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EU will Aufständische trainieren

Brüssel hat sich laut Pressebericht auf Militärausbildung von Assads Gegnern in Syrien verständigt

Von Karin Leukefeld *

Der Chef der sogenannten Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang ­Ischinger, fordert von EU und NATO die Bewaffnung der syrischen Aufständischen in Syrien. Es sei »überfällig, daß Deutschland mit seinen Partnern darüber diskutiert, die syrischen Rebellen mit Ausrüstungslieferungen bis hin zu Waffen zu unterstützen«, sagte Ischinger laut Spiegel online. Das sei die »bittere Lehre aus dem Bosnien-Krieg«, wo sich gezeigt habe, »daß die Nichtbelieferung beider Seiten den Konflikt weder eingedämmt noch verkürzt« hätte. Tatsächlich hat die politische und militärische Unterstützung der antiserbischen Kräfte den Konflikt in den 1990er Jahren verlängert und Zehntausende Tote gefordert.

Der Jurist, Völkerrechtler und ehemalige Diplomat Ischinger berief sich bei seiner Forderung sowohl auf die »Schutzverantwortung für die syrische Bevölkerung« als auch auf strategische Interessen der Bundesregierung und des Westens. Bislang habe Berlin lediglich eine Grundlage geschaffen, »daß wir in der Nach-Assad-Welt keine Freunde mehr in Syrien haben«, klagte er. Offiziell lehnen die USA und Deutschland Waffenlieferungen an Aufständische in Syrien mit der Begründung ab, diese könnten in die Hände von islamistischen Gruppen geraten, die dem Al-Qaida-Netzwerk nahestehen. Ischinger meinte hingegen, »wenn der Westen die Waffen selbst liefert, hat er noch eher die Chance, Einfluß darauf zu nehmen, was mit ihnen passiert«.

Wie der Spiegel vorab aus seinem heute erscheinenden Heft berichtete, wollen die EU-Außenminister den Aufständischen in Syrien neben »nichttödlicher Ausrüstung« auch »technische Unterstützung« anbieten. Dazu gehöre die Ausbildung von Kämpfern an Waffen. Offiziell wurde die »nicht-tödliche Hilfe« in Form von schußsicheren Westen, Helmen, Nachtsichtgeräten und neuester Kommunaktionstechnologie an die Aufständischen ausgeweitet. Frankreich und Großbritannien versuchen seit Monaten, das EU-Embargo gegen Syrien dahingehend aufzuweichen, daß »Verteidigungswaffen« davon ausgenommen werden. Die nun anonym gegenüber dem Spiegel eingeräumte militärische Hilfe werde vor allem aus Großbritannien und Frankreich kommen. Aus »Kreisen der Bundesregierung« hieß es demnach, daß Deutschland keine Militärausbilder schicken werde.

Der CDU-Abgeordnete Andreas Schockenhoff sagte in einem Interview mit dem Deutschlandfunk am Samstag, Waffenlieferungen seien kein »Königsweg«. Man müsse aber einsehen, daß »wenn wir jetzt nicht die richtigen Kräfte unterstützen, dann werden wir Syrien (…) nach dem Sturz Assads an militante Extremisten verlieren«. Der Westen habe »schon zu viel Zeit verloren«, so Schockenhoff. »Saudi-Arabien beispielsweise läßt sich von der westlichen Zurückhaltung nicht beeindrucken und hat inzwischen anderswo auf der Welt Bestände aufgekauft und diese nach Syrien geliefert.«

Der syrische Präsident Baschar Al-Assad kritisierte am Wochenende in einem Interview mit der britischen Tageszeitung Sunday Times die Nahostpolitik der Regierung von David Cameron als »naiv, verwirrt und unrealistisch«. London habe eine Tradition, »zu schikanieren und zu bevormunden« in der Region, und sei entschlossen, das Problem militärisch weiter anzuheizen.

Auf Hilfe zur Beilegung des Konflikts zähle man nicht, sagte Assad: »Wir erwarten nicht, daß ein Brandstifter zum Feuerwehrmann wird.« Großbritannien habe »bekanntermaßen seit Jahrzehnten in unserer Region eine unkonstruktive Rolle (…) gespielt«, sagte Assad weiter. Gleichwohl betonte der syrische Staatschef erneut die Verhandlungsbereitschaft seiner Regierung mit der »politischen Opposition, nicht mit Terroristen«. Sein Schicksal werde vom syrischen Volk bei den Präsidentschaftswahlen 2014 entschieden.

* Aus: junge Welt, Montag, 4. März 2013


Brandstifter

EU schickt Militärberater nach Syrien

Von Werner Pirker **


Nach der Obama-Administration haben sich auch die EU-Granden dazu entschlossen, im syrischen Konflikt die Regierungsgegner militärisch zu unterstützen. Die zum gewaltsamen Regimewechsel angetretenen Banden sollen nicht nur technische Unterstützung, sondern auch Hilfe durch Militärausbilder erhalten. »The war must go on« lautet – trotz Krokodilstränen über das syrische Blutbad – die Devise in Washington und Brüssel.

Die Militärberater werden aller Wahrscheinlichkeit nach aus Frankreich, das offenbar unter seinem sozialistischen Präsidenten keine Gelegenheit mehr auslassen will, sich kriegerisch in Szene zu setzen, und Großbritannien kommen. Deutschland wolle sich nicht beteiligen, heißt es aus Regierungskreisen. Darüber empört sich der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, der Waffenembargos nur dann für angemessen erachtet, wenn sie gegen westliche Sicherheitsinteressen mißachtende Kräfte gerichtet sind. Und der deshalb für deutsche Waffenlieferungen an deren Feinde plädiert. Ischinger beruft sich auf das völkerrechtswidrige Prinzip der »Schutzverantwortung« für bedrohte Völker, wobei die Distanz von Regierungen zur westlichen Wertegemeinschaft schon als Vorbereitung eines Genozids gewertet wird.

In Einklang mit der französischen und britischen Regierung tritt der »Sicherheitskonferenz«-Veranstalter für eine weitere Militarisierung des Konflikts ein. Vor allem London hat sich als unbeirrbarer Gegner einer politischen Lösung hervorgetan. Stereotyp ertönten aus der britischen Hauptstadt die Forderungen nach dem Rücktritt Assads und nach der Aufhebung des Waffenembargos. Und nach einem Ende der Gewalt – für die freilich ausschließlich die syrische Regierung verantwortlich gemacht wird. In einem Interview mit der Londoner Sunday Times machte Syriens Präsident auf die abgrundtiefe Verlogenheit der britischen Politik aufmerksam. Auf die Frage nach einer möglichen Vermittlertätigkeit Londons antwortete er, daß man von einem Brandstifter nicht die Löschung eines Feuers erwarten dürfe.

Der »Krieg gegen den Terror«, den der Westen zu führen vorgibt, wird an seiner syrischen Front zur offenen Unterstützung islamistischer Terrorbrigaden. Von allen bewaffneten Formationen des Antiregierungslagers ist nur eine – die Freie Syrische Armee – laizistisch und offen prowestlich ausgerichtet. Die anderen – vom Al-Qaida-Ableger Al-Nusra-Front über die von Salafisten gebildete Ahrar Al-Scham bis zur Syrischen Befreiungsfront – sind mehr oder weniger fanatische Islamisten. Und während die westliche Aggressionsgemeinschaft den von ihren Alliierten am Golf ausgebildeten Islamisten in Mali den Garaus zu machen verspricht, unterstützt sie in Syrien die mit saudischen Ölgeldern geschmierten Gotteskrieger bei ihrem Versuch, ein laizistisches Regime zu stürzen. Denn wertegeleitet ist alles, was der Sicherung der westlichen Hegemonie nutzt.

** Aus: junge Welt, Montag, 4. März 2013 (Kommentar)


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