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Allianz der Elite

Südafrikas Kommunistische Partei kritisiert Regierungspartner ANC

Von Christian Selz *

Die Risse in der südafrikanischen Regierungsallianz treten immer offener zu Tage. Neben den seit Jahren andauernden Flügelkämpfen im Gewerkschaftsbund COSATU droht dem African National Congress (ANC) nun auch die Loslösung des dritten Bündnispartners, der South African Communist Party (SACP). Kurz vor dem Sonderparteitag in Soweto, der an diesem Samstag endet, hat die Partei ein Strategiepapier veröffentlicht, das die derzeitige Ausrichtung des ANC kritisiert. In der Debatte über das Verhältnis der SACP zu ihren Bündnispartnern werden nun die Stimmen lauter, die unabhängige Kandidaturen auf eigenen Parteilisten schon bei den Kommunalwahlen im kommenden Jahr fordern.

»Mit Ausnahme von Wahlkampagnen hat der ANC seit 1994 beinahe vollständig darin versagt, die Allianz in Graswurzelkampagnen zu führen und die Wählerschaft zu mobilisieren«, heißt es in dem SACP-Papier, das vor allem in den Provinzstrukturen der Partei Fürsprecher findet. ANC-Ortsverbände seien zu »engstirnigen Wahlformationen« verkommen, die sich, »fokussiert auf die Rivalitäten lokaler Eliten«, immer weiter von den »sozio-ökonomischen Problemen ihrer Gemeinden« entfernt hätten. Wo die SACP dagegen vorging, kam es zum Bruch mit der großen Schwesterpartei. »Wir werden immer wieder von Leuten attackiert, die vorgeben, ANC-Führer zu sein. Die stören unsere Veranstaltungen, für solche Leute können wir keine Kampagnen führen«, erklärte in der vergangenen Woche der SACP-Sekretär von Mpumalanga, Bonakele Majuba, gegenüber der Wochenzeitung Mail & Guardian. Die Parteiführung der im Nordosten Südafrikas gelegenen Provinz wolle deshalb weitere Regionalstrukturen überzeugen, »die Kandidatur für staatliche Macht durch Wahlen in Betracht zu ziehen, ohne die Allianz zu zerbrechen«. Ähnlich zitierte Südafrikas größtes Politmagazin den SACP-Provinzsekretär von KwaZulu-Natal, Themba Mthembu, der hinzufügte, dass die Parteimitglieder in Zumas Heimatprovinz glaubten, die Regierungsallianz nutze ausschließlich der Führungselite.

Letztere Kritik dürfte durchaus auch auf die eigene Führung zielen, die seit Zumas Amtsantritt 2009 wichtige Posten in Regierung oder Parlament übernommen hat. Für Spitzenpersonal wie SACP-Generalsekretär Blade Nzimande, seit sechs Jahren Minister für Hochschulbildung, hat es sich gelohnt, gegen den damals dominanten, neoliberalen Flügel auf dem ANC-Wahlparteitag 2007 in Polokwane auf den Kandidaten Zuma gesetzt zu haben. Der Verwirklichung eines kommunistischen Regierungsprogramms ist die Partei durch die engere Verzahnung mit dem ANC, auf dessen Listen ihre Mitglieder seit jeher kandidieren, aber nicht sonderlich nähergekommen. »Das Resultat des Parteitags von Polokwane wurde durch eine ›Zweckehe‹ eines linken Blocks und einer Gruppe rechter Populisten erreicht«, heißt es nun in dem SACP-Dokument, dessen finale Version Ende Mai immerhin auf der Plenarsitzung des SACP-Zentralkomitees entstand – und nicht bei einem Hinterzimmertreffen einer kleinen Gruppe von Abweichlern. »Der Kampf gegen das Klassenprojekt von 1996 (gemeint ist die der Weltbank hörige Privatisierungspolitik unter Expräsident Thabo Mbeki, die dieser schon als Stellvertreter von Nelson Mandela in die Wege leitete; jW) wurde oft zu sehr personalisiert, und die Lösung des Problems wurde zeitweise exzessiv auf die Person des Genossen Jacob Zuma zugespitzt«, stellt die SACP nun fest.

Den direkten Bruch mit dem ANC will die Partei deshalb aber noch lange nicht wagen. Im Gegenteil, in ihrem Papier erklärt die SACP, dass die »Entwicklung von Personenkulten« die Gefahr berge, »unverhältnismäßige Erwartungen an einzelne« aufzubauen. »Heldenanbetung« könne sich so in »infantile Anti-Fixierung« umkehren, lautet die Erklärung für die Spaltungstendenzen in der Allianz. Explizit an den Pranger gestellt werden der ehemalige Präsident der ANC-Jugendliga und jetzige selbsternannte »Chefkommandierende« der Oppositionspartei EFF, Julius Malema, sowie der im vergangenen Jahr geschasste linke COSATU-Generalsekretär Zwelinzima Vavi. Die Abgrenzung zu den verstoßenen Allianzrebellen deutet auf zweierlei hin: Die SACP wird den offenen Bruch mit dem ANC in naher Zukunft nicht wagen. Eine Fortführung der zunehmend investorenfreundlichen und arbeiterfeindlichen Politik des ANC unter Zuma kann sie aber auch nicht klaglos mittragen – allein schon weil sie dadurch bedeutungslos würde und auch im Kampf um zukünftige Regierungsposten ihr Faustpfand verlöre.

* Aus: junge Welt, Samstag, 11. Juli 2015


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