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Zwischen Boykott und Widerstand

Ein Band über die blutige Spätphase des südafrikanischen Apartheidregimes

Von Gerd Bedszent *

»Bang-Bang Club« war der Spitzname einer Gruppe von Bildjournalisten, die die in der Endphase des rassistischen Apartheidregimes von 1990 bis 1994 in den schwarzen Vorstädten Südafrikas tobenden bewaffneten Auseinandersetzungen dokumentierten. Kriegsberichterstatter war und ist natürlich ein lebensgefährlicher Job. Einer der vier wurde getötet – mutmaßlich von südafrikanischem Militär –, der zweite überlebte nur knapp eine Schussverletzung, und ein dritter starb schwer traumatisiert durch Suizid. Die beiden Überlebenden Greg Marinovich und João Silva schrieben dann gemeinsam ihre Erinnerungen auf. João Silva verlor 2010 in Afghanistan durch die Explosion einer Landmine beide Beine.

Das Buch liest sich überaus spannend und ist gleichzeitig informativ. Es ist vordergründig ein Erlebnisbericht, schildert journalistischen Alltag im unruhegeschüttelten Südafrika und in anderen Krisengebieten, spart auch die Schattenseiten einer rein kommerziell ausgerichteten Berichterstattung nicht aus. Deutlich wird, wie auf Suche nach Sensationen und verwertbaren Bildmotiven das normale menschliche Mitgefühl häufig auf der Stecke bleibt. Der Band enthält auch zahlreiche Fotos, deren Entstehung im Text detailliert beschrieben wird – zwei von ihnen wurden mit dem Pulitzer-Preis bedacht.

Besonders wertvoll ist das Werk wegen der zahlreichen gut recherchierten Hintergrundinformationen über die hierzulande wenig bekannte blutige Spätphase des südafrikanischen Apartheidregimes. Eingeklemmt zwischen internationalem Boykott und zunehmendem Widerstand der vom Afrikanischen Nationalkongress (ANC) und linken Parteien mobilisierten Bevölkerungsmehrheit, hatte die Regierung ab 1990 zögerlich begonnen, das bis dahin praktizierte System der »Rassentrennung« zu lockern. Dies stieß nicht nur auf den Widerstand rassistischer Hardliner. Auch Angehörige schwarzer Stammeseliten, die von dem bis dahin bestehenden System profitiert hatten, lehnten dessen Aufhebung ab. In sogenannten Homelands – während der Apartheid künstlich geschaffenen, international nicht anerkannten Zwergstaaten inmitten südafrikanischen Territoriums – errichteten Stammespolizeien eine Schreckensherrschaft.

Der ANC und linke Parteien wurden besonders von der ethno-nationalistischen und betont antikommunistischen Inkatha Freedom Party bekämpft, die ihre Hochburg im Homeland KwaZulu hatte. Inkatha konnte die Kontrolle über zahlreiche »Hostels« im Umfeld größerer Städte erlangen – ursprünglich Wohnheime für Arbeitskräfte aus ländlichen Regionen, meist Homelands. Von diesen Stützpunkten aus überfielen bewaffnete Inkatha-Aktivisten die von der schwarzen Stadtarmut bewohnten Townships, deren Bevölkerung mehrheitlich den ANC unterstützte. Umgekehrt versuchten dem ANC nahestehende Selbstverteidigungsgruppen, die Inkatha-Milizen aus den Hostels zu vertreiben und so die ständigen Überfälle zu beenden.

Die ursprünglich politisch motivierten Kämpfe nahmen schnell den Charakter ethnischer Auseinandersetzungen an. Bewaffnete Zulus massakrierten wahllos Angehörige anderer Volksgruppen als mutmaßliche ANC-Anhänger, während ANC-Aktivisten jeden Zulu verdächtigten, Mitglied der Inkatha zu sein. Von der Regierung wurde die Eskalation der Gewalt geduldet, sogar befördert. Die noch herrschende rassistische National Party, Polizei und auch weiße Bürgermilizen unterstützten die Inkatha klammheimlich mit Geld und Waffen, griffen gelegentlich auch offen in die Kämpfe ein. Kriminelle Banden vergrößerten durch Morde, Plünderungen und Vergewaltigungen das allgemeine Chaos. Nach Angaben der Autoren starben von 1990 bis 1994 etwa 14.000 Menschen im sogenannten Hostel-Krieg.

Die vier Bildjournalisten und »Helden« des Buches sind weiße Gegner der Apartheid. Sie beschreiben meist voll Sympathie die »Comrades«, ohne allerdings die auch von ANC-nahen Selbstverteidigungsgruppen begangenen Grausamkeiten zu verharmlosen. Greg Marinovich schildert gegen Ende des Buches seine Stimmabgabe bei der demokratischen Wahl des Jahres 1994, die den Bürgerkrieg beendete. Auf seine immer noch eingegipste Hand hatte er zuvor »Fuck the Nats« (National Party) geschrieben.

Die Entwicklung Südafrikas nach dem Ende der Apartheid wird im Buch nur angedeutet. Die Autoren berichten, dass durch die von Erzbischof Desmond Tutu ins Leben gerufene »Wahrheits- und Versöhnungskommission« die Schuld des gestürzten Regimes an der Eskalation von Gewalt eindeutig nachgewiesen wurde, auch an Folterungen und Morden der Polizei und rassistischer Todesschwadronen. Sie schreiben: »Das Schlimmste, das wir dem Apartheidregime zugetraut hatten, wurde von der Wahrheit bestätigt.« Die Hauptschuldigen haben ihre Verbrechen aber nie eingestanden und wurden nie ernsthaft belangt.

Das Buch wurde im Jahre 2010 verfilmt; das Medium ist bei der Umsetzung jedoch an seine Grenzen gestoßen. Zahlreiche Szenen aus dem Alltag der vier Bildjournalisten wurden zwar detailgetreu widergegeben. Verschiedene der im Buch dokumentierten Hintergrundinformationen zu den damals tobenden Auseinandersetzungen kommen jedoch nicht oder nicht vollständig vor. Insofern kann das Buch auch denjenigen empfohlen werden, die vom gleichnamigen Film nicht sehr angetan waren.

Greg Marinovich/João Silva: Der Bang-Bang Club. Schnappschüsse aus einem verborgenen Krieg. Verlag Das Wunderhorn: Heidelberg 2015, 317 Seiten, 26 Euro

* Aus: junge Welt, Montag, 20. Juli 2015


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