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Politiker fühlen sich von Journalisten belästigt

Südafrikas Regierung plant Einschränkung der Medienfreiheit

Von Odile Jolys *

Die städtischen Südafrikaner, ob schwarz, farbig, weiß oder asiatischer Herkunft, alle befürworten in großer Mehrheit die Freiheit der Medien. Für über 80 Prozent der Befragten sind unabhängige Medien wichtig, so das Ergebnis einer TNS Research-Umfrage. Die Regierung Südafrikas jedoch ist da anderer Meinung. Ein neues Gesetz soll die Medien stärker an die Leine nehmen.

Südafrikanische Politiker hören, sehen und lesen in den Medien des Landes wenig schmeichelhaftes über sich: Regierung und Verwaltung sehen sich regelmäßig mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert. Auch wird in der Presse der verschwenderische Lebensstil der Politiker angeprangert. Beobachter vermuten hierin den Grund für die Vorstöße der Regierung, die Freiheit der Medien einzuschränken. Mit einem neuen Informationsgesetz (Protection of Information Bill), das gegenwärtig im Parlamentsausschuss behandelt wird, plant die Regierung, Informationen von öffentlichen Behörden als geheim einzustufen, wenn nationales Interesse betroffen ist. Allein die Regierung könnte in Zukunft entscheiden, was geheim bleibt. Journalisten drohen bei Verstößen Gefängnisstrafen.

Die Zivilgesellschaft mobilisiert jedoch gegen das Vorhaben. Spätestens seit der Verhaftung des Journalisten Mzilikazi wa Africa von der Wochenzeitung Sunday Times Anfang August, der einer Korruptionsgeschichte auf der Spur war, sind die Medien alarmiert. Der Reporter wurde mit großem Polizeieinsatz verhaftet und ohne Anwesenheit seines Anwaltes befragt. Das Gericht ordnete aber rasch seine Freilassung an.

Nach Meinung des südafrikanischen Herausgeberforums sind insgesamt sieben Gesetzesvorhaben der Regierung dabei, die die Informationsfreiheit beschneiden. So auch das Mitte Oktober im Parlament behandelte Gesetz gegen Belästigungen. Unter der Kategorie Stalker können nun auch hartnäckige Journalisten fallen, die für ihre Recherche Personen mit Nachdruck zu interviewen versuchen. Auf dem Kongress des ANC im September in Durban entschied die Regierungspartei, die seit geraumer Zeit diskutierte Gerichtsbarkeit für Medien nun auf den Weg zu bringen. Das »Media Appeals Tribunal«-Gesetz soll Bürger gegen falsche Anschuldigung der Presse schützen. Die Selbstregulierung des südafrikanischen Pressenrats komme ihre Arbeit nicht gut genug nach, heißt es zur Begründung.

Nicht nur innerhalb Südafrikas, auch international werden die Pläne der Regierung in Pretoria missbilligt. Die Herausgeber der führende Presseagenturen Reuters, AP, AFP und Bloomberg haben bei Präsident Jacob Zuma protestiert. Der US-amerikanische Botschafter in Südafrika äußerte seine Bedenken und während des Treffens von Zuma mit Vertretern der Europäischen Union Ende September haben ihn Abgeordnete des Europäischen Parlamentes über das Vorhaben kritisch befragt. Zudem zirkuliert eine internationale Petition auf www.avaaz.org mit derzeit knapp 40 000 Unterzeichnern, die sich gegen das Medientribunalgesetz und das Informationsgesetz wendet.

Die Proteste haben Bewegung in die Sache gebracht. Der Vize-Präsident des Landes, Kgalema Molanthe, sagte kürzlich, dass man keine Medien-Tribunale brauche, wenn die Presse ihre Selbstkontroll-Mechanismen reformiere. Man stünde einem eigenen Vorschlag der Presse aufgeschlossen gegenüber. Der Presserat Südafrikas ist mittlerweile dabei, seine Funktionen einer internen und externen Überprüfung zu unterziehen.

Ob die Gesetze nun so angenommen werden oder nicht, Schaden ist entstanden. Medienexperte befürchten, dass der erzeugt Druck der Politik auf die Presse, die Selbstzensur im Land fördern wird.

* Aus: Neues Deutschland, 1. November 2010


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