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Kernkraftimport aus Russland

Südafrika will bei der Stromversorgung neben der Kohle künftig auch auf Uran setzen

Von Armin Osmanovic, Johannesburg *

Gute Bedingungen für erneuerbare Energien gibt es in Südafrika. Doch das Land geht bei der Stromerzeugung ganz andere Wege. So sollen die ersten russischen Atomkraftwerke in Afrika gebaut werden.

Südafrika hat einen Milliardendeal mit der russischen Nuklearfirma Rosatom unterzeichnet, der die Lieferung von bis zu acht Atomkraftwerken bis zum Jahr 2030 vorsieht. Der am Rande einer Konferenz der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien geschlossene Vertrag hat nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Itar-Tass einen Umfang von 40 bis 50 Milliarden US-Dollar. Südafrikanische Experten rechnen aber mit deutlich höheren Kosten für den Bau der neuen Kraftwerke von bis zu 100 Milliarden Dollar.

Bislang betreibt Südafrika nur ein Atomkraftwerk französischer Bauart unweit von Kapstadt. Die Volkswirtschaft leidet seit Jahren unter Energiemangel. Immer wieder kommt es zu Stromausfällen etwa im Winter, wenn der Elektrizitätsbedarf für die Wärmeversorgung ansteigt.

Energieministerin Tina Joemat-Petterson will mit der Kernkraft nicht nur die Stromerzeugungskapazitäten erhöhen, sondern auch mehr Wachstum und neue Arbeitsplätze erreichen. »Und die Vereinbarung öffnet Südafrika den Zugang zu russischer Atomtechnologie«, so die Ministerin. Rosatom-Chef Sergej Kirienko erklärte am Montagabend in Moskau, sein Konzern plane »den Aufbau einer kompletten Atomindustrie«. Dabei sollen auch Aufträge in Höhe von etwa zehn Milliarden Dollar an südafrikanische Firmen fließen.

Die Bekanntgabe des Vertragsabschlusses kommt nicht überraschend. Seit der Reise des südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma im August nach Russland, wo er Präsident Wladimir Putin traf, war spekuliert worden, dass ein Atomdeal vorbereitet werde. Neben Russland war vor allem Frankreichs Atomindustrie am Bau neuer AKW interessiert. Dass sich Südafrika für das russische Angebot entschieden hat, mag auch mit der enger werdenden Zusammenarbeit beider Länder im Rahmen der BRICS-Gruppe zu tun haben.

In Südafrika gab es aber auch viel Kritik am Abschluss des Vertrags. Angesichts vergangener Atomkatastrophen in anderen Ländern und der immensen Kosten für den Bau neuer Kernkraftwerke hatten Umweltschützer darauf gehofft, dass die Regierung auf den Ausbau der erneuerbaren Energien setzen werde. Bislang spielen Sonne und Wind trotz günstiger Bedingungen nur eine geringe Rolle im Strommix des Landes. Für David Hallowes von der Umweltorganisation Groundwork ist der Deal daher ein »Desaster«. Und der Chef der Bergarbeitergewerkschaft NUM, Frans Baleni, beklagte zudem die fehlende Diskussion über die Atompläne der Regierung und die Sicherheitsrisiken, die mit der Nutzung der Kernkraft verbunden sind. »Wir haben nicht die Möglichkeiten wie Japan, uns von einer Katastrophe wie Fukushima zu erholen«, sagte Baleni. Auch sei angesichts der riesigen Summen im Rahmen des Atomprogramms mit Korruption zu rechnen.

Der NUM-Chef hatte bei der Regierung für den Ausbau der Kohleverstromung geworben. Derzeit sind zwei neue Kohlekraftwerke im Bau, welche die angespannte Stromversorgung entlasten sollen. Baleni setzt auf den Bau eines weiteren Kohlekraftwerks, nicht zuletzt um die Arbeitsplätze tausender Bergarbeiter zu sichern. Einheimische Kohle trägt derzeit zu 80 Prozent zur Stromversorgung bei – die Vorkommen gehören aber zu den »dreckigsten« der Welt. Großabnehmer China erwägt offenbar einen Einfuhrstopp für die stark sulfathaltige Kohle, was in Südafrika Arbeitsplätze in Gefahr bringt.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch 24. September 2014


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