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Aufrüstung statt Dialog

"Freunde Syriens" kündigen in Istanbul Aufstockung der Unterstützung für Opposition an. Erneut Aufhebung des Waffenembargos diskutiert

Von Karin Leukefeld *

Die aus elf Staaten bestehende Führungsgruppe der »Freunde Syriens« wird den Krieg der oppositionellen syrischen »Nationalen Koalition« weiter unterstützen. Dies ist das zentrale Ergebnis des Treffens von Vertretern der Türkei, Katars, Saudi-Arabiens, der Vereinigten Arabischen Emirate, Ägyptens, Jordaniens, Frankreichs, der USA, Großbritanniens, Deutschlands und Italiens am Wochenende in Istanbul.

Die Bundesregierung wird ihre »humanitäre Hilfe« an die Gruppe um 15 Millionen Euro auf 145 Millionen Euro erhöhen. Mit dem Geld aus Berlin sollen Flüchtlinge versorgt und eine noch zu bestimmende »Oppositionsregierung« unterstützt werden, die den Aufbau in den von den Aufständischen »befreiten Gebieten« vorantreiben soll. Ein deutsches »Kontaktbüro« an der türkisch-syrischen Grenze soll die Arbeit unterstützen. Die völkerrechtlichen Grundlagen für die Maßnahme sind unklar.

US-Außenminister John Kerry kündigte die Verdopplung der US-Hilfe auf 250 Millionen US-Dollar an. Die USA will die Kämpfer der »Nationalen Koalition« mit kugelsicheren Westen, Nachtsichtgeräten und gepanzerten Fahrzeugen für ihre Angriffe auf die regulären syrischen Streitkräfte ausrüsten. Waffen werden von Katar, Saudi-Arabien und ­Libyen geliefert. Alle Lieferungen sollen nach Angaben von Außenminister Kerry durch den Chef des Militärrates der »Freien Syrischen Armee«, General Selim Idriss, kontrolliert werden.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle deutete eine Lockerung des EU-Waffenembargos an die Aufständischen an. Wenn »ein oder zwei Länder« in der EU der Meinung seien, es bestehe kein Risiko, daß Waffen in die falschen Hände gerieten, werde Deutschland »das zu respektieren haben«, sagte er in Istanbul. Das EU-Waffenembargo läuft Ende Mai aus, heute werden in Luxemburg die EU-Außenminister darüber beraten. Großbritannien und Frankreich wollen in der EU offizielle Waffenlieferungen an die Aufständischen durchsetzen.

Die Delegation der »Nationalen Koalition« hatte die von den westlichen Staaten der Führungsgruppe formulierte Voraussetzung für weitere Hilfe erfüllt und sich von jeder Art von Terrorismus und Extremismus distanziert. Man versprach den Aufbau eines demokratischen Systems in Syrien für die Zeit nach dem angestrebten Sturz von Präsident Baschar Al-Assad. In einer am Samstag abend verbreiteten Erklärung forderte die Gruppe die westlichen Staaten zu »chirurgischen Drohnenangriffe« gegen die syrische Luftwaffe und Armee auf. Um die Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimat abzusichern, müsse eine Flugverbotszone »an den nördlichen und südlichen Grenzen durchgesetzt« werden, was zu einer Dreiteilung des Landes führen würde.

Die syrische Tageszeitung Al Watan warf den USA vor, »Öl ins Feuer zu gießen«. Der Sprecher des russischen Außenministeriums, Alexander Lukaschewitsch, hatte vor dem Treffen die elf Unterstützerstaaten aufgefordert, alle Anstrengungen zu unternehmen, um einen Dialog zwischen der syrischen Regierung und der Opposition zu erreichen.

Der Präsident der »Nationalen Koalition«, Mouaz Al-Khatib hat derweil seinen bereits im März erklärten Rücktritt bestätigt. Dieser werde im Mai in Kraft treten, sagte er laut AFP in Istanbul. Weder die Koalition noch die Führungsgruppe der »Freunde Syriens« haben den Rücktritt bisher akzeptiert.

* Aus: junge Welt, Montag, 22. April 2013


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