Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Daimler hat den Rassisten Militärfahrzeuge geliefert"

Jetzt bekommt der Konzern die Quittung: Internationale Kampagne zur Fußballweltmeisterschaft in Südafrika. Ein Gespräch mit Bernd Eichner

Bernd Eichner arbeitet für »medico international« in Frankfurt/M. Die Nichtregierungsorganisation streitet u. a. für das Menschenrecht auf den bestmöglichen Zugang zu Gesundheit



Am Mittwoch (14. April) treffen sich in Berlin die Daimler-Aktionäre zu ihrer jährlichen Hauptversammlung. Parallel dazu startet »medico international« eine Unterschriftenkampagne zur Unterstützung südafrikanischer Apartheidopfer in der Auseinandersetzung mit dem Stuttgarter Autobauer - Motto: »Daimler - Star of Apartheid«. Wie muß man das verstehen?

Wir werfen der Firma vor, daß sie während der Apartheid in Südafrika Beihilfe zu schweren Menschenrechtsverletzungen geleistet hat. Daimler hat das damalige Rassistenregime mit Maschinen und Fahrzeugen für den Polizei- und Militärapparat ausgerüstet. Das Material wurde zur Bekämpfung von Aufständen in den Townships und zu Destabilisierungskriegen in den Nachbarländern eingesetzt. Und das, obwohl die internationale Staatengemeinschaft den Boykott Südafrikas beschlossen hatte.

Dieser Boykott wurde von Daimler also planmäßig unterlaufen?

Das Unternehmen redet sich darauf hinaus, sein Engagement in Südafrika sei Taktik gewesen, um das Apartheidregime zu schwächen. In Wirklichkeit war es aber so, daß Daimler dadurch Extraprofite machen konnte, weil sich andere Unternehmen tatsächlich an den Boykott hielten.

Was konkret hat denn Daimler an Südafrika geliefert?

Die Unimogs z. B. - geländegängige Kleinlastwagen -, die für Razzien gegen Aktivisten in den Townships und gegen Demonstranten gebraucht wurden. Mit Raketenwerfern ausgerüstet, wurden diese Fahrzeuge auch bei den zahlreichen Überfällen Südafrikas auf seine Nachbarstaaten eingesetzt.

Ist nicht der Unimog ein eher ziviler Fahrzeugtyp?

So argumentiert Daimler ja auch. Der Trick war aber, daß diese angeblich zivilen Fahrzeuge schon teilmilitarisiert ausgeliefert wurden: Mit Sturmgewehr-Halterungen, Dachschießluken, kugelsicheren Reifen und Tarnbeleuchtung. Erst in Südafrika kam dann die restliche Ausstattung für Polizei- und Militärzwecke hinzu.

War das nicht ein Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz? Solche Lieferungen hätten doch eigentlich von der Bundesregierung genehmigt werden müssen.

Das sehen wir auch so. Die damals dafür zuständigen Bundesregierungen waren aber so wirtschaftsfreundlich, daß sie keinen Wert darauf legten, nachzuforschen. Sie haben Daimler einfach gewähren lassen und beide Augen zugedrückt.

Was ist denn außer der Unterschriftenkampagne noch gegen Daimler geplant?

Unsere Kampagne ist zweigleisig. In Deutschland läuft zum einen die schon erwähnte Unterschriftensammlung, mit der wir auf das Engagement Daimlers für das damalige Apartheidregime hinweisen wollen. Wir wollen damit die PR-Kampagne des Unternehmens konterkarieren - es will sich ja in seiner Eigenschaft als Hauptsponsor der deutschen Nationalelf zur Fußballweltmeisterschaft in Südafrika mächtig in Szene setzen. Ziel ist, daß Daimler Verhandlungen mit »Khulumani« über die Zahlung von Entschädigung an Apartheidopfer aufnimmt. »Khulumani« ist die größte Apartheid-Opfer-vereinigung in Südafrika.

Das zweite Gleis der Kampagne verläuft in Südafrika selbst. Dort werden während der Weltmeisterschaft öffentliche Aktionen gegen Daimler stattfinden. Außerdem klagt »Khulumani« in den USA auf Entschädigung. Ein New Yorker Gericht hat im April 2009 die Sammelklage gegen Daimler und vier weitere Konzerne zugelassen.

Daimler ist zudem in der Rüstungsindustrie engagiert. Hat der Konzern etwa auch Waffen geliefert?

Direkte Waffenlieferungen von Daimler können wir zur Zeit nicht belegen. Wohl aber die des Düsseldorfer Konzerns Rheinmetall, der während der Apartheid über Paraguay eine komplette Munitionsfüllanlage an Südafrika geliefert hat. Rheinmetall wird deswegen ebenfalls von »Khulumani« in den USA verklagt.

Interview: Peter Wolter

* Aus: junge Welt, 12. April 2010


Zurück zur Südafrika-Seite

Zur Deutschland-Seite

Zurück zur Homepage