februar 2012


Nach Veto gegen Syrien-Resolution: Druck auf Russland wächst – "Nesawissimaja Gaseta" ****

Katar und Großbritannien haben Spezialeinsatzkräfte nach Syrien entsandt, schreibt die Zeitung "Nesawissimaja Gaseta" am Freitag (10. Feb.) unter Berufung auf israelische Medienberichte.

Die Truppen sollen sich in der Nähe der umkämpfen Stadt Homs aufhalten und die syrische Opposition im Kampf gegen die Regierungstruppen beratend zur Seite stehen. Das US-Verteidigungsministerium bereitet derweil einen Militäreinsatz für den Fall vor, dass die diplomatischen Bemühungen um Ende der Gewalt erfolglos enden.

Das Pentagon soll bereits seit mehreren Wochen Pläne zur Intervention in den Syrien-Konflikt hegen. Dabei geht es nicht nur um die Aufnahme von Flüchtlingen und um die medizinische Versorgung der Syrer, sondern auch um eine Invasion der Nato-Truppen. Nach Angaben der britischen „Times“ wird darüber nachgedacht, wie syrische Aufständischen mit Waffen versorgt werden können.

Bis zuletzt hatte das Weiße Haus eine militärische Intervention bzw. die Aufrüstung der syrischen Opposition im Kampf gegen die Truppen von Präsident Baschar Assad ausgeschlossen. Am vergangenen Wochenende schloss Präsident Barack Obama eine Wiederholung des „libyschen Szenarios“ in Syrien noch aus.

Washington erläutert die entstandene Situation wie folgt: Einerseits will die US-Militärbehörde auf jegliche Entwicklung in Syrien vorbereitet sein. Andererseits werde vorerst weiter auf diplomatische Anstrengungen bzw. wirtschaftliche Sanktionen bei der Konfliktregelung gesetzt, beteuerten Pentagon-Vertreter.

Der diplomatische Druck auf Syrien wächst inzwischen nicht nur seitens der USA, die Anfang dieser Woche ihre Botschaft in Damaskus geschlossen haben. Ihrem Beispiel folgten fünf europäische und sechs arabische Länder.

Nach dem Veto Russlands und Chinas gegen die neue Syrien-Resolution im UN-Sicherheitsrat bemühen sich die USA samt Frankreich, Großbritannien und arabischen Ländern um die Bildung einer Kontaktgruppe für die syrische Opposition. Für Moskau und Peking gibt es in diesem Gremium keinen Platz. „Infrage kommen nur Freunde des demokratischen Syriens, die den Plan der Arabischen Liga unterstützt haben, nämlich den Plan, der im UN-Sicherheitsrat behandelt wurde und gegen den Russland und China ihr Veto eingelegt haben“, betonte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Victoria Nuland.

Das bedeutet allerdings nicht, dass der Westen die Hoffnung aufgegeben hat, Moskau noch umzustimmen. Am Mittwoch telefonierten der russische Präsident Dmitri Medwedew mit seinem französischen Amtskollegen Nicolas Sarkozy und Außenminister Sergej Lawrow mit US-Chefdiplomatin Hillary Clinton, die er über die Ergebnisse seiner jüngsten Damaskus-Reise informierte.

„Es gibt drei wichtigste Kräfte, die gegen Assad auftreten“, sagte Georgi Mirski vom Institut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen bei der Russischen Akademie der Wissenschaften. „Das sind die westlichen Großmächte, die Arabische Liga und die Türkei. Offenbar auf Initiative Sarkozys wurde die so genannte Gruppe der Syrien-Freunde gebildet. Nachdem Russland und China die Syrien-Resolution im Weltsicherheitsrat blockiert haben, wollen diese Kräfte außerhalb der UNO agieren und die syrischen Rebellen anderweitig unterstützen.“

**** Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 10. Februar 2012

Al Kaida ruft zum Krieg gegen syrische Regierung

Der Chef des Terrornetzes El-Kaida, Aiman al-Sawahiri, bekundete in einem Internetvideo seine unterstützung für die Revolte in Syrien. In dem Video mit dem Titel "Vorwärts, Löwen von Syrien" beschuldigt Sawahiri die syrische Führung der Verbrechen gegen ihre Bürger, wie das auf die Überwachung islamistischer Internetseiten spezialisierte US-Unternehmen SITE mitteilte.

Das am Samstag eingestellte achtminütige Video zeigt demnach den El Kaida-Chef vor einem grünen Vorhang, wie er alle Muslime in der Türkei, in Jordanien und dem Libanon dazu aufruft, die Rebellion gegen das "anti-islamische Regime" in Damaskus zu unterstützen. An die Syrer appelliert er laut SITE, den westlichen oder arabischen Regierungen nicht zu vertrauen. Diese wollten nur eine von ihnen abhängige Regierung in Damaskus installieren.

(Quelle: AFP, 12.02.2012)




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