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Provokationen gegen Syrien

USA schicken "Militärexperten" nach Jordanien. Spekulationen um Anschlagspläne gegen Präsident Assad

Von Karin Leukefeld *

Um Jordanien zu helfen, »den Ansturm syrischer Flüchtlinge zu bewältigen«, schickt die US-Regierung 150 »Militärexperten« nach Jordanien. Aufgabe des Sondereinsatztrupps sei es, ein Übergreifen des Konflikts in Syrien auf Jordanien zu verhindern, bestätigte ein namentlich nicht genannter Pentagonvertreter am Rande des Treffens der NATO-Verteidigungsminister am Mittwoch in Brüssel einen Bericht der New York Times. Die Militärexperten würden auch zum Einsatz kommen, sollte Syrien die Kontrolle über seine Chemiewaffen verlieren. Untergebracht sind die Sondereinsatzkräfte in einer Einrichtung der jordanischen Armee, etwa 50 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt.

Die Mission dürfte Teil eines NATO-Plans gegen Syrien sein, der Beobachtern zufolge schon seit Herbst 2011 vorliegt. NATO-Generalsekretär Rasmussen hatte am Dienstag in Brüssel Bündnistreue für die Türkei betont und erklärt, NATO-Pläne für eine mögliche Intervention in Syrien seien bereit. Die US-»Militärexperten« könnten teilweise auch Agenten des US-Geheimdienstes CIA sein, die einen anderen Auftrag haben könnten. Seit Monaten kursieren Spekulationen durch verschiedene Medien, wonach es einen Plan zur Ermordung des syrischen Staatschefs gibt. Die Berichte vervielfachten sich nach dem Anschlag auf die Spitzen von Militär und Geheimdiensten im Juli in Damaskus. Dabei wurden Verteidigungsminister Daoud Rajha, sein Stellvertreter Assef Shawkat, Hisham Ikhtiar, Leiter des Nationalen Sicherheitsbüros, und Vizepräsident General Hassan Turkmani ermordet.

Offizielle Quelle der Spekulationen ist das israelische Internetportal DEBKA, das dem Geheimdienst des Landes nahesteht. Die »Nachrichten« dieser Quelle dienen häufig der Desinformation. Teil der französisch-saudischen Pläne für die Ermordung von Baschar Al-Assad solle demnach ein ausgiebiger Luftangriff auf den Präsidentenpalast bei Damaskus sein. Gleichzeitig sollten Radar und Luftabwehr lahmgelegt und die syrische Luftwaffe am Boden zerstört werden. Obama habe den Plan abgelehnt, heißt es. Für den australischen Außenminister Bob Carr scheint der Mord am syrischen Präsidenten derweil nicht abwegig. Dem Australian erklärte Carr am Dienstag, eine »massive militärische Abspaltung und die Ermordung« von Assad seien für ihn »Voraussetzungen, um dem Frieden in Syrien näherzukommen«.

Der Vorsitzende des Syrischen Nationalrates (SNR), Abdel Basset Sayda, besuchte am Montag Aufständische an einem von diesen eingenommenen syrischen Grenzposten in der Provinz Idlib. Am Bab Al-Hawa, das Beobachtern zufolge bereits mehrfach von Dschihadisten und Al-Qaida-Kämpfern eingenommen wurde, habe er Kommandeure der »Freien Syrischen Armee« getroffen, hieß es aus Kreisen der Aufständischen. Einem Sprecher zufolge plant der SNR »große Veränderungen«, wenn er sich Ende der Woche in der katarischen Hauptstadt Doha treffen wird. 26 neue syrische Nichtregierungsorganisationen und Oppositionsgruppen sollen aufgenommen werden, hieß es. Ausdrücklich ausgeschlossen wurde die Aufnahme des Nationalen Koordinationsrates für Demokratischen Wandel (NCC). Dieser lehnt den bewaffneten Kampf und eine ausländische Intervention ab und strebt einen friedlichen politischen Wandel an.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle traf am Dienstag mit dem stellvertretenden Außenminister Saudi-Arabiens, Prinz Abdulaziz bin Abdulaziz Al-Saud, im Auswärtigen Amt in Berlin zusammen. Man habe über die Lage in Syrien, die Stärkung der syrischen Opposition und die humanitäre Notlage der Bevölkerung gesprochen, hieß es in einer offiziellen Erklärung. Westerwelle forderte »das syrische Regime auf, alle Provokationen und Übergriffe an der syrisch-türkischen Grenze sofort einzustellen«. Ein Bericht der britischen BBC hatte tags zuvor das saudische Engagement im Norden Syriens aufgezeigt. Ein Reporter, der mit den Aufständischen in Aleppo die Front besichtigt hatte, filmte in einer Moschee ein Waffenlager. Darunter waren drei Kisten mit Munition oder Waffen der Firma Dastan in der Ukraine. Hineinsehen durfte der BBC-Reporter nicht. Adressat der Sendung: Verteidigungsministerium, Armee und Luftwaffe von Saudi-Arabien.

* Aus: junge welt, Donnerstag, 11. Oktober 2012


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