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Druck erhöht

USA sprechen syrischem Präsidenten Legitimation ab

Von Karin Leukefeld *

Das angespannte Verhältnis zwischen Syrien auf der einen und den USA und Frankreich auf der anderen Seite hat sich weiter verschlechtert. Das syrische Außenministerium hatte am Wochenende die Botschafter beider Länder heftig kritisiert, nachdem diese zuvor ohne Zustimmung der Assad-Regierung eine Fahrt nach Hama unternommen und sich dort mit Vertretern der Opposition getroffen hatten. Am Montag waren dann syrische Demonstranten auf das Gelände der beiden Botschaften in Damaskus vorgedrungen und hatten erheblichen Sachschaden angerichtet. Syrische Polizisten, die normalerweise zum Schutz ausländischer Vertretungen abgestellt sind, griffen nicht ein, so daß botschaftseigene Sicherheitsdienste die Menschen mit scharfen Schüssen zurücktrieben. Niemand sei zu Schaden gekommen, hieß es später aus diplomatischen Kreisen. Die US-Mission machte »Schlägertrupps des Regimes« für den Angriff verantwortlich und forderte Wiedergutmachung für die entstandenen Schäden. Das syrische Regime müsse »ausländische Botschaften ebenso vor Übergriffen schützen wie sein eigenes Volk«.

Der Zorn gegen Frankreich und die USA ist darauf zurückzuführen, daß beide Staaten seit Jahren syrische Exil­oppositionelle beherbergen und deren Strukturen finanziell unterstützen. Paris gewährt zudem dem früheren Vizepräsidenten Abdulhalim Khaddam politisches Exil, das er seit 2006 aktiv zum Sturz von Präsident Baschar Al-Assad nutzt. Frankreich, Großbritannien, die USA und Deutschland treiben seit Wochen die Verabschiedung einer UN-Sicherheitsratsresolution gegen Syrien voran, die Vetomächte Rußland und China halten dagegen. US-Außenministerin Hillary Clinton sprach Assad am Montag (11. Juli) erneut das Recht ab, Syrien zu regieren, man könne auf ihn verzichten.

An der ersten Runde des »nationalen Dialogs« in Damaskus haben Berichten zufolge nur einige Vertreter der Opposition teilgenommen. Da das Regime eine der grundlegenden Forderungen – den Rückzug von Armee und Sicherheitskräften – bisher nicht erfüllte, blieben viele bekannte Gesichter der Opposition dem Treffen fern. Vizepräsident Faruk Al-Scharaa erklärte, der Dialog solle Syrien helfen, sich in eine Demokratie zu verwandeln. Ausdrücklich würdigte er alle Menschen, die in den letzten Wochen getötet worden waren. Sie hätten für den notwendigen Reformprozeß ihr Leben gegeben. Dies dürfe man nie vergessen, so Scharaa.

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) teilte am Wochenende mit, man habe gemeinsam mit dem Syrischen Roten Halbmond (SARC) freien Zugang zu allen Orten im Land erhalten, in denen es in den vergangenen Wochen Auseinandersetzungen gab. Neben der Stadt Daraa konnten die beiden Organisationen ungehindert Dörfer um Idlib, Dschisr Al-Schughur und nahe der türkischen Grenze aufsuchen, aus denen in den letzten Wochen Kämpfe gemeldet worden waren. Bis auf diejenigen, die sich in türkischen Flüchtlingslagern befinden, seien fast alle Einwohner von Dschisr Al-Schughur, die Anfang Juni aus der Stadt geflohen waren, wieder zurückgekehrt, hieß es in einem IKRK-Bericht. Die Organisation arbeitet seit 1967 in Syrien, als Israel die Golanhöhen besetzte.

Die syrische Exilopposition hat derweil für den 16. Juli in Istanbul ein weiteres Treffen angekündigt, um eine »Rettungskonferenz« für Syrien vorzubereiten. Geplant ist offenbar auch, eine Exilregierung zu bilden. Einen Tag später wiederum will auch die syrische Opposition in Damaskus wieder zusammentreffen.

* Aus: junge Welt, 13. Juli 2011


Strategiewechsel

Schärfere Tonart gegen Damaskus

Von Rainer Rupp **


Washington verschärft seine Tonart gegenüber Damaskus. Der syrische Präsident Baschar Al-Assad habe seine »Legitimität verloren«, so der Sprecher des Weißen Hauses Jay Carney am Dienstag. Zuvor hatte US-Außenministerin Hillary Clinton erklärt: »Baschar Al-Assad ist nicht unverzichtbar, und die USA haben keine Interesse daran, daß sein Regime an der Macht bleibt.« Vordergründiger Anlaß für die rhetorische Eskalation waren die Aktionen empörter syrischer Bürger gegen die Vertretungen der USA und Frankreichs am Montag in Damaskus. Die Botschafter beider NATO-Staaten hatten sich zuvor offen auf Seite der Rebellen mit einem Besuch der Stadt Hama, der Hochburg der Moslembrüder, in die innenpolitische Krise des Landes eingemischt.

»Wir haben jetzt die Chance, einen der schlimmsten Feinde Amerikas in der ganzen Region auszuschalten«, jubelt bereits Reuel Marc Gerecht in der jüngsten Ausgabe des neokonservativen Weekly Standard. Der radikalzionistische Gerecht ist führender Mitarbeiter der Washingtoner Stiftung für die Verteidigung der Demokratie, die in Israel eng mit den Rechtsextremisten der Likud-Partei zusammenarbeitet. Ginge es nach notorischen US-Kriegsverbrechern aus dem republikanischen Spektrum, wie z. B. John Bolton, oder den »liberalen« Menschenrechtskriegern der Demokratischen Partei, wie z. B. der ehemaligen US-Außenministerin Madeleine Albright, fielen schon morgen Bomben der Freiheit à la USA auf Damaskus.

Aber angesichts der wieder steigenden Zahl von Anschlägen in Irak, dem verlorenen Krieg in Afghanistan und der Fehlkalkulation in Libyen scheinen sogar die Abenteurer im US-Kongreß vorsichtiger zu werden. Da sich in der US-Bevölkerung Kriegsmüdigkeit ausbreitet, hält sich auch das Weiße Haus mit militärischen Drohungen zurück.

Hinzu kommt: Die Drohgebärden des Westens und die offene Unterstützung der Rebellen durch das Ausland verschafften Assad eine größere Unterstützung in der syrischen Bevölkerung als vor der Krise. Er gilt zu recht als Garant gegen ein Abgleiten in Bürgerkrieg und sektiererische Gemetzel wie im Irak. Die Rebellen haben keine Aussicht auf Erfolg, und deswegen scheint Washington ein Strategiewechsel geboten. Gemeinsam mit der EU soll die bereits angeschlagene Wirtschaft Syriens sabotiert und die vom Handel lebende Mittelschicht von der Regierung entfremdet werden, um das Regime in die Knie zu zwingen.

Die Sanktionen treffen aber vor allem die Bevölkerung. Damit die westliche Öffentlichkeit dies mitträgt, müssen die Medien in bewährter Manier Gruselmärchen oder herzzerreißende Schmonzetten bringen wie das von Amina, dem »gay girl« von Damaskus, dessen brutale Behandlung durch das syrische Regime die Welt empörte. Inzwischen gestand der 40 Jahre alte Amerikaner und Democracy-Aktivist Tom McMaster ein, Amina frei erfunden zu haben.

** Aus: junge Welt, 14. Juli 2011


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