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Sri Lankas Militäroffensive verschlingt Milliarden, die nicht vom Himmel fielen

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Von Stunde zu Stunde schrumpft das Operationsfeld der Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) im Norden Sri Lankas. Das Militär rückt – offensichtlich unaufhaltsam – vor, die letzten sechs Quadratkilometer LTTE-Territorium zu erobern. Die im Sommer vorigen Jahres begonnene Offensive gegen die tamilischen Rebellen hat ungezählten Menschen das Leben gekostet – zurückhaltende Schätzungen gehen allein in den vergangenen Monaten von über 5 000 aus.

Von den Protesten mit Hunderttausenden Demonstranten – überwiegend von Auslandstamilen und mit ihnen sympathisierenden Gruppen – zeigte sich Colombo nicht beeindruckt. Eine globale Solidaritätsbewegung mit der leidenden tamilischen Minderheit der dem indischen Subkontinen im Südosten vorgelagerten Insel kam nicht zustande. Auf Appelle der UNO und verschiedener Staaten reagierte die Regierung von Präsident Mahinda Rajapakse überhaupt nicht oder mit billigen Ausreden. Die Frage, warum Colombo seinen zerstörerischen Kurs fortsetzen konnte, drängt sich auf.

Zunächst nutzten Regierung und Armee clever das für ihr Vorhaben günstige internationale Umfeld. Der US-Imperialismus war – und ist – in seine Abenteuer in Afghanistan und Irak verstrickt. Der Konflikt in Sri Lanka gefährdet zudem seine globalen Interessen nicht. Washington konnte andere agieren lassen. Norwegen als Vermittler, Neu-Delhi als »Oberbeobachter« des blutigen Geschehens, Pakistan und Israel lieferten Waffen und verhinderten damit eine Lücke, die durch die »Limitierung« der US-Militärhilfe für Sri Lanka zu entstehen drohte.

Die »Stellvertreter« haben zumindest den Segen von über 30 Staaten, die die LTTE als terroristische Organisation auf den Index gesetzt hatten. Das war mehr als eine symbolische Entscheidung, denn in deren Folge wurde die wesentliche finanzielle und materielle Unterstützung der Auslandstamilen in Westeuropa, den USA, Kanada und Australien empfindlich eingeschränkt. Colombo war es gelungen, seine militärische Auseinandersetzung mit der LTTE weltweit als Bestandteil des »internationalen Kampfes gegen den Terrorismus« darzustellen. Jeden Anschlag in Pakistan oder Indien, jede Widerstandsaktion der Palästinenser gegen die israelischen Okkupanten nahmen die Propagandisten in Colombo zum Anlaß für Aufrufe, gemeinsam gegen die »Geißel des Terrorismus« vorzugehen. Es gelang ihnen, aus dem öffentlichen Bewußtsein zu verdrängen, daß es zu dem Bürgerkrieg gekommen war, weil sich die tamilische Minderheit verzweifelt gegen die staatlich sanktionierte Diskriminierung auflehnte.

Leider begünstigten die Befreiungstiger unter ihrem Chef Velupillai Prabhakaran mit einer Reihen von Fehlern diese Entwicklung. Dazu gehörten die zwar spektakulären, aber militärisch sinnlosen Selbstmordanschläge, denen unter anderen Sri Lankas Präsident Premadasa, Außenminister Kadirgamar oder Indiens Expremier Rajiv Gandhi zum Opfer fielen, und die das Image der LTTE als Befreiungorganisation in Frage stellten.

Möglich wurde Rajapakses Vernichtungsoffensive aber, weil die Armee modernisiert und das Militärbudget ständig erhöht worden waren – für 2009 immerhin um sieben Prozent auf 1,6 Milliarden Dollar. Pakistan hat seine Kooperation mit Sri Lanka im Jahre 2004 spürbar intensiviert. Und bei einem Besuch von Verteidigungssekretär Gothabaya Rajapakse im Januar 2009 im pakistanischen Rawalpindi vereinbarten beide Seiten nochmals, ihre militärische Zusammenarbeit »auf allen Ebenen« auszubauen. Israel gilt fast schon als traditioneller Waffenlieferant –von Kfir-Kampfjets über Dvorka-Patrouillenbooten und Raketen bis zu elektronischen Ausrüstungen. Ideologisch sitzen Tel Aviv und Colombo sowieso in einem Boot und verdächtigen jeden Palästinenser wie jeden Tamilen, ein Terrorist zu sein.

Zu den Partnern im Militärbereich zählt auch China, das anläßlich des 50. Jahrestages der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen beiden Ländern im Jahre 2007 seine Unterstützung für Sri Lanka verstärkte. In diesen Rahmen paßt ein Deal, für eine Milliarde Dollar an der Südküste Sri Lankas bei Hambantota einen Hafen zu bauen. Von dort sind es nur sechs Seemeilen bis zur West-Ost-Schiffahrtsroute, über die 70 Prozent der chinesischen Erdölimporte laufen.

Sri Lanka ist kein wirtschaftlicher Riese. Die Einnahmen aus dem traditionellen Export von Tee und der nicht gerade prosperierenden Tourismusbranche – die beiden ökonomischen Standbeine – werfen soviel nicht ab. Also müssen die »Waffendollars« auf anderem Weg in die Staatskasse Sri Lankas gelangt sein. An der Spitze eines Geberkonsortiums steht Japan. Iran hat eine Kreditlinie über 1,6 Milliarden Dollar für srilankische Ölimporte eröffnet. Die EU ist Colombos größter Handelspartner. Indien hat mehrfach Millionenkredite gewährt. Offiziell dient das alles friedlichem Handel und Wandel.

Nicht zu vergessen die Rekordspenden aus aller Welt nach dem Tsunami im Dezember 2004. Die Regierung sperrte schnell die Gelder für den tamilischen Osten und Norden, wo die Schäden besonders gravierend waren, wo aber zu diesem Zeitpunkt noch die LTTE die Kontrolle hatte. Die Vorwürfe lauteten, die Befreiungstiger würden die Tsunami-Hilfe für militärische Zwecke kassieren. Wer aber kontrollierte, so fragen Kenner der südasiatischen Szene, daß Colombo nicht »Tsunami-Dollars« für seine Streitkräfte abzweigte?

* Aus: junge Welt, 2. Mai 2009


Propaganda in Zeiten des Grauens

Die srilankische Armee setzt ihren Vernichtungskrieg fort und stößt lediglich auf zaghafte internationale Kritik

Von Raoul Wilsterer **


Im Nordosten Sri Lankas herrscht Vernichtungskrieg, den die Regierung in Colombo bis zum Endsieg weiterführen will. Nichts ansatzweise scheint sie internationale Kritik zu beeindrucken, und zuletzt ließ sie am Mittwoch (29. April) auch die Außenminister Großbritanniens und Frankreichs abblitzen, die in die Hauptstadt des Inselstaats gereist waren, um einen Waffenstillstand zu erbitten. Zuvor war die UNO diesbezüglich bereits mehrfach gescheitert, und tatsächlich deutet alles darauf hin, daß die singhalesische Staatsführung ihren Versuch fortsetzen wird, das Tamilenproblem militärisch zu lösen.

Zu halbherzig, ja kleinlaut klingen die jüngsten Erklärungen des Scheiterns von Bemühungen zur Konfliktlösung. Nach einem Besuch in Colombo meinte beispielsweise Frankreichs Außenamtschef Bernard Kouchner am Mittwoch, man hätte sich »sehr bemüht«, doch hänge es »letztlich von der Regierung in Colombo ab, ob sie eine Feuerpause gewähre«. Und sein britischer Amtskollege David Milliband hielt es nach dem Treffen mit Sri Lankas Außenminister Rohitha Bogollagama gar für angebracht, sich für seine im EU-Auftrag unternommene Vermittlerrolle gegenüber Colombo zu rechtfertigen: Mit der geforderten Waffenruhe sollten Zivilisten aus dem Kampfgebiet gerettet werden und keine tamilischen Kämpfer oder gar Rebellenchef Velupillai Prabhakaran, erklärte er, nachdem er in Sri Lanka abgeblitzt war.

Es ist das alte Lied: Colombo zeigt sich verhandlungsresistent in der tamilischen Frage und läßt statt dessen zu Land, zu Wasser und aus der Luft die schweren Waffen sprechen. Spätestens seit den unter norwegischer Moderation geführten Gesprächen zwischen Regierung und Befreiungsbewegung LTTE in Genf im Oktober 2006 war deutlich erkennbar, daß sich die Regierung stärker fühlte als 2002. Damals war ein unbefristeter Waffenstillstand vereinbart worden, und der politische Weg zur Konfliktlösung schien möglich –zunächst... Vor allem die demagogische US-Formel vom »Krieg gegen den Terror« ermutigte die Regierenden, und die EU stärkte ihnen den Rücken, indem sie die LTTE auf ihre »Antiterrorliste« hievte. Colombo rüstetet auf –propagandistisch wie militärisch. Im Januar 2008 wurde der Waffenstillstand offiziell beendet.

Nun, da Hunderttausende Tamilen zu Flüchtlingen geworden und ungezählte Ziviltote zu beklagen sind, fällt auf internationaler Ebene dann und wann zwar ein kritisches Wort an Sri Lankas Kriegsherrn, doch überwiegt das Schweigen. Nicht nur seitens der offiziellen Politik. Auch von der in anderen Fällen so wortgewaltigen Menschenrechtsfront ist wenig zu hören, und selbst große Teile der Linken in aller Welt scheinen sich unter dem Terrorstigma, das über die LTTE verhängt wurde, wegzuducken. Ausnahmen bestätigen derzeit noch diese Regel. Wie die Schriftstellerin und Globalisierungskritikerin Arundhati Roy (»Der Gott der kleinen Dinge«), die sich bereits vor Wochen zum »stummen Horror des Krieges in Sri Lanka« äußerte (siehe "Der stille Schrecken des Kriegs ..."). Ein Vorbild in Zeiten des Grauens.

* Aus: junge Welt, 2. Mai 2009


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