Syrien bestreitet irakische Vorwürfe
Bekenntnis zu "strategischer Kooperation"
Von Karin Leukefeld *
Die Türkei war in der vergangenen Woche Schauplatz wichtiger politischer Gespräche, in denen es
sowohl um den stockenden israelisch-arabischen Friedensprozess als auch um die syrischirakischen
Spannungen ging.
Der syrische Präsident Baschar al-Assad sprach mit dem türkischen Ministerpräsident Tayyip
Erdogan über die Möglichkeit einer Neuaufnahme israelisch-syrischer Gespräche, in denen die
Türkei im vergangenen Jahr bereits vermittelt hatte. Gleichzeitig versucht Ankara sich als Vermittler
im derzeitigen Streit um irakische Vorwürfe, Syrien habe die Drahtzieher zweier folgenschwerer
Attentate am 19. August in Bagdad unterstützt. Mindestens 95 Personen waren bei den Anschlägen
vor dem Außen- und Finanzministerium ums Leben gekommen, hunderte wurden zum Teil schwer
verletzt.
Der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki behauptet, dass 90 Prozent der Anschläge in Irak von
Syrien aus geplant, gesteuert und finanziert werden. Er wirft Damaskus vor, die im syrischen Exil
lebenden Mitglieder der in Irak verbotenen Baath-Partei gewähren zu lassen. Die Partei kooperiere
mit Al Qaida in Irak, zwei hochrangige Baath-Funktionäre hätten die Anschläge am 19. August
gesteuert. Als Beweis legte Bagdad ein Video mit dem Geständnis eines früheren irakischen
Polizeichefs vor. Zur Aufklärung der Anschläge fordert Maliki vom UN-Sicherheitsrat gar die
Einrichtung eines Sondertribunals.
Der syrische Präsident Bashar al-Assad hat die Anschuldigungen als »unmoralisch«
zurückgewiesen und bezeichnete sie als »politisch motiviert«. Er verwies auf rund 1,2 Millionen
irakische Flüchtlinge, die in Syrien seit Jahren Zuflucht gefunden haben, und forderte belastbare
Beweise.
Solche will Irak am vergangenen Dienstag bei einem ersten Treffen von Sicherheitsexperten beider
Staaten vorgelegt haben. Es handle sich dabei um Geständnisse und Belege für
Kommunikationswege, aus denen »die finanzielle und logistische Unterstützung von Personen, die
in Syrien leben und Beziehungen zu Al Qaida haben« hervorgehe. Das erklärte der irakische
Regierungssprecher Ali al-Dabbagh. Am Donnerstag trafen der syrische Außenminister Walid al-
Mou'allem, sein irakischer Amtskollege Hosjar Zebari sowie der türkische Außenminister Ahmed
Davitoglu und der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mousa, zusammen. Konkrete
Ergebnisse ihrer Unterredung wurden jedoch nicht bekannt. Syriens Außenminister Mou'allem
bekräftigte jedoch die Verpflichtung seiness Landes zu einer »Beziehung der strategischen
Kooperation« mit Irak.
Die ursprünglich 1940 von Michel Aflaq und Salah Bitar gegründete Baath-Partei (Baath bedeutet
Wiedergeburt) propagierte Einheit, Freiheit und Sozialismus und eine vereinte arabische Nation. Am
stärksten war die Partei in Syrien und Irak, doch innerparteiliche Machtkämpfe führten 1966 zu einer
Spaltung und zu tiefer Feindschaft. Die Architekten des »neuen Irak« verfuhren nach der USamerikanischen
Invasion 2003 nach dem Muster der Besetzung Deutschlands nach 1945: Ähnlich
wie hier die Entnazifizierung wurde in Irak eine »Entbaathifizierung« durchgesetzt. Baathmitglieder
und -funktionäre wurden gleichsam geächtet und verfolgt. Viele schlossen sich daraufhin dem
irakischen Widerstand an, andere gingen ins Exil nach Syrien, das als einziges arabisches Land
seine Grenzen für die fliehenden Iraker offen hielt.
* Aus: Neues Deutschland, 21. September 2009
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