Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Angst vor Terroristen

Syrien: Israel plant bereits für Zeit nach Assad

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Bei der Münchner »Sicherheitskonferenz« am vergangenen Wochenende hat der scheidende israelische Verteidigungsminister Ehud Barak den Angriff auf eine syrische Forschungsanlage bei Damaskus eingeräumt. Der Angriff sei ein »weiterer Beweis, daß wir meinen, was wir sagen«, so Barak. Damaskus drohte nach dem Angriff mit Vergeltung, der enge Verbündete Rußland mahnte zur Zurückhaltung.

Unter Berufung auf einen anonymen US-Militärbeamten berichtete die New York Times am Montag, Israel habe »möglicherweise« das »wichtigste Forschungszentrum für Bio- und Chemiewaffen« Syriens zerstört. Bisher war behauptet worden, der Angriff habe sich gegen einen Waffentransport in den Libanon gerichtet.

Wie Washington und Berlin auf politischer Ebene, so hat jetzt auch Tel Aviv zumindest einen militärischen Plan für »den Tag danach« ausgearbeitet, sollte Syriens Präsident Baschar Al-Assad gestürzt, getötet oder vertrieben werden. Die Nachrichtenagentur AFP berichtete am Montag unter Berufung auf »israelische Sicherheitskreise«, das Armeekommando Nord der israelischen Streitkräfte wolle in dem Fall eine »Sicherheitszone« auf syrischem Territorium besetzen. Ziel sei es, »terroristische Elemente« von der israelischen Grenze fernzuhalten. Es sei nicht geplant, israelisches Militär nach Syrien weiter einmarschieren zu lassen, hieß es bei AFP. Die Meldung wurde vom israelischen Armeesprecher nicht kommentiert.

Knapp zwei Monate nach ihrer Verschleppung durch bewaffnete Aufständische sind zwei Russen und ein Italiener von ihren Geiselnehmern wieder freigelassen worden. Das russische Außenministerium teilte mit, daß die drei Männer am Sonntag im Austausch für drei gefangene Aufständische freigelassen worden seien. Bei dem Italiener handelte es sich um einen Ingenieur, der in einem Stahlwerk bei Latakia tätig war. Die drei Männer waren am 12. Dezember auf dem Weg von Homs in die Küstenstadt Tartous verschleppt worden. Im Dezember hatte der prominente Oppositionelle Haitham Al-Maleh in arabischen Nachrichtensendern Russen in Syrien als »legitime Ziele« für die Aufständischen bezeichnet, weil Moskau Assad unterstütze. Entführungen und gezielte Morde an Personen haben in Syrien im vergangenen Jahr enorm zugenommen. Am Sonntag starb der frühere Parlamentsabgeordnete Ibrahim Azzouz durch eine Anschlag unbekannter Täter südlich von Aleppo. Er war mit seiner Frau, einem Bruder und seinen zwei Töchtern mit dem Auto unterwegs, das von Kugeln durchsiebt wurde. Alle fünf Personen wurden getötet.

Angesichts der Bewegung auf der diplomatischen Ebene hoffen viele Syrer auf eine baldige Einigung zwischen den bewaffneten Aufständischen und den Streitkräften, um Blutvergießen, Zerstörung und Vertreibung zu beenden. Möglicherweise sei der Westen mit dem bisherigen Ergebnis zufrieden, sagte ein Gesprächspartner, der namentlich nicht genannt werden wollte, gegenüber junge Welt. »Wie zuvor Irak haben sie Syrien wirtschaftlich und politisch geschwächt, damit haben die USA und Europa eines ihrer wichtigsten Ziele erreicht. Syrien wird kaum mehr das politische Gewicht in der Region haben wie zuvor. Als nächstes werden sie sich auf Iran konzentrieren.«

Die neuerdings signalisierte Gesprächsbereitschaft von Mouaz Al-Khatib, Präsident der »Nationalen Koalition für die Kräfte von Opposition und Revolution in Syrien«, wird von einigen Syrern mit Hoffnung, von anderen mit Schulterzucken quittiert. »Wenn du von dem Brot des Sultans essen willst, mußt du mit seinem Schwert kämpfen«, zitiert ein anderer Gesprächspartner ein altes arabisches Sprichwort. Al-Khatib sei von seinen Geldgebern gedrängt worden, sich zu Gesprächen bereitzuerklären.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 5. Februar 2013


Zurück zur Syrien-Seite

Zur Israel-Seite

Zurück zur Homepage