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Kunst des Krieges

In Syrien geraten unschätzbare Kulturgüter in das Visier der Konfliktparteien

Die Altstadt von Aleppo im Norden Syriens steht auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes. Doch derzeit zählt in dem arabischen Land nicht die Kunst antiker Baumeister, sondern einzig die »Kunst« des Krieges.

Bei dem Großbrand im historischen Basar von Aleppo sollen mehr als 500 Geschäfte zerstört worden sein. Das berichtete die regierungsnahe syrische Tageszeitung »Al-Watan« am Montag. Das Blatt gab den bewaffneten Regimegegnern die Schuld an dem Feuer. Der Brand hatte am Wochenende große Teile des überdachten mittelalterlichen Basarviertels »Souk al-Madina« erfasst.

Die UNESCO hatte zuvor erklärt, die Zerstörung der zum Weltkulturerbe zählenden Altstadt sei eine große Tragödie. Der Basar von Aleppo ist das größte historische überdachte Marktviertel der Welt. Die Gassen des Basars sind insgesamt mehr als 15 Kilometer lang. »Al-Watan« schrieb, Bewaffnete hätten »diesen einzigartigen historischen Ort besetzt, um von dort aus die Soldaten der Arabischen Syrischen Armee anzugreifen«. Nun seien Dutzende historischer Fassaden und antiker Holztüren verbrannt.

Die Opposition hatte zuvor erklärt, die Regierungstruppen hätten das Basarviertel nicht nur angegriffen, um die »Revolutionstruppen« zu vertreiben. Ziel sei es auch gewesen, sich an den Händlern zu rächen, die den Kämpfern Unterschlupf geboten hatten.

Unterdessen wird sich die Zahl der Flüchtlinge aus Syrien nach Befürchtungen der Vereinten Nationen in wenigen Monaten weit mehr als verdoppeln. Bis zum Ende des Jahres könnten 710 000 Menschen in den Nachbarländern Jordanien, Türkei, Libanon und Irak Schutz suchen, teilte das Büro von UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos am Montag in New York mit. Derzeit seien es 304 000. Dabei drohe den Helfern das Geld auszugehen, weil die Spenden ausbleiben.

Von den 488 Millionen Dollar, um die die UNO ihre Mitgliedsländer für die aus Syrien geflüchteten Menschen gebeten hatten, seien erst 142 Millionen eingegangen. Zudem gebe es noch einen zweiten Spendenaufruf für die Vertriebenen innerhalb Syriens. Statt erhoffter 348 Millionen seien nur 130 Millionen gespendet worden. Von den 22 Millionen Syrern seien 1,2 Millionen Menschen Flüchtlinge im eigenen Land, insgesamt 2,5 Millionen seien auf Hilfe von außen angewiesen.

Die erwarteten 710 000 Flüchtlinge sind fast viermal so viel, wie noch im Juni vorhergesagt worden waren. Allein in Jordanien dürfte dann eine viertel Million Menschen Schutz suchen, in der Türkei sogar 280 000. Derzeit beherbergt Jordanien die meisten Flüchtlinge. Mehr als die Hälfte von ihnen sei jünger als 18 Jahre. Kinder würden in Syrien täglich beschossen, verstümmelt und getötet. Tausende seien von Luftangriffen und Panzerbeschuss in Wohngebieten traumatisiert.

Syriens Außenminister Walid al-Muallim hat derweil den USA vorgeworfen, die Debatte über das Chemiewaffenarsenal seines Landes als Vorwand für ein mögliches Eingreifen in den Bürgerkrieg zu nutzen. Die »Frage« nach den Waffen sei »eine Erfindung der amerikanischen Regierung«, sagte al-Muallim am Rande der UNO-Vollversammlung in New York in einem Interview mit einem libanesischen Fernsehsender mit Ausstrahlungstermin am Montag. »Das ist ein Hirngespinst, das sie sich ausgedacht haben, um eine Kampagne gegen Syrien zu fahren, wie sie es in Irak gemacht haben«, fügte er hinzu.

Die USA und Großbritannien hatten vor ihrem Einmarsch in Irak im Jahr 2003 als Grund dafür angegeben, das Land verfüge über Massenvernichtungswaffen. Dies stellte sich nach der Invasion aber als falsch heraus. Syrien soll unter anderem über Nervengas verfügen. Die syrische Führung erklärte Ende Juli auf eine Anfrage, dass sie Chemiewaffen nicht gegen die eigene Bevölkerung einsetzen werde. Mit Blick auf eine ausländische Invasion schloss sie dies nicht aus. US-Präsident Barack Obama drohte daraufhin im August erstmals direkt mit einem militärischen Eingreifen.



* Aus: neues deutschland, Dienstag, 02. Oktober 2012

Syriens Welterbestätten

Altstadt von Damaskus (1979): Die im 3. Jahrtausend v. u. Z. gegründete Hauptstadt gilt als älteste durchgehend bewohnte Stadt der Welt.

Ruinen von Palmyra (1980): Die Handelsmetropole nordöstlich von Damaskus wurde 272 von den Römern zerstört. Imposante Ruinen im Tal der Gräber machen die Oasenstadt heute zum bedeutendsten Komplex antiker Bauten im Nahen Osten.

Altstadt von Bosra (1980) mit dem Amphitheater: Das antike Bosra war die Hauptstadt der römischen Provinz Arabia.

Altstadt von Aleppo (1986): Das historische Zentrum der 5000 Jahre alten Handelsstadt mit seinem Basar-Viertel ist von einer Stadtmauer umgeben.

Crac des Chevaliers und Qalat Salah El-Din (2006): Die Kreuzritterburgen aus dem 12. und 13. Jahrhundert zählen zu den am besten erhaltenen Burgen ihrer Zeit.

Antike Dörfer in Nordsyrien (2011): Die rund 40 erhaltenen Dörfer im Nordwesten des Landes entstanden zwischen dem 1. und 7. Jahrhundert. (dpa/nd)



UNESCO Director-General deplores destruction of ancient Aleppo markets, a World Heritage site

30.09.2012 - UNESCOPRESS **

UNESCO Director-General Irina Bokova today expressed distress and dismay over the fire that severely damaged the ancient markets in the old city of Aleppo, a World Heritage site, over the weekend. She also reminded all parties of the country’s obligations under the 1954 Hague Convention for the Protection of Cultural Property in the Event of Armed Conflict, to which Syria is a signatory.

The Director-General’s comments follow a blaze yesterday that reportedly destroyed hundreds of shops in the Aleppo souk, during fierce fighting for control of the city.

“The reports from Aleppo are deeply distressing,” the Director-General said. “The human suffering caused by this situation is already extreme. That the fighting is now destroying cultural heritage that bears witness to the country’s millenary history - valued and admired the world over - makes it even more tragic. “The Aleppo souks have been a thriving part of Syria’s economic and social life since the city’s beginnings. They stand as testimony to Aleppo’s importance as a cultural crossroads since the second millennium B.C.

“Syria is a signatory to the 1954 Hague Convention for the Protection of Cultural Property in the Event of Armed Conflict. As such it is bound to do its utmost to safeguard this heritage from the ravages of war. “ I appeal to all forces to do their utmost to spare these monuments to human history that have contributed so much to Syria’s growth and prosperity - and which will undoubtedly prove vital to the country’s reconstruction.

“UNESCO stands ready to provide all of its expertise and support for the safeguarding of Aleppo and all of Syria’s extraordinary cultural heritage and, as soon as security permits, I will send a team there to assess the situation and provide emergency assistance for the protection of this heritage, both in terms of mitigation of this tragedy and prevention of further damage.”

The Ancient City of Aleppo was inscribed on UNESCO’s World Heritage List in 1986, in recognition of its “rare and authentic Arab architectural styles” and its testimony to the city's cultural, social, and technological development from the Mameluke period. It is one of six Syrian World Heritage sites.

** Website von UNESCO, 30.09.2012; http://www.unesco.org


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