Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Experten sollen C-Waffen-Vorwürfe klären

UNO-Team beginnt Untersuchung in Syrien / Schwerpunkt ist die Stadt Chan al-Assal

Angesichts zahlreicher Vorwürfe zum Einsatz von Chemiewaffen im syrischen Bürgerkrieg haben die Vereinten Nationen nun ein Expertenteam in das Land entsandt.

Die Inspekteure unter Leitung des Schweden Ake Sellström sollen drei Orte besuchen, an denen chemische Kampfstoffe eingesetzt worden sein sollen. Regierung und Rebellen werfen sich gegenseitig vor, davon Gebrauch gemacht zu haben.

Die Inspekteure wollen insbesondere dem Verdacht nachgehen, dass in der umkämpften Kleinstadt Chan al-Assal das hochgiftige Nervengas Sarin eingesetzt wurde. Das Gift war 1938 von deutschen Chemikern der IG Farben entdeckt worden. Es ist schon in einer Dosis von einem halben Milligramm für einen Erwachsenen tödlich. Gegenmittel wirken nur, wenn sie sofort verabreicht werden.

Der US-Militärgeheimdienst DIA behauptete wiederholt, dass Syriens Chemiewaffenprogramm umfangreiche Nervengiftbestände umfasse, die auch mit Flugzeugen oder Raketen eingesetzt werden könnten. Experten des Monterey-Instituts aus den USA schätzen die Bestände auf »Hunderte Tonnen«. Nach Angaben des französischen Experten Olivier Lepick ist das syrische Regierungsprogramm hoch entwickelt: Neben der Produktion von Sarin sei auch die Herstellung von Senfgas und des Nervengases VX gelungen.

Syriens Chemiewaffenprogramm soll in den 1970er Jahren mit Hilfe Ägyptens und der Sowjetunion als Gegengewicht zu den israelischen Atomwaffen angestoßen worden sein. Laut der unabhängigen Nuclear Threat Initiative erhielt Syrien in den 90er Jahren von Russland und von 2005 an auch von Iran Unterstützung bei der Entwicklung von Chemiewaffen. Nach Informationen des Pariser Forschungsinstituts für strategische Studien (IIES) verfügt Syrien über »das größte Chemiewaffenprogramm im Nahen Osten«.

Die Regierung in Damaskus stimmte erst nach langem Zögern der UN-Untersuchung zu. Zunächst hatte sie verlangt, dass sich die Untersuchung auf Chan al-Assal konzentriert, wo im März bei einem angeblichen Chemiewaffeneinsatz 26 Menschen, darunter 16 Soldaten, getötet worden waren. Die Opposition sicherte dagegen zu, dass die Inspekteure freien Zugang zu Gebieten unter ihrer Kontrolle erhalten. Sie sollen nun klären, ob Chemiewaffen eingesetzt wurden – nicht, von wem.

Derweil hat die syrische Armee nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Sana am Montag alle vor Kurzem von Rebellen eingenommenen Stellungen in der westlichen Küstenprovinz Latakia zurückerobert.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 20. August 2013


Weitere Meldungen:

21. August: 500 Opfer bei C-Waffen-Einsatz in Syrien - laut Al-Arabiya

Der arabische TV-Sender Al-Arabiya berichtet unter Hinweis auf syrische Aktivisten, dass bei einem C-Waffen-Einsatz in einem Vorort östlich von Damaskus mindestens 500 Menschen ums Leben gekommen sind. Es gibt keine offizielle Bestätigung dieser Information.

Die Meldungen über einen neuen vermutlichen C-Waffen-Einsatz in Syrien fielen zeitlich mit der Ankunft der UN-Inspektoren in Damaskus zusammen. Die C-Waffen-Experten der Uno sollen die früheren Angaben über die Anwendung von Giftgas im Land überprüfen.

Reuters hatte zuvor unter Hinweis auf den arabischen Sender gemeldet, dass Assad-treue Truppen C-Waffen eingesetzt haben sollen. Der Agentur zufolge gelingt es vorläufig nicht, die Meldung von Al-Arabiya zu überprüfen.

(Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 21. August 2013; http://de.rian.ru


Damaskus bestreitet C-Waffen-Einsatz

Die syrischen Behörden haben am Mittwoch die Meldungen über die Anwendung von chemischen Waffen in einem Vorort von Damaskus dementiert.

„Die Informationen über den C-Waffen-Einsatz in den östlichen Vororten von Damaskus Guta, Scharkiya und Garbiya, die Al-Arabiya, Al-Dschasira, Sky News und andere TV-Sender verbreiten, die in das Blutvergießen in Syrien verwickelt sind und unverschämt den Terrorismus unterstützen, entsprechen absolut nicht der Wirklichkeit. Sie sind ein Versuch, die Arbeit der Kommission der UN-Chemiewaffenexperten bei der Ermittlung zu den Zwischenfällen der Anwendung von chemischen Waffen in Syrien zum Scheitern zu bringen“, meldet die offizielle syrische Agentur Sana am Mittwoch.

(Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 21. August 2013; http://de.rian.ru


Ban Ki-moon: Arbeit von UN-C-Waffenexperten sieht gerichtsärztliches Gutachten vor

Die Arbeit der Chemiewaffen-Experten der Uno in Syrien sieht laut dem Generalsekretär der Weltorganisation, Ban Ki-moon, ein gerichtsmedizinisches Gutachten der Opfer bei den angeblichen Giftgas-Einsätzen vor.

„Die Mission muss ungehinderten Zugang zu den Orten des vermutlichen C-Waffen-Einsatzes erhalten, um Analysen und Proben zu nehmen sowie für Treffen mit Augenzeugen, Betroffenen und Medizinern“, sagte der UN-Generalsekretär.

Zuvor hatte er aufgerufen, die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen, sollten die Experten bestätigen, dass C-Waffen eingesetzt wurden – von welcher syrischen Konfliktpartei auch immer.

Dies solle helfen, eine weitere Anwendung von Chemiewaffen zu verhindern.

Ban Ki-moon sagte zugleich, dass das Expertenmandat nicht vorsehe, zu klären, wer konkret und gegen wen in Syrien Chemiewaffen eingesetzt habe.

„Aufgrund des Schlussberichts auf wissenschaftlicher und Expertenebene wird die Weltgemeinschaft selbst bestimmen, welche Handlungen für die Heranziehung zu einer solchen Verantwortung unternommen werden müssen“, erläuterte der UN-Generalsekretär.

Die UN-Kommission wird vom schwedischen Wissenschaftler Ake Sellström geleitet. Die Arbeit soll zwei Wochen dauern und kann im gegenseitigen Einvernehmen verlängert werden.

(Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 20. August 2013; http://de.rian.ru




Zurück zur Syrien-Seite

Zur Chemiewaffen-Seite

Zurück zur Homepage