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Assad lädt Berlin ein

Syriens Präsident für deutsche Vermittlung. Scheidender Bundesaußenminister Westerwelle weist Vorschlag zurück. Chemiewaffenvernichtung hat begonnen

Von Karin Leukefeld *

Nach einer Reihe von Interviews mit großen Medien aus aller Welt hat der syrische Präsident Baschar Al-Assad in der vergangenen Woche nun auch zwei Redakteure des Spiegel empfangen. Für die Meinung des Staatschefs interessierten sich die Journalisten jedoch nicht. Statt dessen erteilen sie Anweisungen: »Wären Sie ein aufrichtiger Patriot, dann würden Sie zurücktreten und den Weg freimachen für Verhandlungen…« Assad ließ sich nicht provozieren und verwies auf die Präsidentschaftswahlen im kommenden Juni. Ob er dann noch einmal antritt, ließ er offen.

In dem zweistündigen Gespräch, das der Spiegel in seiner heutigen Ausgabe veröffentlicht, betonte Assad noch einmal, sein Land habe »keine Chemiewaffen eingesetzt« und wies die Journalisten zurecht: »Das Bild, das Sie von mir zeichnen, von einem, der sein eigenes Volk umbringt«, sei ebenfalls manipuliert. Der Spiegel stütze sich auf falsche Informationen, aber »eine Lüge bleibt eine Lüge, wie immer Sie sie drehen und wenden«.

Auf die Frage, ob Berlin eine »Vermittlerrolle« in Syrien einnehmen könne, sagt Assad: »Ich würde mich freuen, wenn Gesandte aus Deutschland nach Damaskus kämen, um mit uns über die wahren Verhältnisse zu sprechen.« Mit der aktuellen Politik isoliere der Westen nicht Syrien, sondern sich selber »von der Wirklichkeit«.

In dieser Isolation verharren will offensichtlich der abgewählte Bundesaußenminister Guido Westerwelle. Dieser wies die Einladung Assads zurück und verwies am Rande seines Besuchs in Afghanistan am Sonntag auf den UN-Sonderbeauftragten Lakhdar Brahimi. Eine Lösung müsse bei der Genfer Konferenz und Gesprächen der Bürgerkriegsparteien gefunden werden, nicht aber über einzelne Länder, die in den Konflikt eingreifen.

Verhandlungen mit einigen Oppositionsgruppen laufen nach Angaben des syrischen Ministers für nationale Versöhnung, Ali Haidar, bereits. Dem arabischen Dienst der britischen BBC sagte er, es gebe auf lokaler Ebene Gespräche mit einigen Gruppen, die nicht mit Al-Qaida verbunden seien.

Der Oberste Militärrat der »Freien Syrischen Armee« hat angesichts der jüngsten Abspaltungen zur Geschlossenheit der Kampfverbände und zum Respekt vor der »Interimsregierung« der »Nationalen Koalition« aufgerufen. Man weise jeden »Dialog mit dem terroristischen Regime in Syrien« zurück, hieß es in einer am Samstag verbreiteten Erklärung der Gruppe. Man stimme lediglich einem »Verhandlungsprozeß mit arabischen islamischen Staaten unter internationaler Garantie« zu und fordere den Rücktritt von Assad sowie die Machtübergabe.

Bei einem Anschlag der Aufständischen wurden am Sonntag vier Menschen in Damaskus getötet. Die Mörsergranaten, die aus den östlichen Vororten auf das Wohnviertel Al-Qassa abgefeuert worden waren, trafen eine belebte Kreuzung unweit des Französischen Krankenhauses.

Das Team der UN-Organisation für das Verbot chemischer Waffen hat derweil in Syrien mit der Zerstörung erster Giftgasvorräte der syrischen Streitkräfte begonnen. Die Experten hätten am Sonntag unter anderem in einem Forschungslabor die Arbeiten aufgenommen, meldete dpa. Eine besondere Rolle soll dabei offenbar Norwegen übernehmen. Wie der Rundfunksender NRK am Samstag berichtete, haben die USA und Rußland das Land am Rande des UN-Gipfels in New York gebeten, bei der Zerstörung der Waffen zu helfen.

* Aus: junge Welt, Montag, 7. Oktober 2013


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