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Nur nicht verhandeln

Syrische Opposition torpediert Beginn der Genfer Konferenz

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Syrer und Palästinenser hoffen, daß mit Beginn der Syrien-Konferenz in Genf zumindest die Kämpfe in Syrien allmählich beendet werden können. Die Außenminister der USA und Rußlands, John Kerry und Sergej Lawrow, berieten über die vorgeschlagenen Verhandlungen am Dienstag am Rande der Südostasienkonferenz in Brunei. »Unsere amerikanischen Partner haben erkannt, daß es jetzt wichtig ist, die syrische Opposition auf das Genfer Abkommen vom 30. Juni vergangenen Jahres festzulegen«, zitierte die russische Nachrichtenagentur Interfax den russischen Außenminister. An die Adresse der oppositionellen Nationalen Koalition erklärte Kerry, es gebe »kein Nein zu einer politischen Lösung«. Kerry sprach auch mit dem türkischen Außenminister Ahmed Davutoglu über die Rolle der Türkei in deren Nachbarland.

Der Syrien-Beauftragte der Vereinten Nationen, Lakhdar Brahimi rechnet derweil nicht mit dem Treffen im Juli. Ursprünglich sollte die Syrien-Konferenz schon im Mai in Genf beginnen. Grund für die Verzögerung sei die Uneinigkeit der Opposition, so Brahimi. Die vom Westen als »legitime Vertretung der Syrer« anerkannte Nationale Koalition wird am kommenden Wochenende in Istanbul erstmals im erweiterten Rahmen konferieren. Auf Druck der USA und europäischer Staaten hatte sich die von der Muslimbruderschaft und anderen islamistischen Gruppen dominierte Nationale Koalition kürzlich von 63 auf 114 Mitglieder erweitert. Der Oppositionelle Michel Kilo konnte die Aufnahme von zwölf religiös Ungebundenen und zehn moderaten Islamgläubigen durchsetzen. Seitens eines »Auswahlkomitees« wurden weitere 14 »revolutionäre Aktivisten« aufgenommen, angeblich als Vertreter der Provinzen. Die »Freie Syrische Armee« (FSA) benannte 15 Zivilisten aus ihren Reihen. Aus inoffiziellen Quellen wurde bekannt, daß es offenbar seitens der Muslimbruderschaft und von Unabhängigen um Michel Kilo Bemühungen gibt, Kämpfer der Nusra-Front und anderer islamistischer Kampfbrigaden zu überzeugen, sich der FSA anzuschließen.

Die Pressestelle der Koalition hatte am Wochenende »Diskussionen über die Durchführung einer Konferenz für eine politische Lösung« in Syrien als »bedeutungslos« bezeichnet. Die jüngste Offensive der syrischen Streitkräfte auf Stützpunkte der bewaffneten Aufständischen in Homs wirke sich »negativ auf die internationalen Bemühungen für eine Genf-2-Konferenz« aus.

Es wäre ein Fortschritt, wenn die Gespräche bald beginnen würden, meinte am Dienstag der Palästinenser Samer S. gegenüber jW in Damaskus. In dem dortigen palästinensischen Flüchtlingslager Jarmuk und den anderen südlichen Bezirken, wo rund 5000 Kämpfer vermutet würden, gebe es unzählige Gruppen, die eine Kreuzung oder einen Häuserblock kontrollierten. »Alle nennen sich ›Freie Syrische Armee‹ aber tatsächlich sind es Islamisten und Salafisten, Diebe und Drogendealer«, so S. Politisch hätten die Kämpfer nichts anzubieten, ein militärisches Oberkommando gebe es nicht.

In Syrien halten die Kämpfe zwischen Aufständischen und den staatlichen Streitkräften an. Nach tagelangen Kämpfen in Außenbezirken der syrischen Hauptstadt gab die Armee am Dienstag bekannt, den größten Teil von Jobar befreit zu haben. »Dutzende Terroristen sind getötet, ihre Waffen und Ausrüstung zerstört worden«, hieß es in einer Erklärung. Zehn Personen, darunter drei Kinder, wurden am Dienstag Opfer eines Mörsergranatangriffes in dem südlichen Vorort Tadamon. In der Stadt Homs zerstörten Aufständische offiziellen Angaben zufolge die Gebäude der Generalagentur für Sozialversicherungen, die den regionalen Behörden unterstehen. Der Vatikan bestätigte derweil, daß Kämpfer der Nusra-Front den Franziskanerpriester François Murad öffentlich enthauptet haben. Der Mord ereignete sich bereits am 23. Juni im Norden des Landes (Gassanieh).

Ein jordanischer Offizier der Luftwaffe soll sich Medienberichten zufolge den Truppen der Nusra-Front in Syrien angeschlossen haben. Der 1984 geborene Ahmad Atallah Shbeib Al-Majali sei in die Türkei gefahren und von dort nach Syrien gegangen, bestätigte ein anonymer Verwandter des Offiziers. Die jordanische Armee hatten kürzlich ein großes Manöver mit den US-Streitkräften und Truppen anderer Länder durchgeführt, bei dem auch die Bekämpfung von Aufständischen geübt worden war. Nach dem Manöver haben die USA ihre Präsenz in Jordanien auf 1000 Soldaten erhöht.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 3. Juli 2013


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