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Arabischer Winter

Kaum Interesse an UN-Truppen

Von Werner Pirker *

Der Vorschlag der Arabischen Liga, eine UN-Mission nach Syrien zu schicken, ist nicht nur von der Regierung in Damaskus empört zurückgewiesen worden, sondern hat auch bei den Westmächten kaum Gefallen gefunden. Während die syrischen Regierungsstellen in einer solchen »Friedensmission« nicht nur eine Einmischung in innere Angelegenheit, sondern darüber hinaus auch das Tarnschild für eine arabische Militärintervention sehen dürften, will sich der Westen offenbar vorerst noch seine eigenen Optionen für den Marsch auf Damaskus offenhalten.

Voraussetzung für die Entsendung von UN-Truppen, argumentiert man bei der Firma Washington und Co., wäre die Herstellung eines Waffenstillstandes. Damit wird immerhin zugegeben, daß es sich in Syrien nicht um eine einseitige Gewaltanwendung des Regimes gegen friedliche Demonstranten handelt, sondern um einen bewaffneten Konflikt. Das Interesse des Hegemonialkartells an einem Waffenstillstand dürfte sich indessen in Grenzen halten. Ein solcher könnte nur durch Verhandlungen zwischen den beiden Bürgerkriegsparteien zustande kommen. Verhandlungen mit dem Baath-Regime aber werden von der Opposition und ihren ausländischen Schutzherren ausdrücklich ausgeschlossen. Denn wenn über einen Waffenstillstand verhandelt werden kann, warum sollte dann nicht auch über einen demokratischen Wandel im Land verhandelt werden können?

Das Regime hat gewisse Vorleistungen dafür erbracht. Die Durchführung freier Wahlen auf der Grundlage eines Mehrparteiensystems wurde in Aussicht gestellt; fünf neue Parteien sind bereits zugelassen worden. Die Opposition aber will ihre Art von Demokratie auf den Gräbern des vernichteten Pro-Assad-Lagers errichten. Deshalb stoßen Vorschläge, die auf eine Entspannung des Konfliktes hinauslaufen, bei ihr auf taube Ohren. Die Beteuerungen der westlichen Interventionsgemeinschaft, der Gewalt in Syrien ein Ende setzen zu wollen, bedeuten deshalb nichts anderes als die Ankündigung einer Gewaltlösung. So war es in Libyen, wo die westlichen Militärinterventen die humanitäre Katastrophe auslösten, die abzuwenden sie vorgaben.

Nach Ablehnung der eher umständlichen Variante einer als UN-Mission getarnten Einmischung des Westens und seiner regionalen Verbündeten ist die Gefahr einer direkten arabischen Intervention noch größer geworden. Saudi-Arabien hat in Bahrein bereits deutlich gemacht, wie es mit dem arabischen Frühling umzugehen gedenkt. Katar beteiligte sich direkt an der Aggression der NATO gegen Libyen. In Syrien will die arabische Reaktion die Umbrüche in der Region endgültig zu ihren Gunsten wenden. Und auch die Türkei wird die Gelegenheit nutzen wollen, sich als regionale Ordnungsmacht in Szene zu setzen. Vom arabischen Frühling sollte man dann besser nicht mehr reden.

* Aus: junge Welt, 15. Februar 2012


Rot für den Blauhelm?

Von Roland Etzel **

Bei der Arabischen Liga, genauer gesagt bei deren tonangebenden Monarchien, wird man enttäuscht sein: Ihr Vorschlag einer Blauhelmtruppe für Syrien produziert bei den verbündeten Adressaten im Westen nichts als säuerliche Mienen. Nicht dass die ihre kompromisslose Daumen-nach-unten-Haltung gegenüber Assad revidieren wollten, aber Blauhelme? Da die Ligamitglieder selbst außerstande dazu sind, hieße es im Falle sogenannter friedenserzwingender Maßnahmen, Westeuropa müsste bereit sein, Kampfverbände zu entsenden.

Da schaudert es selbst sonst so unerschrockene Jünger des robusten Mandats wie den außenpolitischen Unionssprecher Mißfelder. Er ahnt: Wenn nur die Hälfte von dem stimmt, was gegenwärtig an Gräueln über Syriens Armee verbreitet wird, wäre das Eintreffen von Bundeswehrmaschinen mit Zinksärgen aus Syrien ziemlich gewiss. So sehr man der Opposition in Syrien militärisch beispringen möchte, es könnte tödlich sein für die eigenen Umfragewerte. Die Kanzlerin hat dafür einen untrüglichen Instinkt und fordert deshalb lieber erneut härtere Sanktionen gegen Assad, obwohl da kaum noch etwas zu verschärfen geht.

Damit freilich hätten Saudi-Arabien und Co. rechnen können. Es ist kein Geheimnis: Das einzige Land - neben Israel -, welches zur sofortigen Invasion Syriens bereit und fähig wäre, ist die Türkei. An deren Renaissance im Vorderen Orient liegt den Saudis aber überhaupt nichts.

** Aus: neues deutschland, 15. Februar 2012 (Kommentar)


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