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Israels Eingreifen

Tel Aviv startet stellvertretend für Washington "Schock-und-Terror"-Kampagne gegen Syrien. Damaskus wertet Angriff als Unterstützung für bewaffnete Aufständische

Von Karin Leukefeld *

Die Welle israelischer Luftangriffe auf mindestens vier militärische Ziele um die Hauptstadt Damaskus am vergangenen Wochenende war mit der US-Administration abgesprochen. Davon zeigt sich der Korrespondent der Asia Times, Pepe Escobar, überzeugt. Im Gespräch mit dem Nachrichtensender Russia Today sagte der in London lebende Escobar, der israelische Angriff sei für Washington eine »Ausweichlösung«, die sich seit dem Besuch von US-Verteidigungsminister Chuck Hagel in Israel abgezeichnet habe. Israel habe stellvertretend für die USA eine Art »Schock-und-Terror«-Kampagne gegen die syrischen Streitkräfte gestartet, die Washington selbst nicht machen wolle. Der Angriff sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem die syrische Armee den Aufständischen massive Niederlagen zugefügt und im Umland von Damaskus und in Homs deren Nachschubwege abgeschnitten hätte. Die »Koalition der Willigen« um die USA und ihre Verbündeten, habe sich mit ihrer Parteinahme für die Aufständischen in Syrien verrechnet, so Escobar. Nach zwei Jahren sei der syrische Präsident immer noch da, nun greife man zu Plan B, die »Bombardierung Syriens, mal sehn, was sie tun.«

Ähnlich äußerte sich Charlie McGrath, der in den USA das Internetportal »Wideawakenews.com« herausgibt. Die Rhetorik der vergangenen Wochen über die »Rote Linie« bei einem angeblichen Einsatz von Giftgas durch die syrische Armee habe den Angriff vorbereitet, sagte er Russia Today. Daß nicht Al-Qaida oder islamistische Gruppen wie die Nusra-Front in Syrien angegriffen worden seien, zeige, daß diese Gruppen in Syrien als Partner des Westens kämpften.

In Israel debattieren Sicherheitsexperten seit Wochen darüber, wie sich ein Sturz der Führung in Damaskus auf Israel auswirken werde. Jonathan Spyer vom Globalen Forschungszentrum für Internationale Politik in Herzliya zeigte sich gegenüber dem Internetportal Middle East Online überzeugt, daß die Sicherheit Israels durch einen Sieg der Aufständischen gestärkt werde. Das »Assad-Regime ist zwar nicht fanatisch, doch es ist gefährlich wegen seines Bündnisses mit dem Iran«, sagte er. Sein Kollege Eli Karmon meinte, ein Sturz von Assad werde »die strategische Position Irans in der Region schwächen.« Hisbollah werde isoliert und unter Druck geraten. Allerdings sei Israel kein Freund der islamistischen Kämpfer, also sei es am besten, wenn »das Regime und die Kämpfer der Opposition so lange wie möglich gegeneinander kämpfen, daß wird beide schwächen«.

Die Art der Explosionen am Sonntag morgen sei ein Hinweis, daß die israelische Luftwaffe abgereicherte Uranmunition eingesetzt habe. Das sagte ein hochrangiger Militär von der angegriffenen Forschungsanlage dem Nachrichtensender Russia Today. Es sei wie ein Erdbeben gewesen, »dann stieg ein riesiger goldener Feuerpilz auf. Das sagt uns, daß Israel Raketen mit abgereicherter Uranmunition eingesetzt hat«.

Der frühere Direktor des israelischen Außenministeriums, Alon Liel, wurde im ARD-Hörfunk mit der Einschätzung zitiert, daß es »ein echtes Problem für Israel« werden könne, »wenn jemand die Angriffe als Einmischung in den Bürgerkrieg« verstehen könnte. Tatsächlich hätten sich die Angriffe »nicht gegen Syrien, sondern gegen Iran und die Hisbollah gerichtet«, so Liel.

In Syrien wertet man den Angriff als Unterstützung für die bewaffneten Aufständischen, die nach Auskunft verschiedener Gesprächspartner aus der Bevölkerung in den vergangenen Wochen durch die regulären Truppen zurückgedrängt worden waren. Der Flughafen von Damaskus sei in Betrieb, sagte ein Mitarbeiter der syrischen Fluglinie. Reisende berichteten gegenüber jW, daß Überlandstraßen, die wegen anhaltender Kämpfe mit Aufständischen gesperrt waren, wieder normal befahrbar seien. Israel sperrte derweil seinen nördlichen Luftraum. Zwei zusätzliche Raketenabwehrbatterien »Eiserne Kuppel« waren bereits vor einiger Zeit auf dem besetzten Golan aktiviert worden.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 7. Mai 2013


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