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Hilfe für Syrer

Unterstützung internationaler Organisationen für Flüchtlinge. Vor Geberkonferenz in Kuwait neues Massaker bekanntgeworden

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Der Souk Al-Hamidiye ist der wohl bekannteste Markt der Damaszener Altstadt. Er endet direkt vor dem Haupttor der Umayyaden Moschee, in diesen Tagen ist er von Menschen überfüllt. Zwischen den hell erleuchteten Verkaufsständen, der Musik, den Marktschreiern, die ihre Produkte anbieten scheint es fast, als sei die Zeit in Syrien stehengeblieben. Kaum sind die Bomben und Detonationen zu hören, die weiter südöstlich die Vororte und Satellitenstädte von Damaskus erschüttern; die Menschen gehen gelassen und Arm in Arm, Kinder toben um sie herum. An jeder Abzweigung zu einer der vielen Marktgassen, die vom Souk Al-Hamidiye abzweigen, stehen zumeist dunkel gekleidete Männer in kleinen Gruppen zusammen und beobachten das Geschehen aufmerksam. »Die Sicherheitskräfte sind überall«, sagt eine Altstadtbewohnerin. »Die wenigsten der Menschen im Souk sind Käufer. Sie sind vor den Kämpfen um Damaskus herum in die Innenstadt geflohen und verbringen den Tag, indem sie herumlaufen, um ihren engen Notunterkünften zu entfliehen.

Wo immer es einen Raum in Damaskus gibt, ob leerstehende Wohnung, Zimmer oder ein Büro, haben sich Menschen einquartiert, die noch etwas Geld für eine Miete aufbringen können. Hotels haben ihre Preise mindestens 20 Prozent gesenkt, die meisten Vertriebenen sind bei Familienangehörigen untergekommen. Schätzungen zufolge könnten es bis zu eine ­Million Menschen sein, die in Damaskus Schutz suchen. Manchmal leben bis zu drei Familien in einem Zimmer, erzählt eine andere Frau: »Sie schlafen in Schichten, weil nicht genügend Raum auf dem Boden ist.« Beide Gesprächspartnerinnen, die namentlich nicht genannt werden möchten, haben mit einer christlichen Hilfsorganisation schon mehrfach Lebensmittel, Obst, Matratzen und Decken verteilt. Mehr als 100 syrische Nichtregierungsorganisationen arbeiten mit den verschiedenen UN-Organisationen zusammen, um ein umfangreiches Hilfsprogramm der Humanitären Nothilfe der Vereinten Nationen, OCHA, umzusetzen.

Vor einer internationalen Geberkonferenz, die am heutigen Mittwoch in Kuwait stattfindet, haben Frankreich und Staaten aus dem Kreis der »Freunde Syriens« am Montag in Paris gefordert, rund 500 Millionen US-Dollar, die von der UNO für Hilfe innerhalb Syriens beantragt worden sind, über die syrische Auslandsopposition an Hilfsbedürftige in Syrien zu verteilen und nicht über offizielle syrische Strukturen. Der leitende Direktor von OCHA, John Ging erklärte, die UN koordiniere ihre Arbeit mit der Regierung jedes Staates, in dem sie tätig sei. Der Staat sei der »Gastgeber der Vereinten Nationen«, doch keine Regierung erhalte einen »einziger Dollar« von den Spendengeldern. Die Leiterin von OCHA, Valerie Amos, ist nach einem zweitägigen Aufenthalt in Damaskus nach Kuwait weitergereist, wo sich herausstellen wird, wieviel die internationale Staatengemeinschaft für die syrische Bevölkerung zu spenden bereit ist. Am Dienstag trafen sich bereits 77 arabische, islamische und internationale Hilfsorganisationen in Kuwait und kündigten 182 Millionen US-Dollar für die syrischen Flüchtlinge in Nachbarländern an.

Vor dem offiziellen Beginn der UNO-Geberkonferenz in Kuwait wurden erneut Greueltaten aus Syrien bekannt. In Bustan Al-Qasr, nördlich von Damaskus sollen nach Angaben der Informationsnetzwerke der bewaffneten Aufständischen die Leichen von mindestens 65 Männern gefunden worden sein. Die Toten seien alle mit jeweils einem Schuß regelrecht hingerichtet worden, ihre Hände waren gefesselt. Es sei unklar, wer für die Morde verantwortlich ist. In Kafar Batna und Hassah, zwei Orten östlich von Damaskus, forderten nach Angaben syrischer Medien Tausende Demonstranten den Abzug der bewaffneten Gruppen.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 30. Januar 2013


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